27. Juni 2025 Kulturrat_Logo_72dpi-01

Kulturpolitischer Wochenreport

26. KW: Das Interregnum ist vorbei


Kulturpolitische Aufbrüche und Aufgaben

  1. Das Interregnum ist vorbei – Kulturpolitische Aufbrüche und Aufgaben
  2. NEU! Politik & Kultur 7-8/25
  3. Naturschützer, Aktivist und Künstler: Nachruf auf Hubert Weinzierl
  4. Start: Mentoringprogramm für weibliche Führungskräfte im Kulturbereich
  5. Personennachrichten
  6. Text der Woche: TikTok, KI, Computerspiele – Neue Herausforderungen für die Erinnerungskultur
  7. Zum Schluss: Deutscher Kulturrat fordert Beteiligung am Infrastrukturpaket

 


 
Sehr geehrte Damen und Herren,

 

das Interregnum ist vorbei. Nachdem seit November letzten Jahres die Ampel-Koalition auseinandergebrochen war, entstand eine längere Zeit, in der auch kulturpolitisch vieles liegen geblieben ist. Diese Phase ist nun endlich zu Ende und die kulturpolitische Arbeit im Deutschen Bundestag und in der Bundesregierung beginnt wieder.

 

Seit 6. Mai dieses Jahres ist Wolfram Weimer neuer Staatsminister für Kultur und Medien beim Bundeskanzler. Nachdem über 19 Jahren Abgeordnete des Deutschen Bundestags das Amt innehatten (Bernd Neumann 2005-2013, Monika Grütters 2013-2021, Claudia Roth 2021-2025), die in ihrer jeweiligen Fraktion verankert waren, ist nun wieder ein parteiloser Externer Kulturstaatsminister, der ähnlich dem ersten Kulturstaatsminister, Michael Naumann, aus der Welt des Wortes, der Medien und Bücher stammt. Wolfram Weimer hat sich, so ist zu hören, bereits seit längerem intensiv auf das Amt vorbereitet. Gut so, denn vor ihm liegen eine Reihe von Aufgaben.

 

Zum Beispiel das Thema Erinnerungskultur. Im Koalitionsvertrag haben die Regierungsparteien vereinbart, ein wissenschaftsbasiertes Konzept zur Erinnerungskultur zu erarbeiten. Dieses Konzept ist ein Desidarat der letzten Wahlperiode. Der Versuch alle »Baustellen« der Erinnerungskultur, NS-Gedenken, SED-Gedenken, Erinnerung an den Kolonialismus und Würdigung der Einwanderungsgesellschaft, in einen Topf zu werfen und hieraus ein alles umfassendes Konzept zu »kochen«, ist gescheitert. Zu unterschiedlich sind die Erwartungen, die Verantwortlichkeiten und die Handlungs- bzw. Steuerungsmöglichkeiten des BKM. Die Aufgabe wird in dieser Wahlperiode nicht geringer, denn ein Bestandteil der Erinnerungskultur, die Erinnerung an Flucht und Vertreibung in Folge des 2. Weltkriegs, wurde aus dem BKM herausgelöst.

 

Ein weiteres kulturpolitisches Dauerthema ist die wirtschaftliche und soziale Lage im Kulturbereich. Kulturstaatsministerin Roth hat bei den von ihr geförderten Vorhaben Honoraruntergrenzen eingeführt, wenn Künstlerinnen und Künstler beauftragt werden. Bislang erstrecken sich die Honoraruntergrenzen eng auf künstlerische Tätigkeiten sowie die kulturelle Bildung. Weitere Aufgabenfelder z. B. von selbstständigen Kunsthistorikerinnen und Kunsthistorikern, Designerinnen und Designern usw. sind noch nicht erfasst. Bei der Einführung war geplant, nach einer ersten Erprobungsphase die Honoraruntergrenzen auszudehnen. Diese Wahlperiode ist eine gute Gelegenheit dazu.

