22. Oktober 2021 Kulturrat_Logo_72dpi-01

Kulturpolitischer Wochenreport

KW 42: Radio bauen, Koalitionsverhandlungen sind gestartet: Wer verhandelt für die Kultur?, Forderungen des Deutschen Kulturrates an die nächste Bundesregierung...


...Buchvorstellung „Creative Industry Management“, BBK-Symposion ProKunsT, Text der Woche, Neuerscheinung: Diversität in Kulturinstitutionen

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

nächste Woche erscheint die neue Politik & Kultur, die Zeitung des Deutschen Kulturrates, mit dem Schwerpunktthema „100 Jahre Radio“. Bei der Beschäftigung mit der neuen Ausgabe habe ich an mein „Radio basteln“ nicht nur in jüngeren Jahren denken müssen.

 

Vor hundert Jahren, das Radio erlebte seinen ersten großen Boom, es wurden viele Sendemasten aufgestellt. In Hamburg hatte die örtliche Rundfunkgesellschaft einen Mast direkt neben einer Kleingartenanlage aufgebaut. Die findigen Laubenpieper spannten Drähte in ihren Gärten auf, verbanden diese Drähte mit der Erde und schalteten Glühbirnen dazwischen. Die aus dieser einfachen Antenne gewonnene Hochfrequenz-Spannung reichte aus, die Birnen zum Leuchten zu bringen.

 

Das illegale Treiben der Hobbygärtner wurde schnell unterbunden, denn das „Stehlen“ von Strom aus der Luft, ohne zu bezahlen, ist verboten, zeigt aber wie einfach es möglich war und auch heute noch ist, Hochfrequenz-Spannung, also Radiowellen, aus der Luft herauszufiltern.

 

Ich habe in meinem Leben schon dutzende von kleinen Empfangsanlagen für diese Hochfrequenzen gebaut und mehr oder weniger erfolgreich damit Radioprogramme gehört. Am einfachsten war es, als es noch starke Mittelwellen-Ortsender gab, aber auch nach ihrem Abschalten in Deutschland kann man noch Kurzwelle (KW) und Ultrakurzwelle (UKW) Sender empfangen. Auch meine kleinen alten Mittelwellensender empfangen besonders nachts noch leise Programme aus anderen Ländern, die noch Mittelwellensender betreiben.

 

Der einfachste Empfänger, Detektor genannt, besteht aus nur vier Teilen: Einem sehr langen Draht, als Antenne. Einem kleinem Stück Pyrit-Erz, als Diode zur Gleichrichtung. Einem Kopfhörer und einem kurzen Drahtstück, um die Verbindung zur Erde herzustellen. Antenne – Pyrit – und Erde werden verbunden. Der Kopfhörer wird parallel zur Antenne und Erde angeschlossen und fertig ist ein Radio. Wer keine Stück Pyrit-Erz greifbar hat, kann auch eine Schottkydiode oder eine Germaniumdiode verwenden. Die Energie, um das Radio zu betreiben, kommt aus keiner Batterie, sondern aus den hochfrequenten Wellen selbst.

 

Dieses einfache Radio ist nicht selektiv, alle starken Sender in seiner Nähe werden gleichzeitig in unterschiedlicher Lautstärke empfangen.

Mit etwas mehr Aufwand kann man auch bessere, das heißt selektivere Radios bauen. Hierfür braucht man zusätzlich eine Spule und einen Drehkondensator. Eine Spule ist eine einfache Wicklung von isoliertem Draht um einen Kern, sie funktioniert aber auch ohne Kern, als sogenannte Luftspule. Ein Kondensator besteht aus zwei voneinander isolierten Platten, die eine elektrische Ladung speichern können. Bei einem Drehkondensator ist eine der Platten beweglich, man kann durch die Bewegung das elektrische Feld beeinflussen.

