40. KW: Benennungen sind unentbehrlich

  1. Benennungen sind unentbehrlich
  2. Schwerpunkt in Politik & Kultur 10/24: Die Kunst der Benennung
  3. Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks – Gespräch mit Kulturzeit
  4. NEU! Politik & Kultur 10/24
  5. Einladung: Fachtagung „Jüdisches Leben in Deutschland im Spannungsfeld zwischen Anpassung und Autonomie“
  6. Noch bis zum 8. Oktober zur Subskription! Anthologie zu „Slammt Tacheles! Poetry-Slam zum jüdischen Leben in Deutschland“
  7. Jahresbericht 2023 des Deutschen Kulturrates
  8. Text der Woche: „Verramscht. Über das Ende der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft und die Hoffnung auf das Überleben der Buchkultur“ von Johann Michael Möller

 


 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

in einer fast schon sprichwörtlichen Stelle der hebräischen Bibel im Buch Jesaja heißt es „Fürchte Dich nicht, (…), ich habe Dich bei Deinem Namen gerufen …“. Es ist eine von vielen Stellen in der hebräischen Bibel, aber auch im Neuen Testament, in denen die Menschen direkt angesprochen, bei ihrem Namen gerufen werden. Der Name, in christlichen Kontexten neben dem Rufnamen oft noch der Taufname, hat für uns Menschen eine große Bedeutung. Wer hat sich nicht schon mal über seinen Namen, in der Regel seinen Vornamen, geärgert, weil er zu altbacken, zu modisch, zu häufig oder zu selten ist. Lustig wurde sich über Namen wie „Chantal“ oder „Kevin“ gemacht. In Studien wurde aufgezeigt, wie sehr der Vorname Vorurteile bei Lehrerinnen oder Lehrern produzieren kann und dass gerade eine „Chantal“ es schwer hat, als intelligent wahrgenommen zu werden, ganz unabhängig von ihrer individuellen Leistung.

 

Seit gut 800 Jahren sind in Deutschland Nachnamen üblich. Zuerst in bürgerlichen Schichten, später für alle Menschen.

 

Namen, die Benennung der belebten und der unbelebten Umwelt, sind zutiefst menschlich. Sie sind Teil unserer Kultur. Namen dienen zur Gruppenzuweisung und zur Unterscheidung. Erst, was benannt ist, kann beschrieben und überliefert werden. Über das, was benannt ist, kann sich verständigt werden, kann geforscht werden. Wenn etwas benannt ist, ist es einzigartig und identifizierbar.

 

Benennungen sind daher für die Wissenschaft unentbehrlich. Das gilt für die verschiedenen Disziplinen. In der Literaturwissenschaft wird der Jambus vom Trochäus unterschieden, in der Musik zwischen Dur und Moll, in der Bildenden Kunst geht es um verschiedene Stile, in der Medizin wird das gesamte Skelett klassifiziert, und Erkrankungen werden benannt, viele andere Beispiele ließen sich anführen.

 

Bahnbrechend für die Biologie war der schwedische Biologe Carl von Linné (1707-1778), der die Grundlage für die noch heute angewandte Nomenklatur zur Beschreibung von Pflanzen und Tieren legte. Seine Grundprinzipien werden noch heute strikt angewandt, wenn es um die wissenschaftlich korrekte Benennung in der Biologie geht.

 

Und diese Arbeit ist noch lange nicht abgeschlossen. Die Biodiversität auf der Erde ist immer noch so groß, dass es nach wie vor Tiere und Pflanzen gibt, die noch nicht beschrieben und noch nicht benannt sind. Doch wir müssen uns beeilen, denn täglich sterben Arten aus, ohne dass sie je benannt wurden.

 

Damit das Beschreiben und Benennen gelingt, ist zuerst ein anderer Sinngefragt: Das genaue Hinsehen. „Innere Augenränder nach unten stark konvergierend und nierenförmig ausgerandet; Geißel dick, nach dem Tode nicht eingerollt, Schenkel und Schienen ›3‹ etwa doppelt so lang wie die übrigen Schenkel und Schienen; Analsternit wie eine Legescheide zusammengedrückt“, so beschreibt der berühmte deutsche Wegwespenforscher, Heinrich Wolf, die Gattung Ceropales. Von dieser eher kleinen Wegwespe gibt es in Deutschland acht Arten, die in drei Untergattungen aufgeteilt sind. „Die Bestimmung der Wegwespen ist keineswegs leicht“, schreibt der Entomologe, vulgo Insektenforscher, in der Einführung in seinen Bestimmungsschlüssel.

 

Ich bin mir sicher, die meisten Leserinnen und Leser meines kulturpolitischen Wochenreportes haben in ihrem Leben noch keine Wegwespe bewusst gesehen. Und das, obwohl in Deutschland fast 100 verschiedene Arten dieser Wespen leben, in der Welt sind es sogar mehr als 5.000 Arten. Nur wenn wir jede einzelne bei ihrem Namen nennen können, können Forscherinnen und Forscher überall in der Welt ihre Ergebnisse untereinander austauschen. Ohne spezifische Benennung ist internationale Forschung unmöglich.