 

Keine Zeit darf mit Blick auf die praxisnahe Schärfung der Abgrenzung von abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit im Kulturbereich verloren werden. Die kulturpolitische Diskussion beschränkte sich in der letzten Wahlperiode auf die Schlussfolgerungen, die die Deutsche Rentenversicherung aus dem sogenannten Herrenberg-Urteil gezogen hat und die eine Verengung der Kriterien für selbstständige Tätigkeit zur Folge hatte. Die Abgrenzung beider Erwerbsformen ist aber nicht nur im pädagogischen Bereich, sondern vielmehr im gesamten Kultursektor relevant. Beides hat seine Berechtigung und beides wird gebraucht. Speziell für den pädagogischen Bereich besteht eine Übergangsfrist bis zum 31.12.2026. Das bedeutet, dass das Bundesministerium für Arbeit und Soziales voraussichtlich Anfang des kommenden Jahres mit der Gesetzgebung beginnen muss. Der Deutsche Kulturrat wird nach der Sommerpause seine bestehenden Stellungnahmen zu dem Thema überarbeiten.

 

Mit Blick auf die Künstlersozialkasse steht die Frage auf der Tagesordnung, inwiefern Digitalunternehmen, die künstlerische und publizistische Inhalte nicht nur gelegentlich nutzen, zur Künstlersozialabgabe herangezogen werden müssen. Entsprechende Gutachten liegen vor, es geht – gerade auch mit Blick auf die Künstlersozialabgabegerechtigkeit bei den Unternehmen – nun um die Umsetzung.

 

Kulturstaatsminister Weimer ist kurz nach Amtsantritt mit dem Vorschlag einer Digitalabgabe vorgeprescht. Ein wichtiges Thema. Gleichwohl geht es darum abzusichern, dass mögliche Einnahmen nicht einfach in den Staatssäckel fließen, sondern den Urheberinnen und Urhebern sowie sonstigen Rechteinhabern im Kulturbereich zugutekommen. Vermutlich nach der Sommerpause wird das Bundesjustizministerium die noch von der letzten Regierung beauftragte Studie zur Abgabe bei gesetzlichen Vergütungsansprüchen sowie zur Plattformökonomie veröffentlichen. Der Deutsche Kulturrat wird diese sehr genau im Fachausschuss Urheberrecht auswerten und sich hierzu positionieren.

 

Zentral ist für den Deutschen Kulturrat der Schutz des geistigen Eigentums, und zwar sowohl mit Blick auf die Erlösmöglichkeiten der Rechtsinhaber als auch hinsichtlich des Persönlichkeitsrechts. Wir werden sehr genau beobachten, wie sich hierzu das Bundesjustizministerium, das Bundeswirtschaftsministerium, das neue Bundesdigitalministerium und der Kulturstaatsminister positionieren werden.

 

Eine wichtige Bewährungsprobe für Kulturstaatsminister Weimer werden die aktuell stattfindenden Haushaltsverhandlungen 2025 und 2026 sein. Zwar wurde mit dem milliardenschweren Investitionspaket eine Türe geöffnet, um anstehende Investitionen bei Bundeskulturbauten aus anderen Mitteln zu finanzieren, gleichwohl werden die Haushaltsprobleme damit nicht gelöst werden. Allein die Tarifsteigerungen durch den jüngsten Tarifabschluss im öffentlichen Dienst werden erhebliche Personalkostensteigerungen zur Folge haben, die die wenigsten durch den BKM geförderten Einrichtungen und Institutionen aus den vorhandenen Mitteln bestreiten können. D. h. hier werden Mittelaufwüchse erforderlich sein, allein um den bestehenden Betrieb aufrechtzuerhalten. Ganz abgesehen von neuen Aufgaben, die sich stellen.

 

Das Interregnum ist zu Ende. Viele Aufgaben stehen an.
Ihr

Olaf Zimmermann
Geschäftsführer des
Deutschen Kulturrates

 


 

2. NEU! Politik & Kultur Juli-August 2025

 

Die neue Ausgabe richtet den Schwerpunkt auf das Thema „Verpixelte Welt – Von alten Computern und neuer Kunst“. Die Beiträge zum Thema finden Sie auf den Seiten 17 bis 30.

 

Alles neu?
Welche Aufgaben kommen in dieser Legislatur auf die Bundeskulturpolitik zu? Welche ersten Schritte sind schon getan?

 

Fokus Künstlernachlässe
Über den Umgang mit Vor- und Nachlässen von Künstlerinnen und Künstlern in Archiven, Lagern, Ausstellungen

 

Residenzprogramm
Maayan Sheleff spricht über die Bedingungen der Kulturarbeit des Goethe-Instituts in Jerusalem – ein Interview

 

Grimmes Stimme
Neue Kolumne von Çiğdem Uzunoğlu, Direktorin des Grimme-Instituts. Folge 1: Erinnerungskultur im digitalen Raum.

