3. Januar 2020 Kulturrat_Logo_72dpi-01

Kulturpolitischer Wochenreport

KW 1: Deutsche Stiftung für Engagement und Ehrenamt, Erinnerung an die Shoah, Das Grüne Band, ...


... Humboldt Forum, Kulturpolitischer Text der Woche, Stellungnahmen des Kulturrates 2019, Projekte des Kulturrates 2019, Mitarbeiter gesucht

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

eigentlich wollte ich Sie bis zum 17. Januar nicht mit einem neuen kulturpolitischen Wochenreport behelligen. Aber nun passiert schon in den ersten Tagen des Jahres kulturpolitisch so viel, dass ich nun doch schon heute mit den Wochenreporten 2020 beginne.

 

Künstlerinnen und Künstler, Kultureinrichtungen und Kulturverbände sind im vergangenen Jahr stark politisch gefordert worden. Die endlich Fahrt aufgenommene Kolonialismus-Debatte, die Proteste gegen die Einschränkung der Kunstfreiheit durch rechtsextreme Gruppierungen und gegen die zunehmende staatliche Gängelung der Zivilgesellschaft durch den Entzug der Gemeinnützigkeit und die Kulturdebatte zum Klimawandel sind im Jahr 2019 deutliche Zeichen für eine Veränderung der kulturpolitischen Großwetterlage.

 

Der zunehmende Einfluss von Rechten in und außerhalb der Parlamente und der dadurch entstehende unmittelbare Druck auf Künstler, Kultureinrichtungen und Kulturinitiativen, die deutlich zunehmende Behinderung der Arbeit der Zivilgesellschaft durch staatliche Maßnahmen und die Trippelschritte der Bundesregierung beim Klimaschutz werden wohl auch 2020 eine Herausforderung für den Kulturbereich bleiben.

 

Deutsche Stiftung für Engagement und Ehrenamt

 

Schon in den ersten Tagen des neuen Jahres zeigen sich einige der alten-neuen Herausforderungen. So hat die Kritik an der von der Bundesregierung geplanten „Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt“ noch einmal zugenommen. Jetzt haben Mitglieder der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages „Zukunft des Bürgerschaftlichen Engagements“, die im Mai 2002 ihren Abschlussbericht vorlegte, vor drohenden Fehlentwicklungen gewarnt.

 

Die ehemaligen Mitglieder der Enquete-Kommission, zu denen ich auch gehöre, sehen durch die Struktur und die inhaltliche Ausrichtung der geplanten „Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt“ das primäre und einvernehmliche Ziel der damaligen Kommission, die Rahmenbedingungen für bürgerschaftliches Engagement in Deutschland nachhaltig zu verbessern, bedroht.

 

So sehr die ehemaligen Enquete-Mitglieder die öffentliche Förderung von Bürgerschaftlichem Engagement für sinnvoll und notwendig halten und sich dafür seit vielen Jahren einsetzen, so wenig halten wir von der geplanten Stiftung.

 

In der vorgesehenen Form, so glauben wir, ist sie überflüssig und in der Tendenz sogar schädlich.

 

Die Gründe:

 

