Olaf Zimmermann & Gabriele Schulz - 28. Mai 2021 Kulturrat_Logo_72dpi-01

Corona vs. Kultur

Lang hat’s gedauert und nun geht es endlich los


Sonderfonds des Bundes für Kulturveranstaltungen soll Anfang Juli starten

Ab dem 01. Juli dieses Jahres soll der Sonderfonds des Bundes für Kulturveranstaltungen starten. Endlich, werden viele sagen, denn seit Herbst letzten Jahres war er im Gespräch. Anfang dieses Jahres hatte Bundesfinanzminister Olaf Scholz in einem Interview in dieser Zeitung einen Sonderfonds für Kulturveranstaltungen angekündigt. Danach folgte langes Schweigen. Nur bröckchenweise drangen Informationen durch. Seit dem 26. Mai 2021 ist klar: Der Fonds kommt. Er ist mit 2,5 Milliarden Euro ausgestattet.

 

15 Monate Auszeit

 

Mit Erscheinen dieser Zeitung besteht in einigen Kulturbereichen seit 15 Monaten Auszeit. Keine größeren Veranstaltungen, kaum Live-Festivals, keine größeren Tourneen, kaum Konzerte und Aufführungen. Zwar gab es nach dem ersten Lockdown einige Lockerungsübungen und Veranstaltungen im Sommer 2020, doch seit November 2020: tosende Leere. Erst seit 20. Mai gibt es zaghafte Öffnungsansätze. Von einem flächendeckenden Kulturangebot wie vor der Pandemie kann nicht die Rede sein. Kulturstaatsministerin Monika Grütters spricht davon, dass in „normalen“ Zeiten 150.000 Kulturveranstaltungen im Jahr stattfinden. Wer sich diese Zahl vor Augen führt, kann ermessen, welcher Verlust in Folge der Corona-Pandemie entstanden ist. Ein Verlust an Freude und Genuss beim Publikum, ein Verlust an Ausdrucksmöglichkeiten bei Künstlerinnen und Künstlern der unterschiedlichen Genres, ein immenser ökonomischer Verlust für die Kulturwirtschaft, Kultureinrichtungen, Kulturvereine sowie viele angrenzende Branchen.

 

Weiterer Baustein

 

Mit dem Sonderfonds des Bundes für Kulturveranstaltungen sollen Kulturveranstalter ermutigt werden, Veranstaltungen zu planen und vertragliche Verpflichtungen einzugehen, auch wenn die Veranstaltungen aufgrund der Corona-Pandemie voraussichtlich nicht kostendeckend bzw. mit Gewinn durchgeführt werden können. Das gilt für öffentliche und öffentlich-geförderte Veranstaltungen, bei denen die öffentliche Förderung nur einen Teil der Kosten deckt und die Deckungslücke durch Eintrittsgelder erwirtschaftet werden muss. Das trifft auf privatwirtschaftliche Veranstalter zu, die die gesamten Kosten aus Eintrittsgeldern finanzieren müssen und als Unternehmen einen Gewinn erwirtschaften müssen. Ebenfalls einbezogen sind Vereine, die ihre Veranstaltungen kostendeckend durchführen müssen.

 

Der Sonderfonds des Bundes für Kulturveranstaltungen knüpft damit an die Überbrückungshilfen an, die privatwirtschaftlichen Unternehmen in der Corona-Pandemie die Fortexistenz sichern sollten. Sie sollten insbesondere den Unternehmen ein Überwintern in der Corona-Pandemie ermöglichen. Der Sonderfonds des Bundes für Kulturveranstaltungen setzt weiter bei NEUSTART KULTUR an. Hier wurde speziell mit den pandemiebedingten Investitionen die Ertüchtigung von Veranstaltungsorten unterstützt und mit der Programmförderung die Erarbeitung von Programmen gefördert. Ferner unterstützt er jene Kulturveranstalter, die dank einer Länderförderung sich auf die Wiedereröffnung vorbereiten konnten.

 

Es ist insofern folgerichtig, dass der Sonderfonds des Bundes für Kulturveranstaltungen zu einem Zeitpunkt aufgelegt wird, an dem absehbar ist, dass wieder Veranstaltungen stattfinden können. Er richtet sich an Kulturveranstalter aller Rechtsformen sowie an öffentliche Kultureinrichtungen.

 

Unterstützt werden Veranstalter folgender Kulturveranstaltungen: Theater, Musical, Tanz, Puppen-, Figuren- und Objekttheater, Varité, künstlerischer Zirkus ohne Tierdarbietungen, Kleinkunst, Konzerte einschließlich Live-Musik mit kuratiertem Musikprogramm, Vorführungen in den Bereichen Film und Medien, Ausstellungen (Bildende Kunst, natur- und kulturhistorische Ausstellungen, Ausstellungen der Erinnerungskultur), Lesungen, Festivals aller Kunstsparten und spartenübergreifende Kulturveranstaltungen. Die Voraussetzungen sind:

 

  • erstens, dass für die Veranstaltung Eintrittsgeld erhoben wird,
  • zweitens, dass coronabedingt weniger Tickets verkauft werden können als der Raum an Kapazität bietet.

