Ulrich S. Soénius - 27. Februar 2020 Kulturrat_Logo_72dpi-01

Archive

Die Stiftung Rheinisch- Westfälisches Wirtschaftsarchiv  zu Köln


Was haben Verkäufe von Seefischen 1848 und der Handelsvertrag zwischen Deutschland und der Schweiz von 1881 gemeinsam? Wenig – bis auf den Aufbewahrungsort von über sie berichtenden Quellen. Dieser befindet sich in Köln. In der Stiftung Rheinisch-Westfälisches Wirtschaftsarchiv zu Köln (RWWA) werden Unterlagen zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte des Rheinlandes aufbewahrt: Dazu gehören neben Akten auch Urkunden, Fotos, Filme, Drucksachen, Werbematerialien und dreidimensionale Exponate. Unternehmen, Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern, Innungen, Verbände und Vereine sind die „aktenbildenden Stellen“, aber auch Nachlässe von Persönlichkeiten der Wirtschaft und Familienarchive von Unternehmerfamilien zählen dazu. Die ältesten Quellen stammen aus dem 16. Jahrhundert, wobei der Schwerpunkt der auf rund 20 Kilometer Regalfläche aufbewahrten Quellen auf dem 19. und 20. Jahrhundert liegt. Gegründet 1906, ist das RWWA heute für das Rheinland zuständig und bietet der Forschung über 600 Bestände an. Aufgrund des ehemaligen Sitzes in Bonn archivieren auch der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) und der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) ihre historischen Unterlagen im RWWA. Damit hat das Kölner Wirtschaftsarchiv eine bundesweite Bedeutung erhalten. Das RWWA ist das älteste regionale Wirtschaftsarchiv, heute existieren weitere acht dieser Art in Deutschland. Sie dienen als „Rettungsstation“ für Wirtschaftsquellen. Das RWWA berät zudem Unternehmen in historischen Fragen und bei dem Aufbau eigener Archive. Mit Ausstellungen, Publikationen und Kooperationen fördert das RWWA zudem die wirtschafts- und sozialhistorische Forschung.

 

Warum sollen Quellen der Wirtschaft überhaupt dauerhaft aufbewahrt werden? Sind denn wirtschaftliche Entwicklungen für die Fragen der Zukunft relevant? Was sagen die Quellen aus? Während im 19. Jahrhundert die Wissenschaft wesentlich die politische Geschichte im Augenmerk hatte, war zu Beginn des 20. Jahrhunderts vielen Betrachtern klar, dass diese Sicht zu eng sei. Daher bezogen sie mit wachsender Bedeutung bei der Erarbeitung von historischen Darstellungen die ökonomischen Quellen mit ein. Denn gerade seit der Industriellen Revolution, die über England und Belgien im ersten Quartal des 19. Jahrhunderts in das Rheinland kam, veränderte die wirtschaftliche Tätigkeit die Menschen, die Städte und Regionen sowie die Gesellschaft. Die Veränderungsprozesse gerierten sich stetig schneller, die Auswirkungen, z. B. in der Siedlungsentwicklung, waren markant. Solche Prozesse nachvollziehen zu können, ist für die zukünftige Entwicklung von Interesse. Gerade im Zeitalter der Digitalisierung ist der mögliche Rückgriff auf Entscheidungswege und unternehmerische Taten relevant. Dabei kommt es natürlich darauf an, die wesentlichen Quellen aufzubewahren, die hierzu Auskunft geben können. Aber neben den richtigen Bewertungsmodellen ist auch die Dokumentation des Gewesenen für die Nachwelt von hoher Bedeutung. Heutzutage wird alles schneller, aber auch flüchtiger. Unternehmen haben in der Vergangenheit wesentlich – gewollt und ungewollt – die Gesellschaft beeinflusst. Daher ist das Verständnis für „Warum?“ und „Wie?“ identifikationsstiftend.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 03/2020.


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