Zukunftsaufgabe Digitalisierung und Digitalpolitik
Deutscher Kulturrat fordert konsistentes Vorgehen von nächster Bundesregierung
Berlin, den 11.10.2021. Nicht erst die Corona-Pandemie hat deutlich gemacht, dass Digitalisierung und Digitalpolitik entscheidende Zukunftsaufgabe des nächsten Jahrzehnts sind. Schmerzlich wurde deutlich, dass die technische Infrastruktur in Deutschland nach wie vor unzureichend ist, dass zu oft zu kurzfristig in Projekten gedacht wird, dass Fachpersonal fehlt und vieles andere mehr. Und dies, obwohl das Thema bereits seit Jahren auf der Tagesordnung steht.
Die jetzige Bundesregierung hat Anfang 2019 ihre Digitalstrategie vorgestellt, die konkrete Ausgestaltung oblag den einzelnen Bundesministerien. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung hat bereits im April 2019 seine Digitalstrategie vorgelegt und u.a. mit dem „Digitalpakt Schule“ sowie mit der „Nationalen Forschungsdateninfrastruktur“ (NFDI) auch für Bildung, Kultur und Wissenschaft die Weichen für groß angelegte Förderprogramme gestellt. Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien hat im August 2021 mit dem Perspektivpapier „Kulturen im digitalen Wandel“ aufgezeigt, wie weit die Digitalisierung die Arbeit in Kultureinrichtungen bereits prägt und welche Handlungsbedarfe bestehen. Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur hat im Juni 2021 seine Digitalstrategie für Games vorgestellt. Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hat mit der Reform des Urheberrechts – zunächst auf europäischer und danach auf nationaler Ebene – die Weichen für wirtschaftliche Ertragsmöglichkeiten aus der Verwertung digitaler Werke gestellt. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie hat während der Corona-Pandemie gezielt Unternehmen, auch der Kultur- und Kreativwirtschaft, bei der digitalen Umstrukturierung unterstützt. Neben den hier exemplarisch genannten Vorhaben von Bundesministerien verfolgen darüber hinaus die Länder jeweils eigene Digitalisierungsstrategien, die auch den Kulturbereich betreffen. Zu dem wirken Bund und Länder an der Digitalpolitik der Europäischen Union mit.
Digitalisierung und Digitalpolitik sind also Gegenstand der Politik verschiedener Ebenen und Ministerien. Auch wenn unterschiedliche Zuständigkeiten – von Bund und Ländern, von verschiedenen Bundesressorts – bleiben, sollte bereits im nächsten Koalitionsvertrag mehr Konsistenz für dieses wichtige Politikfeld festgelegt werden. Dies gilt mit Blick auf den Kultur- und Medienbereich vor allem hinsichtlich der nicht immer deckungsgleichen Interessenslagen der Künstlerinnen und Künstler, der Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft, der Kultureinrichtungen und der Kulturvereine. Eine konsistente Digitalisierungsstrategie und Digitalpolitik muss mehr sein als die Summe der Ressortvorhaben, sie muss das Thema als Ganzes und die verschiedenen Interessenslagen im Blick halten und davon ausgehend die Rahmenbedingungen gestalten.
- Der Deutsche Kulturrat spricht sich daher für eine vernetzende Koordination der Digitalpolitik der nächsten Bundesregierung im Bundeskanzleramt aus. Ein eigenes Digitalministerium erscheint dem Deutschen Kulturrat als nicht anstrebenswert. Vielmehr muss es darum gehen, dass das Thema Digitalisierung in den verschiedenen Bundesministerien vorangetrieben und an einer Stelle zu einer konsistenten Strategie zusammengebunden wird. Des Weiteren müssen sich Bund und Länder auch auf europäischer Ebene für eine umfassende Berücksichtigung der digitalpolitischen Interessen des Kultur- und Medienbereiches einsetzen.