 

Pläne der kulturpolitischen Sprecher im Deutschen Bundestag
Die kulturpolitischen Sprecher der demokratischen Parteien im Deutschen Bundestag schreiben über Ziele und Schwerpunkte ihrer Arbeit in den nächsten vier Jahren.

 

 


 

3. Naturschützer, Aktivist und Künstler: Nachruf auf Hubert Weinzierl

 
Am 16.6.2025 verstarb Hubert Weinzierl. Über 30 Jahre lang, von 1969 bis 2002, war er Vorsitzender des BUND Naturschutz in Bayern e.V. (BN) und 1975 Mitinitiator der Gründung des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), dessen Vorsitzender er von 1983 bis 1998 auch war. Sein Beitrag für den Schutz von Natur und Umwelt in Bayern und Deutschland ist gar nicht hoch genug einzuschätzen.

 

Aber, was weniger bekannt ist, er war auch Buchautor und Lyriker. Er war ein Meister der trefflichen Formulierungskunst und konnte so komplizierte Sachinhalte öffentlichkeitswirksam transportieren. Dies führte nicht nur dazu, dass die Öffentlichkeitsarbeit für den Naturschutzverband einen höheren Stellenwert bekam, sondern dass er auch selbst Lyrik und Bücher in Prosa verfasste, mit denen er viele Menschen erreicht hat. Damit knüpfte er an die Anfänge des Naturschutzes in Deutschland an, denn die Wurzeln des Naturschutzes sind vor allem durch Künstler im 19. Jahrhundert gelegt worden.

 

Seine Bücher sind zu Standardwerken des Naturschutzes geworden, so zum Beispiel das Buch „Die große Wende im Naturschutz“ zum europäischen Naturschutzjahr 1970. In seinen Memoiren hat er umfassend seine eigene Arbeit und die des gesamten Verbandes dargestellt.

 

In seinen Gedichten parodierte er zum Beispiel den zweiten Teil von Matthias Claudius´ „Abendlied“, wobei die andächtige und romantische Stille des Waldes zur Eigenschaft einer leeren Welt nach dem Atombombeneinschlag wird: „Die Welt liegt schwarz und schweiget / Und aus den Trümmern steiget / Ein gelber Nebel -sonderbar!“. Unvergessen und letztlich erfolgreich war sein jahrzehntelanger Kampf gegen die Atomenergie in Deutschland und auch gegen die in den 80er Jahren in der Oberpfalz geplante Wiederaufbereitungsanlage.

 

Hubert Weinzierl war in der Verbindung von politischem Aktivisten und Künstler einer der geistigen Väter des modernen, zukunftsfähigen Naturschutzes als umfassende Instanz für die Vielfalt des Lebens auf unserem Planeten.

 

  • Geschrieben von Hubert Weiger, Ehrenvorsitzender des BUND Naturschutz in Bayern e.V.

 


 

4. Start: Mentoringprogramm für weibliche Führungskräfte im Kulturbereich

 

Diese Woche ist die 8. Ausschreibung des bereits etablierten Mentoring-Programms im Kultur- und Medienbereich gestartet: Hoch qualifizierte Künstlerinnen und Kreative, die bereits vielfältige berufliche Erfahrungen gesammelt haben und nun eine Führungsposition beziehungsweise eine bessere Sichtbarkeit anstreben, können sich für das bundesweite 1:1-Mentoring-Programm bewerben.

 

Wichtige Informationen zur neuen Runde des Mentoring-Programms:

 

Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung!

 


 

5. Personennachrichten

 

Vera Schöpfer wird Direktorin des NRW KULTURsekretariats
Vera Schöpfer übernimmt die Leitung des NRW KULTURsekretariats in Wuppertal. Die Institution vernetzt seit 51 Jahren die Kulturszene in Nordrhein-Westfalen und initiiert mit dem Landschaftsverband Rheinland vielfältige Kulturprojekte. Schöpfer ist eine erfahrene Kulturmanagerin, die seit 20 Jahren in der Film- und Kulturszene aktiv ist. Sie leitete unter anderem das Filmhaus Köln, ist Vorstandsmitglied des Netzwerks Filmkultur NRW und Gründungsmitglied des Netzwerks für kulturelle Filmbildung Lichtspiel sowie des internationalen Youth Cinema Network. Ab 2020 war sie zudem Sprecherin bei der Sektion Film/Medien im Kulturrat NRW.