 

Mit einem solchen einfach aufgebauten Radioempfänger kann auch heute, in Zeiten der digitalen Rundfunkprogramme und des Internets noch klassisches Radio empfangen werden, ohne externe Stromquelle, ohne dass man einen Provider braucht, der einem einen Netzzugang gewährt. Auch ist ein solches Radio in Katastrophenfällen immer einsetzbar, unabhängig vom Stromnetz und von Netzanbietern.

 

In den Frühzeiten des Radios war das Selbstbauen der Empfangsgeräte oft keine Spielerei, sondern für viele Menschen die einzige Möglichkeit Radio zu hören. Die käuflichen Empfangsgeräte waren einfach zu teuer. Es entwickelte sich die Bewegung der „Radioamateure“. Die Radiotechnik faszinierte weite Teile der Bevölkerung. Mit einfachen Mitteln konnten komplizierte physikalische Grundlagen selbst erlebt und verstanden werden. Doch schon damals achtete der Staat streng darauf, dass nicht von Unbefugten Sende- oder Empfangsanlagen betrieben wurden. Denn wer ein Radio selbst bauen kann, der kann mit nur wenig mehr Knowhow auch einen Sender selbst bauen.

 

Der nächste Schritt, ein noch besseres Radio zu bauen, ist der Audion. In einem Audion wird zur Verstärkung der Radiosignale und zur Trennung der einzelnen Sender untereinander eine Elektronenröhre in die Schaltung eingebaut. Jetzt braucht man auch eine zusätzliche Energiequelle, entweder eine Batterie oder einen Stromanschluss.

 

Die Elektronenröhren gehören für mich zu den wichtigsten Erfindungen der Menschheit. In einem kleinen Glaskolben, aus dem die Luft entfernt wurde, wird die Kathode zu glühen gebracht, sie stößt Elektronen aus, die zur Anode am anderen Ende des Kolbens fliegen. Durch unterschiedliche von außen steuerbaren Gittern in der Röhre kann dieser Elektronenfluss zur Gleichrichtung, Verstärkung oder Modulation elektrischer Signale verwendet werden. Ohne diese Erfindung wäre die moderne Elektronik nicht denkbar. Heute sind Elektronenröhren nur noch sehr selten in Gebrauch, sie wurden von den Transistoren abgelöst. Aber, und das ist in einer Zeit der Debatte um Nachhaltigkeit auch wichtig, viele der alten Röhren sind immer noch betriebsfähig. Ich selbst habe schon Schaltungen mit Röhren aufgebaut, die fast 100 Jahre alt waren und immer noch ihr Vakuum im Inneren gehalten haben.

 

Und Elektronenröhren sind einfach wunderschön! Wenn die Röhre arbeitet, glimmt die Kathode sanft. Der Kolben wird warm und durch das Glas schaut man in das kleine Wunderwerk der Technik. Ich liebe diese alten Dinger einfach.

 

In der naturwissenschaftlichen Bildung ganzer Generationen war das „Radio basteln“ mit und ohne Elektronenröhre oder Transistor der Startpunkt. Wilhelm Fröhlich erfand für den Kosmos-Verlag in Stuttgart in den 1920er Jahre der berühmten Experimentierkasten „Radiomann“. Bis heute vertreibt der Kosmos-Verlag Elektronikkästen zu Bildungszwecken. Hannes Günther machte ungefähr zur selben Zeit den „Radiosport“ in Deutschland bekannt. In der DDR sind dann später besonders die Bücher zum Radiobasteln von Hagen Jakubaschk und Lothar König sehr verbreitet gewesen, in Westdeutschland war es besonders Heinz Richter der Anleitungsbücher zum Radiobau veröffentlichte und Experimentierkästen entwarf. Heute ist es besonders Burkhard Kanika, der das Radiobasteln in seinen Büchern und im Netz weiterleben lässt. Der Franzis-Verlag bietet aktuelle einige kleine Bausätze an, mit denen man Radios, ohne löten zu müssen, aufbauen kann.