Im erwähnten Perspektivpapier der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien wird ein Digitalisierungsrat vorschlagen, der Bund, Länder und Kommunen beim digitalen Kultur-Wandel beraten soll. Als Themen des Digitalisierungsrates werden genannt: digitale Ausbildungscurricula, Vermittlung von Digital- und Medienkompetenz, digitale Kreativität, Einsatz von KI-Anwendungen, Unabhängigkeit von globalen Digitalprovidern, Datenschutz und Datensicherheit. Der Deutsche Kulturrat und die ihm angeschlossenen Verbände werden als zentrale Ansprechpartner für den Digitalisierungsrat genannt.
- Der Deutsche Kulturrat begrüßt den Vorschlag, einen Digitalisierungsrat für die Kultur einzurichten. Er sieht allerdings das Erfordernis, dass die unterschiedlichen Belange aus dem Kulturbereich – Künstlerinnen und Künstler, Kultureinrichtungen, Kulturvereine, Kultur- und Kreativunternehmen – eingebunden werden. Aus Sicht des Deutschen Kulturrates sollte die Federführung für den Digitalisierungsrat bei der Zivilgesellschaft liegen, um die jeweils aktuellen Themen aufzugreifen und einen optimalen Interessenausgleich zu ermöglichen.
Darüber hinaus sieht der Deutsche Kulturrat das Erfordernis, dass bei Digitalisierungsstrategie und Digitalpolitik folgende Aspekte berücksichtigt werden:
- Auf- und Ausbau der Rahmenbedingungen
- Auf- und Ausbau der Kompetenzen
Auf- und Ausbau der Rahmenbedingungen
Der Kultur- und Medienbereich ist durch das Nebeneinander von öffentlichen bzw. öffentlich-finanzierten sowie von privatwirtschaftlichen Angeboten gekennzeichnet.
Bei der Gestaltung der Rahmenbedingungen gilt es die verschiedenen Interessen in einen gerechten Ausgleich zu bringen. Dazu zählt, dass Künstlerinnen und Künstler sowie die Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft aus der Verwertung künstlerischer Werke einen wirtschaftlichen Ertrag ziehen müssen. Und dies unabhängig davon, ob die Verwertung analog oder im digitalen Raum erfolgt. Die Rahmenbedingungen müssen daher so gestaltet sein, dass privatwirtschaftliche Angebote monetarisiert werden können. Dies muss auch bei Förderprogrammen für öffentliche bzw. öffentlich-finanzierte Kultureinrichtungen bedacht werden. Hier gilt es Privilegierungen, gegenüber privatwirtschaftlichen Kultur- und Medienanbietern genau abzuwägen und inhaltlich zu begründen. Ein starkes Urheberrecht, das die Urheberinnen und Urheber sowie anderen Rechteinhaber in den Mittelpunkt stellt und sowohl die urheberpersönlichkeitsrechtlichen als auch die verwertungsrechtlichen Aspekte berücksichtigt, ist für den Deutschen Kulturrat in der digitalen Welt unverzichtbar. Das Urheberrecht ist das Marktordnungsrecht der digitalen Welt.
Für grundlegend mit Blick auf die technische Infrastruktur erachtet der Deutsche Kulturrat den Breitbandausbau. Zur Nutzung von digitalen Kultur- und Medienangeboten, von Angeboten der kulturellen Bildung sowie von Kultureinrichtungen sind stabile Internetverbindungen im gesamten Land unverzichtbar. Auch die Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft sind auf stabile und vor allem schnelle Internetverbindungen angewiesen. Um hochwertige Arbeitsplätze zu erhalten oder aufzubauen, geht an einem forcierten Breitbandausbau kein Weg vorbei.
Ebenso muss die technische Infrastruktur in den Schulen, den Hochschulen, den kulturellen Bildungseinrichtungen sowie Kultureinrichtungen ausgebaut werden. Mit dem Digitalpakt Schule wurde mit Blick auf die Schulen zwar einiges auf den Weg gebracht, dennoch ist der Aufbau noch zu langsam und zu zögerlich. Es handelt sich hier um eine gesamtstaatliche Aufgabe, die der Bund übernehmen muss und die nicht im Zuständigkeitsstreit zwischen Bund und Ländern zerrieben werden darf.