 

Hendrik Lünenborg ist neuer NDR-Intendant
Der Journalist und NDR-Manager Hendrik Lünenborg ist mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit zum neuen Intendanten des Norddeutschen Rundfunks gewählt worden. Lünenborg kennt den Sender seit Jahrzehnten: Er begann seine Laufbahn mit einem Volontariat beim NDR, arbeitete viele Jahre als Journalist und leitet seit 2023 das Landesfunkhaus Hamburg. Als Intendant möchte er die digitale Transformation des Senders vorantreiben und dabei den Schwerpunkt auf die schnelle Entwicklung von Formaten für Plattformen wie YouTube und TikTok legen.

 

Alina Gromova wird Direktorin des Jüdischen Museums München
Die Stadtethnologin und Museumsmanagerin Alina Gromova wird im September Direktorin des Jüdischen Museums München. Sie tritt die Nachfolge des verstorbenen Bernhard Purim an. Kommissarisch geleitet wurde das Haus seit dessen Tod von Jutta Fleckenstein und Lilian Harlander-Pichler. Bisher ist Alina Gromova stellvertretende Direktorin der Stiftung Neue Synagoge Berlin – Centrum Judaicum und engagiert sich als Vizepräsidentin des Internationalen Museumsrats (ICOM) Deutschland in der internationalen Museumsarbeit. Gemeinsam mit anderen Kulturinstituten möchte sie am Jüdischen Museum München relevante Themen der jüdischen Geschichte und Gegenwart in die Münchner Stadtgesellschaft bringen.

 

Carsten Brosda als Präsident des Deutschen Bühnenvereins wiedergewählt
Carsten Brosda, Senator für Kultur und Medien in Hamburg, wurde einstimmig in seinem Amt als Präsident des Deutschen Bühnenvereins bestätigt. Der SPD-Politiker übt das Ehrenamt seit 2020 aus. Zu Beginn seiner neuen Amtszeit wirbt Brosda für verstärkte Investitionen in eine freie, vielfältige Kunst- und Kulturszene – insbesondere in Zeiten gesellschaftlicher Krisen. Der Deutsche Bühnenverein mit Sitz in Köln ist der Dach- und Arbeitgeberverband der Theater und Orchester in Deutschland.

 

Christian Spuck erhält Deutschen Tanzpreis 2026
Der Choreograf und Intendant des Staatsballetts Berlin, Christian Spuck, erhält den Deutschen Tanzpreis 2026. Die Jury würdigt damit seine mutige, klare und herausragend erfolgreiche Arbeit mit dem Staatsballett Berlin. Spuck ist international bekannt für seine musikversierten Choreografien und für Erfolge an zahlreichen Häusern, unter anderem in Stuttgart und Zürich. Die mit 20.000 Euro dotierte Auszeichnung wird ihm am 28. Februar 2026 im Rahmen einer Tanz-Gala im Aalto-Theater Essen verliehen.

 


 

6. TikTok, KI, Computerspiele – Neue Herausforderungen für die Erinnerungskultur

 

History-Influencer fassen ganze Epochen in Anderthalb-Minuten-Videos zusammen. Figuren der Geschichte, von KI zum Leben erweckt, geben selbst Auskunft über ihre Biografie. In Videospielen werden große Ereignisse der Geschichte detailliert nachgespielt – und dann mit einer weltweiten Gaming-Community diskutiert.

 

Es ist fast schon eine Binse: TikTok, Instagram oder Computerspiele prägen zunehmend die Geschichtsbilder junger Menschen. Das Interesse ist hoch, das Angebot jedoch durchwachsen: Die traditionellen Gatekeeper historischer Bildung bewegen sich oft noch zögerlich auf den neuen Plattformen.

 

  • Deborah Schnabel ist Direktorin der Bildungsstätte Anne Frank in Frankfurt am Main
  • Hier lesen Sie den ganzen Beitrag.

 


 

7. Zum Schluss: Deutscher Kulturrat fordert Beteiligung am Infrastrukturpaket
Der Deutsche Kulturrat fordert, dass der Kulturbereich im geplanten Infrastrukturpaket der Bundesregierung berücksichtigt wird. Das Gespräch mit mir im Hörfunk (WDR 3 Resonanzen, 25.06.2025, 07:12 ) zum Thema, können Sie hier nachhören.

 

  • Hier lesen Sie unsere Stellungnahme „Jetzt in Kultur investieren!“.

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