 

Wer noch nie in seinem Leben ein Radio gebaut hat, hat etwas verpasst – fangen Sie doch einfach an zu experimentieren. Damit können Sie sich auch sehr kreativ die Wartezeit überbrücken, bis wir aus den Koalitionsverhandlungen erfahren, was von wem und wie in den nächsten vier Jahren für die Kultur auf der Bundesebene geplant ist.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Olaf Zimmermann

Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates
twitter.com/olaf_zimmermann

 

100 Jahre Radio
Schwerpunkt in Politik & Kultur Nov. 2021

Die Ausgabe erscheint in der kommenden Woche!

 


 

Koalitionsverhandlungen sind gestartet: Wer verhandelt für die Kultur?

 

22 Arbeitsgruppen wurden gebildet, im Arbeitsbereich „Freiheit und Sicherheit, Gleichstellung und Vielfalt in der modernen Demokratie“ wurde die Arbeitsgruppe Kultur- und Medienpolitik eingerichtet. Mitglieder dieser Arbeitsgruppe sind:

 

SPD

  1. Carsten Brosda (Senator für Kultur und Medien Hamburg)
  2. Heike Raab (Staatssekretärin in der Staatskanzlei Rheinland-Pfalz)
  3. Michelle Müntefering, MdB
  4. Bettina Martin (Ministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Mecklenburg-Vorpommern)

 

Bündnis90/Die Grünen

  1. Claudia Roth, MdB
  2. Theresia Bauer (Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg)
  3. Erhard Grundl, MdB
  4. Tabea Rösner, MdB

 

FDP

  1. Otto Fricke, MdB
  2. Thomas Hacker, MdB
  3. Thomas Nückel, MdL (Kulturpolitischer Sprecher FDP-Fraktion im Landtag NRW)
  4. Dr. Christopher Vorwerk (Geschäftsführer Stadtmuseum Berlin GmbH)

 

Fett = Sprecher

 

Interessant ist, dass sechs Vertreterinnen und Vertreter aus der Bundeskulturpolitik sechs Vertreterinnen und Vertretern aus der Kulturpolitik der Länder und Kommunen gegenübersitzen. Bei der SPD hat es sogar nur eine Vertreterin des Bundes in die Verhandlungskommission geschafft.

 

Natürlich sind auch andere Arbeitsgruppen, wie Gleichstellung, Lebensverhältnisse Stadt + Land, Migration, Integration, Europa, Digitale Innovation, Wirtschaft, Arbeit, Sozialstaat, Bildung und andere, für den Kulturbereich sehr wichtig und werden von uns eng begleitet.

 


 

Forderungen des Deutschen Kulturrates an die nächste Bundesregierung

 

  • 11 Forderungen des Deutschen Kulturrates für die Koalitionsvereinbarung
  • Lesen Sie hier weiter

 

  • Zukunftsaufgabe Digitalisierung und Digitalpolitik
    Deutscher Kulturrat fordert konsistentes Vorgehen von nächster Bundesregierung
  • Lesen Sie hier weiter

 

  • Kultur- und Kreativwirtschaft stärken
    Deutscher Kulturrat fordert konkrete Maßnahmen zur Stärkung der Kultur- und Kreativwirtschaft in der nächsten Wahlperiode
  • Lesen Sie hier weiter

 

Außerdem eine wichtige Frage:

 

Will die AfD den Vorsitz des Kulturausschusses im Bundestag übernehmen? Deutscher Kulturrat appelliert an die Fraktionen von SPD, CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen, FDP und Die Linke. Lesen Sie hier weiter

 


 

28.10.2021: Vorstellung des Buches „Creative Industry Management“ mit anschließender Podiumsdiskussion

 

Angesichts des digital shifts konvergieren die Management-Methoden in der Kultur- und Kreativwirtschaft in besonderem Maße. Der Umgang mit Plattformen, der Aufbau von Communities, die Finanzierungsformen – wie bspw. der Umgang mit öffentlicher Förderung -, aber auch die Zusammenarbeit in Teams werden immer ähnlicher. Heute ist es daher gleichsam „ähnlicher“ ein Musik-, Mode- oder Gamesmanager zu sein, als vor einigen Jahrzehnten Jahren. Was können wir voneinander lernen? Wo gibt es Reibungspunkte? Prof. Dr. Malte Behrmann stellt sein Buch „Creative Industry Management“ vor und diskutiert die Kernthesen mit seinen Gästen.