  • Bürgerschaftliches Engagement ist wesentlich selbstermächtigt und selbstorganisiert. Es ist Grundpfeiler einer selbstbewussten und starken Zivilgesellschaft. Dieses Grundprinzip wird durch das Beratungs- und Service-Angebot einer operativen Staatsstiftung gefährdet.
  • Mit der Entscheidung für eine weitgehend operative Stiftung sollen einer – zudem noch peripher gelegenen – Behörde Aufgaben (Beratung, Unterstützung, Service etc.) übertragen werden, die bereits weitgehend von vorhandenen zivilgesellschaftlichen Organisationen und Netzwerken sowie engagementfördernden Einrichtungen in Kommunen und Ländern wahrgenommen werden. Es drohen Verdoppelungen, wobei lokalen und regionalen Angeboten prinzipiell der Vorzug gebührt, denn Engagement findet wesentlich lokal statt.
  • Mit der von drei Ministerien geplanten und von ihnen auch künftig dominierten Staatsstiftung entsteht eine ausgelagerte Bundesbehörde mit rund 100 Beschäftigten. Entscheidungen über Personal und Finanzen treffen die Vertreter der Ministerien, die einige handverlesene Akteure aus der Zivilgesellschaft kooptieren. Letztlich sitzt die Zivilgesellschaft in allen Gremien einflussarm am Katzentisch.
  • Finanziell getragen wird die geplante Stiftung durch jährliche Zuwendungen aus den beteiligten Ministerien (für 2020 sind 23 Mio. Euro vorgesehen, in den kommenden 2 Jahren soll der Betrag auf über 30 Mio. steigen). Ohne eigenes Stiftungsvermögen ist die geplante Einrichtung ein Spielball wechselnder politischer Mehrheiten, gezielter Einflussnahmen und nicht zuletzt der jeweiligen Haushaltslage. Das Schicksal der „Stiftung Bürger für Bürger“, die viele der ihr einmal zugedachten bundesweiten Aufgaben schon aus finanziellen Gründen nicht wahrnehmen konnte, ist ein Beleg für die Fragilität solcher Konstruktionen.
  • Mit Blick auf weltweite Entwicklungen droht zudem die Gefahr, dass eine solche Staatsstiftung dazu genutzt wird, politisch genehme Kräfte der Zivilgesellschaft zu alimentieren und kritische Akteure ins Abseits zu drängen. Dass sich die Neigung, den Raum der Zivilgesellschaft einzuschnüren, nicht auf Länder wie Polen und Ungarn beschränkt, lässt sich auch hierzulande an der Praxis beobachten, politisch unliebsamen Akteuren wie „attac“ die Gemeinnützigkeit zu entziehen.

 

In einem gemeinsam verfassten Papier schlagen wir Leitlinien für eine gute bürgerschaftlich orientierten Engagement Stiftung vor. Der Text kann hier als pdf-Datei (BBE) geladen werden.

 

Erinnerung an die Shoah

 

Ganz besonders ans Herz legen möchte ich Ihnen die Teilnahme an der Tagung  „Erinnerung an die Shoah wachhalten“ am 28. Januar in Berlin.

 

Am 27. Januar 2020 jährt sich die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz zum 75. Mal. Seit dem Jahr 2005 wird dieser Tag als Internationaler Tag zum Gedenken an die Opfer des Holocaust begangen. Doch wie pflegen wir das Erinnern mit immer größerem zeitlichem Abstand zur Shoah und dem Verlust des Gedächtnisses der Zeitzeugen? Und wie kann die Erinnerungsarbeit in einer multiethnischen Gesellschaft aussehen?

 

Einen Tag nach dem 27. Januar, der dem Gedenken und Erinnern gewidmet ist, soll die Tagung der Initiative kulturelle Integration einen Diskussionsraum schaffen sowie Ausblick auf die Aufgaben und Herausforderungen der Erinnerungsarbeit in der Zukunft geben.

 

Das Programm der Tagung sowie den Link für die Online-Anmeldung finden Sie hier.

 

Das Grüne Band

 

Die Reaktionen zu meinem Editorial „Die Schönheit der Sphex“ in der aktuellen Ausgabe von Politik & Kultur haben mich sehr gefreut. Danke für so viel Zuspruch!

 

Offensichtlich spricht die Verbindung zwischen Kultur und Natur viele Menschen an. Vom 12. – 14.02.2020 führen wir zu diesem Thema eine Tagung gemeinsam mit den BUND in Bad Alexandersbad durch. Mit unserer Tagung wollen wir das Grüne Band, das vielfach „nur“ als ein großes Naturschutzprojekt gesehen wird, als Ort der Erinnerungskultur stärken. Vielleicht haben Sie Lust mit uns gemeinsam zu diskutieren, ich würde mich freuen.

 

Hier erhalten Sie weitere Informationen.

 

Humboldt Forum

 

Wie soll mit Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten verfahren werden? Unter welchen Bedingungen sind die Artefakte, menschlichen Gebeine und Kunstwerke in die Ethnologischen Museen gekommen? Diese Fragen müssen jetzt schnell und trotzdem gründlich beantwortet werden. Das gilt auch für die Missionssammlungen.

 

Die Fachdiskussionen im Jahr 2019 waren wichtig und notwendig. Sie haben den Stein ins Rollen gebracht, dafür gebührt den Beteiligten großer Dank, aber die Debatte war weitgehend einem engen Kreis vorbehalten. Dieser Kreis muss jetzt erweitert werden. Bis zur Eröffnung des Humboldt Forums, voraussichtlich Ende 2020, muss eine breite öffentliche Debatte über das koloniale Erbe nachgeholt werden. Das Humboldt Forum wird sich bis zu seiner Eröffnung hoffentlich der Zivilgesellschaft öffnen. Mehr Einmischung von außen ist dringend notwendig! Lesen Sie zu diesem Thema auch unser neuestes Buch: Kolonialismus-Debatte – Bestandsaufnahme und Konsequenzen.

