12. November 2021 Kulturrat_Logo_72dpi-01

Kulturpolitischer Wochenreport

KW 45: Interessenvertretung, Mehr Kulturpolitik wagen!, ...


... Debatte zur digitalen Ausleihe und der Kampagne "Fair Lesen", Wie sehen neue Konzepte von Heimat aus?, Politik & Kultur November 2021, Text der Woche, Corona-Chroniken: Jetzt kostenfrei als E-Book

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

Carmen Wegge ist neue Abgeordnete im Deutschen Bundestag. Ich kenne sie nicht und ich hoffe sie wird frischen Wind in den Bundestag bringen. Auf ihrem Twitter Kanal hat sie gerade einen kleinen Film veröffentlicht, wo sie sich über Interessenvertreter beschwert, die sie mit Geschenken und Post überhäufen.

 

Sie hat sicher nicht unrecht, wenn sie einige der Geschenke, offensichtlich ein Gymnastikband und auch Brot und Salz zur Begrüßung seltsam findet. Aber offensichtlich noch störender findet sie die Post mit Anliegen von Interessenverbänden. Theatralisch kippt sie diese zugeschickten Briefe aus einem Mülleimer auf dem Boden auf.

 

Nun gut, ich habe verstanden, diese neue Abgeordnete will auf Informationen von außen verzichten. Aber wie will sie etwas außerhalb ihres bereits bekannten Erfahrungsraumes erfahren, um ihre Aufgabe als Abgeordnete gerecht werden zu können.

 

Alterspräsident Wolfgang Schäuble sagte bei der konstituierenden Sitzung des 20. Deutschen Bundestages: „Wir alle repräsentieren als Abgeordnete das Volk. Wir vertreten die legitimen Interessen unserer Wähler und Parteien, aber: Wir haben immer auch das Gemeinwohl im Blick zu behalten. Verwechseln wir Repräsentation deshalb nicht mit Repräsentativität. Jeder Einzelne von uns bildet nicht einfach einen Teil des Volkes ab. Artikel 38 GG ist eindeutig: Abgeordnete sind „Vertreter des ganzen Volkes“.“

 

Interessenvertretung hat in Deutschland keinen guten Ruf, zu Unrecht wie ich finde. Und Interessenvertretung ist für eine Demokratie konstitutiv. Deshalb schützt auch das Grundgesetz die Interessenvertretung, insbesondere durch das Recht der freien Meinungsäußerung (Art. 5 GG), die Vereinigungsfreiheit (Art. 8 GG), die Berufsfreiheit (Art. 12 GG) und die Tariffreiheit (Art. 9 GG).

 

Natürlich dürfen Abgeordnete Schreiben von Interessenvertretungen in den Papierkorb werfen, aber vielleicht sollte man sie vorher zumindest kurz überfliegen.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Olaf Zimmermann
Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates
twitter.com/olaf_zimmermann

 

PS. Mehr Kulturpolitik wagen! Eine kleine Hörempfehlung: Im Kulturpolitischen Salon des Deutschen Kulturrates, des Deutschen Bühnenvereins und von Deutschlandfunk Kultur diskutierten gestern im Deutschen Theater Berlin Christiane Peitz, Kulturautorin und Redakteurin des Tagesspiegels, Lavinia Frey, Geschäftsführerin des Humboldt Forums, Thomas E. Schmidt, Journalist und Redakteur im Ressort Feuilleton der Zeitung Die Zeit und ich unter der Moderation von Hans Dieter Heimendahl über die Anforderungen an den oder die neue Kulturministerin. Die Ausstrahlung erfolgt in Deutschlandfunk Kultur zu nachtschlafender Zeit am kommenden Sonntagmorgen um eins. Ist aber in Kürze natürlich auch hier abrufbar.

 


 

Aus gegebenen Anlass erscheint ab sofort wieder unser „Corona versus Kultur – Newsletter„. In der Ausgabe 34 hatte ich u.a. geschrieben: „Die vierte Welle rollt und sie wäre vermeidbar gewesen. Menschen sterben, die Einschränkungen werden notgedrungen wachsen und auch der Kulturbereich, der gerade anfing, sich zu erholen, wird wieder massiv getroffen. Warum? Weil die Politik sich nicht traut, das offensichtlich notwendige, eine allgemeine Impfpflicht, anzuordnen.“

 

Meine Forderung nach einer allgemeinen Impfpflicht hat mir eine nicht unbeträchtliche Anzahl von wüsten Beschimpfungen und Beleidigungen eingebracht. Aber, um es klar zu sagen, ich bleibe dabei, eine allgemeine Impflicht muss kommen, gerade auch im Interesse der Kultur.

 

 


 

Debatte zur digitalen Ausleihe und der Kampagne „Fair Lesen“: Positionen zum E-Lending in den öffentlichen Bibliotheken

 

Buchhandel
„Die Initiative „Fair Lesen“ war eines der bestimmenden Themen der diesjährigen Frankfurter Buchmesse. Über 1.700 Autorinnen und Autoren, Übersetzerinnen und Übersetzer, Verlage und Buchhandlungen fordern in ihrem Appell Vertragsfreiheit und angemessene Lizenzgebühren bei der E-Book-Leihe in Bibliotheken. Um das Ausmaß der Thematik zu verstehen, genügen zwei Zahlen: 46 und 6. Bereits 46 Prozent des E-Book-Konsums im Jahr 2020 entfällt auf die sogenannte Onleihe in Bibliotheken – das heißt fast die Hälfte aller gelesenen E-Books wird ausgeliehen und nicht gekauft…
Weiterlesen

 

Alexander Skipis ist Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels.