 

Genau hinsehen ist in vielen Disziplinen erforderlich, um in eine Materie einzutauchen und zu verstehen, was sie auszeichnet bzw. unterscheidet und worum es tatsächlich geht. Sehen und Benennen sind wissenschaftliche Grundlagenarbeit in der Natur-, aber auch in der Kulturwissenschaft.

 

In der neuen Ausgabe von Politik & Kultur haben wir uns mit dem Thema intensiv beschäftigt. Lassen Sie sich in ein für eine kulturpolitische Zeitung eher ungewöhnliches Thema, nämlich die Benennungen in der Biologie, ein und stellen Sie fest, wie viele Bezüge zur Kultur bestehen.

 

Ihr

 

Olaf Zimmermann
Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates
twitter.com/olaf_zimmermann

 

PS. Die kulturpolitische Wochenreport erscheint zwei Tage früher als üblich, da viele von uns, auch ich, ab morgen ins lange Wochenende gehen. Der kommende kulturpolitische Wochenreport erscheint dann wieder, wie gewohnt, am Freitag.

 


 

2. Schwerpunkt in Politik & Kultur 10/24: Die Kunst der Benennung

 

In der aktuellen Ausgabe von Politik & Kultur, der Zeitung des Deutschen Kulturrates, geht es um die kulturelle Leistung des Menschen, Dingen, insbesondere Naturerscheinungen aller Art, einen Namen zu geben, sie zu klassifizieren und sie damit erkennbar zu machen.

 

 

  • Alle Beiträge des Schwerpunktes lesen Sie hier.

 

 

Einladung zur Veranstaltung „Die Kunst der Benennung“

 

Datum: Mittwoch, 30. Oktober 2024
Uhrzeit: 18:00 Uhr

Ort: Museum für Naturkunde, Invalidenstraße 43, 10115 Berlin

 

Am Mittwoch, den 30. Oktober 2024 veranstaltet der Deutsche Kulturrat in Kooperation mit dem Museum für Naturkunde Berlin unter dem Titel „Die Kunst der Benennung“ eine Veranstaltung in Anlehnung an den gleichnamigen Schwerpunkt in der Oktober-Ausgabe von Politik & Kultur.

 

Sie sind herzlich eingeladen! Hier können Sie sich für die Veranstaltung anmelden.

 

Programmpunkte:

 

Begrüßung

 

  • Prof. Christian Höppner, Präsident des Deutschen Kulturrates
  • Prof. Dr. Johannes Vogel, Generaldirektor des Museums für Naturkunde Berli

Vorstellung des Schwerpunkts: Die Kunst der Benennung“:

 

  • Prof. Dr. Michael Ohl, Wissenschaftler am Museum für Naturkunde Berlin
  • Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates

 

Podiumsdiskussion „Die Kunst der Benennung“:

 

  • Prof. Dr. Johannes Vogel, Generaldirektor des Museums für Naturkunde Berlin
  • Andreas Rötzer, Verleger Matthes & Seitz
  • Prof. Dr. Patricia Rahemipour, Direktorin des Instituts für Museumsforschung
  • Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates

 

  • Moderation: Harald Asel, rbb

 

  • Die Diskussion wird von rbb mitgeschnitten und anschließend gesendet.

 

 


 

3. Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks – Gespräch mit Kulturzeit

 

Über die „Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks“ sprach ich gestern Abend mit Vivian Perkovic von Kulturzeit. Die Länder haben Vorschläge für eine Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks vorgelegt. Unter anderem soll die Zahl der Radio- und TV-Programme massiv reduziert werden. Mein Fazit ist eindeutig: Der Kulturbereich kann bei dieser Reform nichts gewinnen!

 

  • Sehen Sie das Gespräch hier nach.

 


 

4. NEU! Politik & Kultur 10/24

 

Die neue Oktober-Ausgabe von Politik & Kultur, der Zeitung des Deutschen Kulturrates,  richtet den Schwerpunkt auf das Thema „Die Kunst der Benennung“. Die Beiträge zum Thema finden Sie auf den Seiten 15 bis 26.

 

Der Leitartikel „Wie wollen wir leben?“ stammt von Prof. Dr. Johannes Vogel, Generaldirektor des Museums für Naturkunde Berlin, und beschäftigt sich mit der Bedeutung von Naturkundemuseen und der Frage, welche Lösungen diese für existenzielle Herausforderungen unserer Zeit bieten

 

 

Kulturratsjahr 2023
Rückblick auf die kulturpolitische Arbeit: Veranstaltungen, Projekte und der Umgang mit aktuellen Herausforderungen

 

Künstliche Intelligenz
In der Reihe über Künstliche Intelligenz in der Kultur geht es um Galerien, um die Initiative Urheberrecht und ein neues Gutachten

 

Fokus Hörspiel
Der Blick auf eine gefährdete Hörspiellandschaft mit einem Bericht über Forderung und Strukturen sowie mit Interviews

 

150 Jahre Krematorien
Revolution einer Kulturtechnik: Geschichte und Kultur der Feuerbestattung von den Anfängen 1874 bis heute

 

Filmfördergesetz
Novellierung der Filmförderung zwischen Bund und Ländern ist umstritten

