Octavia Gloggengießer - 2. Dezember 2019 Kulturrat_Logo_72dpi-01

Frauen in Kultur & Medien

Akustische Zeitzeichen


Komponistinnen stärken

Der Deutsche Komponistenverband in Berlin (DKV-B) widmet sich seit diesem Jahr verstärkt der Förderung von Komponistinnen, da Frauen in der kreativen Musikwirtschaft noch immer stark unterrepräsentiert sind. Der Verband möchte mit verschiedenen Maßnahmen einen Bewusstseinswandel vorantreiben und sich damit für eine vielfältigere Kultur einsetzen: Hierzu zählen eine Konzertreihe mit dem Schwerpunkt Filmmusik von Komponistinnen, die Konzeptionen zu einer Beteiligung am „Girls’ Day“, durch offene Studios, sowie die Konzeption eines „Duo-Programms“. Nachwuchsförderung und Vernetzung stehen dabei, neben dem Austausch zu berufsständischen Fragen und zum Urheberrecht, im Fokus.

 

Den Auftakt des neuen Arbeitsschwerpunktes bildet eine Kampagne zur größeren Sichtbarkeit von Komponistinnen. So wird ein knappes Drittel der deutschlandweit im Verband vertretenen Komponistinnen – das sind rund 44 Frauen – mit ihren je drei wichtigsten Arbeiten, Aufführungen und/oder Sendungen in der Verbandszeitung „com.Position“ abgebildet sein.

 

Diese Komponistinnen des DKV sind, wie Rebecca Saunders, Trägerinnen internationaler Preise und Stipendien. Als Einzelvertreterinnen oder Angehörige der drei Fachgruppen, Filmkomposition (DEFKOM), Songwriting (VERSO) und E-Musik (FEM), sind sie oft auch genreübergreifend und in interdisziplinären Kulturdisziplinen tätig. Viele arbeiten außerdem als Veranstalterinnen, Professorinnen, Wissenschaftlerinnen, Autorinnen, Verlegerinnen oder Archivarinnen. Insofern bildet die Kampagne eine beeindruckende Vielfalt von Persönlichkeiten ab, die mit ihren akustischen Handschriften – auf Augenhöhe mit ihren männlichen Kollegen – im DKV versammelt sind.

 

Eine besondere Bedeutung haben diese Komponistinnen als Vorbilder und Role-Models für die Stärkung des weiblichen Nachwuchses. Denn ihre bisweilen mangelhafte Sichtbarkeit wirkt in die Zukunft. Sichtbarkeit ist den Studien des US-amerikanischen Geena Davis Institutes zufolge ein wesentlicher Schlüssel, dass die Präsenz von Frauen im Musikbetrieb endlich zur Selbstverständlichkeit wird.

 

Selbst heute sind Komponistinnen im Kulturbetrieb nur mit einem Prozentsatz von rund 10 Prozent vertreten. Eine Entsprechung dieser Zahlen aus der Studie „Frauen in Kultur und Medien“ des Deutschen Kulturrates von 2016 spiegelt sich auch 2019 im DKV sowie in der GEMA, wo der Frauenanteil jeweils bei 13 Prozent liegt, wider. Der Durchschnittswert der weiblichen Studierenden im Fachbereich Musik lag in den Jahren 1994 bis 2014 indes bei 47 Prozent. Das Fach Komposition wurde im Wintersemester 2014/15 mit einem Frauenanteil von 32 Prozent studiert, wie die Studie des Deutschen Kulturrates belegt. Mit dieser Diskrepanz zwischen erfolgreich Studierenden und später diese Disziplin auch ausübenden Komponistinnen möchte sich der DKV-Berlin nicht länger zufriedengeben. Und wie in anderen Kulturbereichen auch, schließt sich an diese Herausforderung das Thema der angemessenen Entlohnung gleich an. Der Gender-Pay-Gap ist auch im Bereich Komposition nicht zu leugnen. Zahlen der Versicherten in der Künstlersozialkasse im Bereich Komposition belegen laut Kulturratsstudie für das Jahr 2014 eine Differenz von 35 Prozent zugunsten der männlichen Komponisten.

 

Ganz neu ist diese Thematik natürlich nicht. Die Pionierarbeit für die verstärkte Präsenz von Frauen in der Musikkultur leistete vor 40 Jahren der „internationale Arbeitskreis Frau und Musik“, initiiert durch die Dirigentin Elke Mascha Blankenburg. Bis heute setzt sich das Archiv „Frau und Musik“, das aus dieser Initiative hervorging, für die stärkere Sichtbarmachung von Frauen in der Musikkultur ein. Die unter anderem durch die Geschichtsschreibung zurückgedrängten Komponistinnen können mithilfe des Archivs heute in die Konzertpraxis zurückkehren, damit wir sie endlich kennenlernen. Dass eine so wichtige Institution, die für das halbe kulturelle Gedächtnis der Menschheit einsteht, durch eine Kürzung der Mittel in ihrer Existenz bedroht ist, gilt es daher abzuwenden.

 

Berufsverbände allein können hier keinen Kulturwandel bewirken. So ist es wichtig, dass sich Konferenzen wie „Diversity in Music“, die Ende März 2020, organisiert von musica femina e.V. stattfindet, dem Thema Programmgestaltung ausführlich widmen und sich explizit an Veranstalterinnen und Veranstalter in der Kulturbranche wenden.
Eine weitere Initiative, die neben der Kampagne des DKV zur Sichtbarkeit beiträgt, ist die erste deutschlandweite Datenbank für Frauen im Musikbusiness: „Music Women Germany“, initiiert von Andrea Rothaug von „RockCity Hamburg“, ist eine seit September bestehende Datenbank, die für Musikfrauen aus ganz Deutschland genreübergreifend und für alle Berufsfelder der Musikbranche offen ist.

 

Als letzte Maßnahme für einen Bewusstseinswandel sei hier die Idee der Deutschen Filmkomponistenunion (DEFKOM/DKV) genannt, einem offiziellen Anschluss an die „Gemeinsame Erklärung zur Gleichstellung von Frauen im Jazz“ zuzustimmen. Gemeinsam soll ein Papier entwickelt werden, dass konkrete Empfehlungen zur Verbesserung der Arbeitssituation von Komponistinnen in der Filmbranche bereithält. Mit anderen Worten: Es gibt noch viel zu tun und gleichzeitig viele Ansatzpunkte, um Frauen in der Musikwelt das Gehör zu verschaffen, das ihnen gebührt.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 12/2019-01/2020.


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