 

Bibliotheken
„Im März 2021 hatte der Bundesrat einen Gesetzentwurf vorgelegt, der eine Lösung für Autorinnen und Autoren, Verlage und Bibliotheken herbeiführen kann und der verzögerten Bereitstellung neuer E-Books entgegenwirkt. Der juristisch klug als Kompromiss konzipierte Vorschlag sieht für die E-Book-Ausleihe vor, dass Verlage nicht kommerziell tä­tigen Bibliotheken zu „angemessenen Bedingungen“ ein Nutzungsrecht für neu erscheinende E-Books anbieten müssen…
Weiterlesen

 

Andreas Degkwitz ist Vorsitzender des Deutschen Bibliotheksverbandes e.V. (dbv) und Direktor der Universitätsbibliothek der Humboldt-Universität zu Berlin.

 

Autoren
„Das Verhältnis zwischen Verlagen, dbv und Autoren wird zutreffend als „Ökosystem Buch“ beschrieben. Der Vorstoß des Bundesrats stellt dieses Ökosystem vor große Herausforderungen: Verlage sollten verpflichtet werden, Bibliotheken von jedem E-Book eine Lizenz anzubieten. Dies würde einen erheblichen Einschnitt in die Rechte von Urhebenden darstellen. Autorinnen stehen fest hinter dem Bildungs- und Teilhabeauftrag der unverzichtbaren öffentlichen Bibliotheken…
Weiterlesen

 

Lena Falkenhagen ist Bundesvorsitzende Verband deutscher Schriftstellerinnen und Schriftsteller – VS in ver.di.

 


 

Wie sehen neue Konzepte von Heimat aus?

 

Das Ruhrgebiet hat sich vom Arbeiterrevier zur Wissensmetropole in NRW gewandelt. Bergarbeiter sind aus dem Stadtbild weitestgehend verschwunden, Studenten sind hinzugekommen. Wie hat der Strukturwandel die Heimat verändert?

 

Bergbau hat die Region einst geprägt. Kumpel, Pott und Pütt sind längst historisch. Ehemalige Zechen sind industrielles Welterbe. Damit sind Verpflichtungen zum Erhalt verbunden. Steht gewünschter Tourismus dem Welterbeschutz im Wege? Wie sehen neue Konzepte von Heimat aus? Lassen sich Heimat und Destination verbinden?

 

Michael Köhler diskutiert mit:

  • Prof. Dr. Maria Böhmer, StM a.D., Präsidentin Dt. UNESCO -Kommission
  • Prof. Dr. Barbara Buchenau, Prorektorin Universität Duisburg-Essen
  • Ina Scharrenbach, Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes NRW
  • Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates

 

Hören Sie das Gespräch hier nach.

 

Mehr zum Thema:

 

 

 


 

Politik & Kultur November 2021

 

  • Radio Ga Ga
    100 Jahre auf Sendung
  • Diversität
    Wie divers sind deutsche Kultureinrichtungen? Ergebnisse aus dem Bericht „Diversität in Kulturinstitutionen 2018-2020“
  • Kulturpolitikpreis
    Außerordentliches Engagement und Dialogbereitschaft: Josef Schuster erhielt den ersten Deutschen Kulturpolitikpreis
  • Europa
    Vielfalt sichern in Zeiten der Internetgiganten: Das Gesetz über digitale Dienste der EU-Kommission
  • Internationales
    Auf der Seidenstraße durch Afrika: China finanziert die Modernisierung subsaharischer Küstenstädte

 

Weitere Themen: E-Lending in den öffentlichen Bibliotheken, Möller meint: Tagebuch von Günther Rühle, Rekolorisierung von Werken von Gustav Klimt, Medien als Randthema in der neuen Bundesregierung?, 31 Jahre Wiedervereinigung: Ausstellung Umbruch Ost u.v.m.

 

 


 

Text der Woche: Johann Michael Möller „Ich werde Euch alle überleben“ Günther Rühles Tagebuch

 

Wenn es so etwas wie eine radikale Gegenwart gibt, dann erleben wir sie heute. Die lang vertrauten Bilder unserer Geschichte werden gerade übermalt, die Erzählungen umgeschrieben; eigentlich gibt es sie schon gar nicht mehr. Von einem neuen Historikerstreit 2.0 ist die Rede. Die Gesellschaft wird partikular und die Erinnerung auch.

 

Unsere heutigen Vorstellungen passen sich ihre Vergangenheit an. Über die störenden Reste wird lieber geschwiegen. Und schweigen sollen vor allem die alten weißen Männer.

 

Johann Michael Möller ist Ethnologe und Journalist. Er war langjähriger Hörfunkdirektor des MDR.

 

Lesen Sie den Text hier!

 


 

Letzte Meldung

 

Das Interesse an den Corona-Chroniken des Deutschen Kulturrates ist so groß, dass wir uns entschlossen haben, das Buch neben der Printausgabe auch als kostenfreies E-Book (pdf-Datei) anzubieten.


Copyright: Alle Rechte bei Deutscher Kulturrat

Adresse: https://www.kulturrat.de/presse/kulturpolitischer-wochenreport/45-kw-2021/