 

Der Sonderfonds besteht aus zwei Bausteinen:

  1. Eine Wirtschaftlichkeitshilfe soll kleinere Veranstaltungen fördern, die ab dem 01. Juli 2021 durchgeführt werden und an denen unter Beachtung coronabedingter Hygienebestimmungen bis zu 500 Besucher teilnehmen. Ab dem 01. August 2021 werden Veranstaltungen mit bis zu 2.000. Besuchern gefördert. Durch eine Bezuschussung der Einnahmen aus Ticketverkäufen werden so die wirtschaftlichen Risiken reduziert und die Planbarkeit und Durchführbarkeit von Veranstaltungen verbessert.
  2. Daneben stellt der Sonderfonds, höchstwahrscheinlich ab dem 01. September 2021, eine Ausfallabsicherung bereit, die Kulturveranstaltungen ab 2.000 Besucherinnen und Besuchern dadurch Planungssicherheit verschafft, dass im Falle coronabedingter Absagen, Teilabsagen oder Verschiebungen von Veranstaltungen ein Teil der Ausfallkosten durch den Fonds übernommen wird.


Einige Hindernisse bestehen noch

 

Zum Redaktionsschluss dieser Ausgabe bestanden allerdings noch einige nicht unbeträchtliche Hindernisse bei der Umsetzung des Sonderfonds für Kulturveranstaltungen, die hoffentlich bis zum Start der Wirtschaftlichkeitshilfe Anfang Juli und der Ausfallabsicherung Anfang September aus dem Weg geräumt werden können.

 

Besonders wichtig ist, dass die Antragssteller einen rechtsicheren Bescheid über die Wirtschaftlichkeitshilfe oder die Ausfallabsicherung unmittelbar nach der Antragsstellung erhalten. Nur so kann verantwortlich das unternehmerische Risiko zur Durchführung einer Kulturveranstaltung unter strengen Hygienebedingungen eingegangen werden. Das ist bislang nicht vorgesehen. Vertrauen in den Sonderfonds des Bundes für Kulturveranstaltungen kann nur entstehen, wenn auch klar ist, dass die Antragsteller auch die Mittel erhalten. Eine reine Registrierung ohne weitere Zusicherung, dass auch Hilfen gewährt werden, wird dies Vertrauen nicht schaffen. Zumal den Veranstaltern auferlegt wird, mögliche Vertragspartner über die Registrierung beim Sonderfonds des Bundes für Kulturveranstaltungen zu informieren.

 

Ein weiteres Hindernis ist der Zeitraum. Bislang ist der Sonderfonds des Bundes für Kulturveranstaltungen nur bis zum 31. Dezember 2021 geplant. Dies ist ein viel zu kurzer Zeitraum. Zumal jetzt noch nicht abzusehen ist, ob ab dem kommenden Jahr wieder Veranstaltungen in gewohnter Größenordnung stattfinden können.

 

Umständlich erscheint derzeit, dass Tourneeveranstalter in jedem Bundesland, in dem eine Veranstaltung stattfindet, einen Antrag auf Wirtschaftlichkeitshilfe stellen muss. Das könnte bedeuten, dass beispielsweise für eine Tournee einer Band durch 16 Bundesländer, 16 Anträge auf Wirtschaftlichkeitshilfe gestellt werden müssen. Hier scheint noch Nachbesserungsbedarf vor allem mit Blick auf bürokratische Hürden zu bestehen.

 

Ein besonderer Pferdefuß ist aus unserer Sicht, dass die Wirtschaftlichkeitshilfe nur für Veranstaltungen mit bis zu 2.000 Teilnehmern beantragt werden kann und hier nur 1.000 Tickets bezuschusst werden. Das ist insbesondere für größere privatwirtschaftliche Veranstalter ein erheblicher Nachteil bei der Planung von Veranstaltungen. Sie kommen in der Regel ohne öffentliche Förderung aus. D. h. die Ticketeinnahmen müssen alle Kosten decken und eine Gewinnmarge enthalten. Wenn, coronabedingt, weniger Tickets verkauft werden können, ist es nicht möglich kostendeckend zu arbeiten und schon gar nicht einen Gewinn zu erwirtschaften, um die in 14 Monaten entstandenen Verluste auszugleichen. Hier besteht eine beträchtliche Benachteiligung der Kultur- und Kreativwirtschaft. Das ist vor allem vor dem Hintergrund, dass Unternehmen im Gegensatz zu öffentlichen Unternehmen, deren Tickets vielfach umsatzsteuerbefreit sind, umsatzsteuerbelegte Tickets verkaufen und sie zusätzlich gewerbesteuerpflichtig sind. Volkswirtschaftlich sollte daher ein Interesse bestehen, größeren Unternehmen, die ihrerseits zum Steueraufkommen einen Beitrag leisten, wieder auf die Beine zu helfen.

 

Diese und weitere Themen wird der Deutsche Kulturrat in den Lenkungsausschuss zum Sonderfonds des Bundes für Kulturveranstaltungen einbringen und für angepasste Lösungen eintreten.

 

Lang hat’s gedauert und nun geht es endlich los: Der 2,5 Milliarden Euro schwere Sonderfonds des Bundes für Kulturveranstaltungen kommt!

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 6/2021.


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