 

Aber jetzt zuerst einmal, einen guten Start ins neue Jahrzehnt wünscht Ihnen

 

Ihr

 

Olaf Zimmermann
Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates
twitter.com/olaf_zimmermann

 


 

Einladung: 28.01.2020 Tagung – Erinnerung an die Shoah wachhalten

 

Wann: Dienstag, 28. Januar 2020 10.00 bis 17.00 Uhr
Wo: Deutschlandfunk Kultur, Hans-Rosenthal-Platz, 10825 Berlin

 

Eröffnet wird die Tagung durch Staatsministerin Annette Widmann-Mauz, Die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration und Mark Dainow, Vizepräsident des Zentralrates der Juden in Deutschland.

 

Den Auftakt bilden Impulsvorträge der Kulturwissenschaftlerin und Friedenspreisträgerin des Deutschen Buchhandels Prof. Dr. Aleida Assmann sowie des Historikers Prof. Dr. Norbert Frei, gefolgt von einer Response des israelischen Soziologen Prof. Dr. Natan Sznaider.

 

Am Nachmittag werden die zentralen Fragen der Erinnerungsarbeit vertieft und in Workshops zu den Themen Erinnerung in einer multiethnischen Gesellschaft, Verlockung der Historisierung, Erinnerung in der Zivilgesellschaft und neuen Formen der Erinnerung, insbesondere auch im künstlerischen Bereich diskutiert.

 

Referentinnen und Referenten sind:

 

Ester Amrami, Dr. Johann Hinrich Claussen, Jo Frank, Prof. Dr. Viola B. Georgi, Prof. Dr. Raphael Gross, Dr. Elke Gryglewski, Dr. Hans Dieter Heimendahl, Prof. Dr. Doron Kiesel, Dr. Dani Kranz, Prof. Dr. Yael Kupferberg, Daniel Lörcher, Dr. Thomas Lutz, Aiman A. Mazyek, Katja Petrowskaja, Ali Ertan Toprak, Dr. Lea Wohl von Haselberg, Dr. Mirjam Zadoff, Felix Zimmermann und Olaf Zimmermann.

 

Moderiert wird die Tagung von Shelly Kupferberg.

 


 

Einladung: 12. – 14.02.2020 – Nachhaltigkeit braucht Heimat – Tagung in Bad Alexandersbad

 

„Nachhaltigkeit braucht Heimat. Das Grüne Band als Erinnerungsort und Chancen für periphere ländliche Räume“

 

Wann: Mittwoch, 12.02.2020 bis Freitag, 14.02.2020

Wo: Bad Alexandersbad

 

Um zu verstehen, was uns ausmacht, welche Herkunft unsere Zukunft prägt, benötigen wir kollektive Erinnerungen. Orte, die eine charakteristische Differenz zur Gegenwart aufweisen und die zur Erinnerungskultur einladen. So einen Ort, wie den ehemaligen Eisernen Vorhang, der sich zum Grünen Band entwickelt hat – zu einem weltweit einzigartigen Biotopverbund und Kulturdenkmal.

 

Der Deutsche Kulturrat und der BUND für Umwelt und Naturschutz Deutschland unterstützen gemeinsam die Bemühungen, das Grüne Band Europa als UNESCO-Welterbe in den Kategorien Natur und Kultur zu nominieren. Denn das Grüne Band hält die Erinnerung an den Mut der Menschen wach, die mit friedlichen Mitteln Diktaturen überwunden haben und Grenzen zu Fall brachten.

 

Hier ist Zeitgeschichte erlebbar und Erinnerung möglich. Ein Ort auch für die kommenden Generationen, der an Demokratie, Freiheit und Frieden in unserem Land und in ganz Europa erinnert. Dazu wollen Kunst und Kultur einen Beitrag leisten, neue Bilder schaffen, Menschen zusammenbringen und zeigen, dass Natur und Kultur keine Gegensätze sind.

