Friederike Schulz - 25. Januar 2019 Kulturrat_Logo_72dpi-01

Heimat-Identität

Das Finden der eigenen Heimat


Was bestimmt Heimat?

Heimat. Was ist Heimat überhaupt? Muss es ein Ort sein? Und wenn ja, muss es der Ort meiner Geburtsstätte sein? Kann Heimat auch eine Person oder ein Gefühl sein? Muss ich eine Heimat haben? Und wie bemerke ich sie? Passiert das alles unterbewusst? Und wenn ich nun eine Heimat habe, muss ich dann unter allen Umständen für sie einstehen, auch wenn ich mit Teilen oder Praktiken meiner Heimat nicht einverstanden bin?

 

Meine Herkunft ist einfach. Ich bin Deutsche. Und zwar eindeutig. Zum einen bin ich hier geboren, zum anderen fließt schon seit Generationen auf beiden Seiten meiner Familie deutsches Blut. Doch ist das alles? Wurde schon vor meiner Geburt einfach durch die Herkunftsländer meiner Eltern und ihrer Eltern meine ganz persönliche Heimat bestimmt?

 

Ich war immer eifersüchtig auf viele in meiner Klasse, weil sie zweisprachig aufgewachsen sind. Obwohl bei uns in der Klasse durch die Herkunft der Eltern 15 verschiedene Nationen vertreten sind, die auf 30 Jugendliche verteilt sind, wurde nur eine Einzige nicht in Deutschland geboren.

 

Also was ist mit all denen? Allen, deren Eltern aus einem anderen Land kommen, sie selber aber nie dort gelebt haben? Ist auch bei ihnen durch die Eltern die Heimat schon vorbestimmt oder zählt in diesem Fall ihr Wohn- und Geburtsort mehr? Um das zu entscheiden, müssten wir erst mal generell über Heimat reden.

 

Was bedeutet Heimat überhaupt?
Ich war immer der Annahme, dass dort, wo du geboren wurdest, deine Heimat ist. Doch als ich älter wurde, fingen Leute an, Deutschen zu sagen, sie sollen in ihre Heimat zurückgehen, nur weil sie anders aussahen. Also ist doch nicht der Geburtsort entscheidend?

 

Ist es die Herkunft unserer Vorfahren, die unsere Heimat bestimmt? Wie viele Generationen sind bei diesem Fall für die Prägung der Heimat wichtig? Sind es nur unsere Eltern oder sind auch unsere Ur-, Ur-, Urgroßeltern für den späteren Status unserer Heimat unabkömmlich? Aber wieso nimmt man dann überhaupt die Staatsbürgerschaft eines Landes an, wenn man es doch sowieso nie Heimat nennen kann? Und ist die Definition der Heimat nicht generell etwas ganz Persönliches? Etwas, das man nur selber feststellen kann und sollte?

 

Diese eine Person aus meiner Klasse, die nicht in Deutschland geboren wurde, kommt aus Finnland, doch hat sie die meiste Zeit ihres Lebens hier in Deutschland verbracht. In dem Fall würde weder meine Kindheitstheorie nach der, der Geburtsort entscheidet, noch die mit der Blutlinie der Vorfahren noch die der Staatsbürgerschaft, Deutschland als ihre Heimat anerkennen und doch fühlt sie sich so, als wäre hier ihre Heimat. Sind also alle Theorien nicht hinfällig, solange der Mensch selber anders fühlt?

 

Heimat sollte ein Ort oder eine Person sein, zu der man immer zurückkommen kann und wo man sich sicher und glücklich fühlt, oder nicht? Doch woher sollte ich bitte wissen, was das für jemand anderen bedeutet? Wie sollten unsere Ur-, Ur-, Urgroßeltern, die uns niemals kennenlernen können, diese Gefühle voraussehen? Was bringt das äußere Erscheinungsbild, wenn das Innere etwas anderes sagt? Also sollte wir nicht jeden selber entscheiden und herausfinden lassen, was für den Einzelnen die richtige Antwort auf die Frage der Heimat ist?

 

Und vielleicht, wenn wir dann noch Kraft haben, können wir uns über jeden freuen, der so wie wir Deutschland als schön, sicher und akzeptierend genug wahrnimmt, um es als eigene Heimat anzusehen. Denn ist das nicht eigentlich das größte Kompliment für ein Land, das es gibt?

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 01-02/2019.


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