 

Weitere Informationen und kostenlose Anmeldung

 


 

29.10.2021: BBK-Symposion ProKunsT

 

Hat die Kunst die Pandemie überlebt? Was hat sie zum Thema „nachhaltige Förderinstrumente für Kunst und Kultur“ gelehrt? Was braucht ein lebendiges und vielfältiges Kunstgeschehen in Zukunft? Nach einem Impulsvortrag des Kunst- und Architekturpublizisten Dr. Martin Seidel unter dem Titel „ÜberLeben Kunst“ diskutieren Künstlerinnen und Künstler, Kunstvermittlerinnen und -vermittler sowie Kulturakteure in zwei Panels.

 

U.a. mit dem Panel: Nachhaltige Förderinstrumente – Einkommen und soziale Sicherung (Welche Corona-Hilfen haben gewirkt, welche nicht? Welcher Reformen bedarf es zur nachhaltigen Stärkung von Künstler:innen, Kunst und Kultur in der Gesellschaft?)

 

  • Lisa Basten, ver.di Bereich Kunst und Kultur
  • Monika Brandmeier, Künstlerin, Vorstand Stiftung Kunstfonds
  • Doris Granz, Künstlerin, Sprecherin Initiative Ausstellungsvergütung
  • Olaf Zimmermann, Deutscher Kulturrat, Geschäftsführer

 

Das gesamte Programm finden Sie hier.
Weitere Informationen hier.

 


 
Text der Woche: Johann Hinrich Claussen: „Kulturort Friedhof“

 

Wir müssen endlich einmal über Friedhöfe sprechen. Das liegt natürlich wieder an der Unheiligen Corona, aber anders als Sie wahrscheinlich denken. Nicht wegen der durch die Pandemie verursachten Todesfälle haben viele Menschen einen neuen Sinn für die Bedeutung der Friedhöfe ihrer Umgebung gewonnen. Vielmehr waren es die Spaziergänge, die während der Lockdownphasen zur einzigen Freizeitunternehmung geworden waren. Sie führten viele durch ihre Nachbarschaften, die Parks, aber eben auch auf die Friedhöfe ihrer Stadt.

 

Johann Hinrich Claussen ist Kulturbeauftragter der Evangelischen Kirche in Deutschland.

 

Lesen Sie den Text hier!

 


 

 Neuerscheinung: Diversität in Kulturinstitutionen 2018-2020

 

Diversität in Kultureinrichtungen ist ein zentrales Thema. In diesem Band werden die Ergebnisse einer erstmaligen Befragung von bundesgeförderten Kultureinrichtungen und -institutionen zur Diversität in ihren Einrichtungen vorgestellt. Es geht darum, wie viele Frauen und Männer in den Einrichtungen arbeiten, wie die Altersstruktur der Beschäftigten aussieht, wie hoch der Anteil der Beschäftigten mit Migrationshintergrund ist und wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit einer Behinderung beschäftigt werden.

 

Weiter wird untersucht, wie divers das Publikum und das Programm sind. In abschließenden Handlungsempfehlungen wird aufgezeigt, was die Einrichtungen und was die Kulturpolitik leisten kann, um mehr Diversität zu ermöglichen.

 

 

Eckhard Priller, Malte Schrade, Gabriele Schulz & Olaf Zimmermann
Diversität in Kulturinstitutionen 2018-2020
Hg v. Olaf Zimmermann für die Initiative kulturelle Integration
ISBN 978-3-947308-34-7
104 Seiten

 


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