Johannes Böhm & Theresa Brüheim - 25. Januar 2019 Kulturrat_Logo_72dpi-01

Heimat-Identität

Verwurzelung und Selbstbewusstsein


Der Bayerische Landesverein für Heimatpflege stiftet Orientierung und mehr

Theresa Brüheim: Herr Böhm, Sie sind Vorsitzender des Bayerischen Landesvereins für Heimatpflege. Was bedeutet Heimat für Sie?

 

Johann Böhm: Der Begriff Heimat ist schwer zu fassen. Er hat viel mit Gefühlen zu tun. Da Menschen unterschiedliche Gefühle haben, sind auch ihre Bewertungen unterschiedlich.

 

Heimat: Der Begriff kann missbraucht oder zumindest instrumentalisiert werden. Die Nationalsozialisten haben ihn missbraucht, haben ihn mit ihrer „Blut-und-Boden-Theorie“ ideologisch aufgeladen. Heimat gehörte für sie den „Eingeborenen“ und schloss die „Fremden“ aus. Diese Politik diskreditierte das Wort Heimat. Man sträubte sich daher nach dem Krieg, Heimat als etwas Erstrebenswertes anzusehen. Wir haben gegen diese Verzerrungen gekämpft und für ein neues Verständnis geworben. Heimat war für uns nie die Wärmestube, in der wir uns behütet fühlen und zu der wir anderen den Zutritt verwehren. Sie ist der Ort, wo jedermann sich als Mensch entfalten kann und auch ein Hinzukommender Mensch sein darf. Heimat macht nicht die Fenster zu, sondern auf und blickt durchaus nach außen. Sie ist Ort des Mitmachens und Mitgestaltens, des bürgerschaftlichen Engagements. Keinesfalls ist sie bloße Idylle. Sie besteht also nicht nur aus Trachten, Blasmusik und Bierfesten. Heimat ist etwas wirklich Elementares, das Halt gibt.

 

Neuerdings wird Heimat instrumentalisiert. Waren werden mit dem Qualitätssiegel verkauft, sie seien „Produkte der Heimat“. Parteien und Regierungen machen sich die Bürger mit dem Anspruch gewogen, dass sie „für ihre Heimat“ arbeiteten.

 

Ist Heimatpflege heute wichtiger denn je?

 

Ja, gerade in Zeiten der Globalisierung braucht der Mensch Orientierungspunkte. Er muss wissen, wo er hingehört. Der Mensch, der sich nirgendwo aufgehoben fühlt, ist in keiner guten Verfassung. Daher ist auch die Vermittlung und Pflege von Heimat unverzichtbar. Sie stiftet Verwurzelung und somit Selbstbewusstsein.

 

Welche Bedeutung hat der Bayerische Landesverein für Heimat-pflege im Bundesland?

 

Der Landesverein wurde 1902 gegründet. Über die Hälfte der Gründungsmitglieder waren Architekten. Ihnen war die Bausubstanz in Bayern wichtig. Sie erstellten Gutachten, überprüften Pläne, fertigten Detailzeichnungen an. In den ersten Jahren bis zum Ersten Weltkrieg hat der Verein über 1.000 Gutachten erstellt und über 3.000 Pläne entwickelt. Diese Arbeit war beispielgebend. Darauf aufbauend hat der Freistaat schon in den 1930er Jahren Bauberatungsstellen eingerichtet. Seit vielen Jahren gibt der Landesverein das Periodikum „Der Bauberater“ mit Handreichungen für Architekten heraus.

 

Er hat durch Initiativen Grundlagen für das Bayerische Denkmalschutzgesetz gelegt – ebenso für den Bayerischen Musikplan. Er hat erreicht, dass heimatkundlicher Unterricht in die Schulen kommt.

 

Der Trachten- und der Brauchtumspflege widmet er große Aufmerksamkeit. Im Internetzeitalter bedarf es moderner Vermittlungsmethoden für Bräuche. Wir haben gemeinsam mit der Universität Augsburg eine Art Wikipedia für Brauchgeschehen in Wort und Bild entwickelt.

 

Und als der Obergermanische-Raetische Limes wiederentdeckt wurde und zum europäischen Kulturerbe werden sollte, wen hat man beauftragt, um die Dinge auf Vordermann zu bringen? Den Bayerischen Landesverein für Heimatpflege.

 

Sie sehen, unsere Arbeit ist umfänglich. Aber der Bayerische Landesverein für Heimatpflege setzt sich nicht laut in Szene; er arbeitet geräuschlos, aber wirkungsvoll. Wir machen eine ruhige, wichtige Arbeit.

 

Vielen Dank.

 

Dieses Interview ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 01-02/2019.


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