 

Mit unserer Tagung wollen wir das Grüne Band als Ort der Erinnerungskultur stärken und Chancen für lokale Kulturakteure aufzeigen, um ihre Heimat in strukturschwachen, grenznahen Regionen nachhaltig zu gestalten.

 

Unser Programm beginnt am Mittwoch, den 12.02.2020 ab 12 Uhr mit dem Thema „Nachhaltigkeit braucht Heimat“ und spannt einen Bogen von der Erinnerungskultur bis zum Grünen Band Europa als Weltkulturerbe.

 

Am Donnerstag besuchen wir das Deutsch-Deutsche Museum Mödlareuth und erörtern die Möglichkeiten, die das Grüne Band für die Erinnerungskultur und die lokalen kulturellen Akteure bietet. Am Abend erleben wir fränkische Mundart mit Wolfgang Buck und seiner Gitarre.

 

Am Freitag diskutieren wir „Die Bedeutung Dritter Orte in strukturschwachen Grenzräumen“. Die Tagung endet am 14.02.2020 um 13:30 Uhr.

 

Mit dabei sind:

 

  • Hubert Weiger (Ehrenvorsitzender BUND)
  • Susanne Keuchel (Präsidentin Deutscher Kulturrat)
  • Kai Frobel (Der Vater des Grünen Bandes)
  • Olaf Zimmermann (Geschäftsführer Deutscher Kulturrat)
  • Birgit Seelbinder (Präsidentin EUREGIO EGRENSIS)
  • und viele andere mehr…

Anmeldung und weitere Informationen:
Jens Kober Referent für Nachhaltigkeit & Kultur
E-Mail: j.kober@kulturrat.de

 


 

Der kulturpolitische Text der Woche: „Sicherheitszwang – Ist das Vertrauen im kulturellen Wandel verloren gegangen?“  

 

Bildwelten des Schreckens, Terroranschläge, Amokläufe und anonyme Drohungen haben unser Zusammenleben schleichend verändert. Das Sicherheitsbedürfnis wächst und findet Eingang in alle Lebensbereiche. Möglicherweise ist es dringend an der Zeit, dies aus einer distanzierten Perspektive gemeinsam kritisch zu reflektieren: „Wollen wir wirklich so leben?“, frage Susanne Keuchel, die Präsidentin des Deutschen Kulturrates.

 

Lesen Sie den ganzen Text hier...

 


 

Die Stellungnahmen des Deutschen Kulturrates 2019: 

 


 

Die Projekte des Deutschen Kulturrates 2019:

 


 

Deutscher Kulturrat sucht studentische/n Mitarbeiter/in

 

Die Geschäftsstelle des Deutschen Kulturrates sucht zum nächstmöglichen Zeitpunkt eine/n studentische/n Mitarbeiter/in zur Unterstützung unseres Büroalltags.

 

Wir suchen jemanden: 

 

  • Der oder die mit Lust und Leidenschaft die Geschäftsstelle im laufenden Büroalltag unterstützt.
  • Der oder die geduldig, freundlich und höflich Telefonanrufe entgegennimmt und bei Terminvereinbarungen unterstützt.
  • Der oder die mit Spaß Sitzungen vorbereitet und das Ziel verfolgt, dass sich Gäste wohlfühlen.
  • Der oder die auch in stressigen Situationen kühlen Kopf bewahrt.
  • Der oder die Interesse hat, hinter die Kulissen der Verbandsarbeit zu schauen und Einblicke in die Arbeitsabläufe und Strukturen einer kulturpolitischen Interessenvertretung zu sammeln.

Was wir erwarten:

 

  • Organisationstalent
  • Kommunikationsfähigkeit
  • eigenverantwortliches und sorgfältiges Arbeiten
  • Beherrschung der deutschen Sprache auf muttersprachlichem Niveau
  • sicherer Umgang mit gängigen Internet- und MS Office-Anwendungen; Erfahrungen mit Content Management Programmen wie WordPress sind erwünscht, aber keine Pflicht.

Wir freuen uns über aussagekräftige Bewerbungen ausschließlich per Mail an: k.bruck@kulturrat.de.

 

Die Stelle umfasst maximal 19,5 Stunden pro Woche und wird mit einem Stundenlohn von 10 € vergütet.

 

Die Bewerbungsfrist endet am 15. Januar 2020.

 

Für weitere Informationen steht Frau Bruck unter der folgenden Rufnummer zu Verfügung: 030-2260528-0.


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