In nicht wenigen Unternehmen – auch der Kultur- und Kreativwirtschaft – bedarf die digitale Transformation, vor allem mit Blick auf die technische Infrastruktur, weiterer Anstrengungen und Investitionen. Gerade den teilweise unterkapitalisierten Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft fällt es – insbesondere nach den Umsatzeinbußen in Folge der Corona-Pandemie – schwer, in die digitale Infrastruktur zu investieren. Förderprogramme wie beispielsweise „Digital jetzt“ des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie, an dem auch die Kultur- und Kreativwirtschaft partizipiert hat, waren schnell erschöpft. Erfolgreiche Programm sollten daher verlängert und besser ausgestattet werden.
Digitale Daten zu Kunst und Kultur sind ein wesentlicher Bestandteil des täglichen Lebens, der Kommunikation und der kulturellen Erfahrung. Sie bilden die Grundlage von beständigen Transferprozessen zwischen Forschenden, Kunstschaffenden, Kulturwirtschaft und Zivilgesellschaft. In der Nationalen Forschungsdaten-infrastruktur (NFDI) werden die Datenbestände aus Kunst und Kultur für die kunst- und kulturbezogenen Wissenschaften und die Forschung systematisch erschlossen, zugänglich gemacht sowie international vernetzt. Diese im Aufbau befindliche Infrastruktur muss potenziell auch für die Bedarfe der Kultur nach Langzeitsicherung und -verfügbarhaltung ihrer Daten nutzbar gemacht werden. Die Dateninfra-strukturen aus Kunst und Kultur können bei entsprechender Ausstattung mit denen der kunst- und kulturbezogenen Wissenschaften durchlässig gestaltet und produktiv vernetzt und Synergien erzeugt werden. Diese Vernetzung muss einhergehen mit der Entwicklung nachhaltig finanzierter kultur- und wissenschaftsübergreifender Betriebsmodelle für die entstehenden digitalen Infrastrukturen, die in enger Zusammenarbeit mit den geistes-, kunst- und kulturwissenschaftlichen NFDI-Konsortien aufgebaut werden.
Auf- und Ausbau der Kompetenzen
Digitalisierung ist allerdings keine rein technische Herausforderung. Es bedarf qualifizierten Personals, um die Digitalisierung umzusetzen, um angepasste, nachhaltige Strategien zu entwickeln, um medienkompetent zu leben. Das vorhandene Personal muss weitergebildet und neues Personal gewonnen bzw. ausgebildet werden. Insbesondere öffentliche und öffentlich-geförderte Kultureinrichtungen haben oftmals Schwierigkeiten Fachkräfte für den digitalen Wandel zu gewinnen, da sie hinsichtlich des Einkommens und der Aufstiegschancen mit privatwirtschaftlichen Unternehmen der verschiedenen Branchen nicht konkurrieren können. Hier ist eine, wie oben beschrieben, Qualifizierungsoffensive von Nöten, damit Kultureinrichtungen leistungsfähig bleiben. Gleichfalls gilt es in die Aus- und Weiterbildung von Lehrerinnen und Lehrern zu investieren. Hier sind besonders die Länder gefordert.
Mit Blick auf die Erfordernisse in der kulturellen Bildung hat der Deutsche Kulturrat bereits im Januar 2021 eine „Digital-Allianz Bildung“ vorgeschlagen. Die „Digital-Allianz Bildung“ soll als Förderprogramm gemeinsam mit der Expertise von zivilgesellschaftlichen Verbänden entwickelt und umgesetzt werden, um zukunftsfähige und pragmatische, gut umsetzbare Konzepte zu realisieren. Auf die Stellungnahme[1] sei an dieser Stelle verwiesen.
[1] 04.01.2021 Digital-Allianz Bildung auf den Weg bringen.
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