 

Außerdem: Editorial: C64 versus Blackbox; Jüdisches Museum Worms; Büchergilde Gutenberg; EU-Projekt „#theatre.makes.politics“; Ende der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft; SPK Reformtagebuch Folge 5; Kurzschluss: „Das Letzte“ über Zukunftsperspektiven einer Volkspartei u.v.m

 

 

  • Die Oktober-Ausgabe von Politik & Kultur mit dem Schwerpunkt „Die Kunst der Benennung“ steht hier als kostenfreies E-Paper (PDF-Datei) zum Herunterladen bereit.
  • Hier können Sie kostenlos ein gedrucktes Exemplar der neuen Ausgabe im Online-Shop des Deutschen Kulturrates bestellen.

 


 

5. Einladung: Fachtagung „Jüdisches Leben in Deutschland im Spannungsfeld zwischen Anpassung und Autonomie“

 

Datum: Montag, den 18. November 2024
Uhrzeit: 10:00-17:00 Uhr
Ort: Jüdisches Museum Frankfurt, Bertha-Pappenheim-Platz 1, 60311 Frankfurt am Main

 

Am Montag, den 18. November 2024 veranstaltet die Initiative kulturelle Integration zum fünften Gedenktag an den Anschlag auf die Synagoge in Halle (am 9. Oktober 2019) in Kooperation mit der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, dem Beauftragten der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus sowie dem Zentralrat der Juden in Deutschland die Fachtagung „Jüdisches Leben in Deutschland im Spannungsfeld zwischen Anpassung und Autonomie“.

 

Sollen sich Jüdinnen und Juden anpassen oder als Kollektiv zeigen und behaupten? Wie gestaltet sich das jüdische Leben in Deutschland nach dem 7. Oktober 2023? Diese Fragestellungen stehen im Zentrum der Fachtagung.

 

Die Fachtagung wurde gemeinsam mit dem israelischen Soziologen Prof. em. Dr. Natan Sznaider, Prof. Dr. Doron Kiesel, dem Direktor der Bildungsabteilung des Zentralrats der Juden in Deutschland, und der Leiterin des Jüdischen Museums in Frankfurt am Main Prof. Dr. Mirjam Wenzel konzipiert.

 

Den Eröffnungsvortrag hält Prof. em. Dr. Natan Sznaider. Alle weiteren Rednerinnen und Redner finden Sie hier im Tagungs-Programm.

 

  • Hier können Sie sich zur Fachtagung anmelden.

 

  • Hier geht es zu den Aktionstagen zum Gedenken an den Anschlag in Halle der Jahre 2020-2023.
  • Hier erfahren Sie mehr über die Initiative kulturelle Integration.

 


 

6. Noch bis zum 8. Oktober zur Subskription! Anthologie zu „Slammt Tacheles! Poetry-Slam zum jüdischen Leben in Deutschland“

 

Am nächsten Mittwoch, den 9. Oktober 2024 erscheint die Anthologie zu „Slammt Tacheles! Poetry-Slam zum jüdischen Leben in Deutschland“.

 

Die Anthologie stellt 21 Texte aus der Jury-Vorauswahl des Wettbewerbs „Slammt Tacheles! Poetry Slam zum jüdischen Leben in Deutschland“ vor, inklusive der zehn prämierten Texte in drei Preiskategorien, und lädt ein in die Lebens- und Gedankenwelt von Jüdinnen*Juden in Deutschland und ihren Verbündeten.

 

Bis nächsten Dienstag, den 8. Oktober 2024 können Sie die Anthologie noch zum Subskriptionspreis von 14,20 Euro bestellen – Sie sparen 20%!

 

Ab dem 9. Oktober 2024 beträgt der Preis dann regulär 17,80 Euro.

 

 

Slammt Tacheles

Poetry Slam zum jüdischen Leben in Deutschland
Hg. v. Denise Bretz, Henrik Szántó und Olaf Zimmermann
ISBN: 978-3-95461-257-4
160 Seiten, 17,80 Euro

 


 

7. Jahresbericht 2023 des Deutschen Kulturrates

 

Der Jahresbericht 2023 des Deutschen Kulturrates e.V. gibt Einblick in die Arbeitsschwerpunkte, die Teilnahme an Anhörungen und Beratungen durch Vertreter des Deutschen Kulturrates, die Veranstaltungen, die Öffentlichkeitsarbeit, die Projekte und die Mitarbeiterstruktur.

 

  • Hier können Sie den Jahresbericht 2023 nachlesen.

 


 

8. Text der Woche: „Verramscht. Über das Ende der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft und die Hoffnung auf das Überleben der Buchkultur“ von Johann Michael Möller

 

Es war wohl aus Trotz. Ich habe mir dieser Tage schnell noch eines der letzten Exemplare des dreibändigen Lehrbuchs der Dogmengeschichte gekauft, des Hauptwerks des großen Theologen Adolf von Harnack. Ob ich jemals darin lesen werde, weiß ich gar nicht. Aber die Sorge, dass eine solche Edition demnächst vom Buchmarkt verschwunden sein könnte, treibt mich um. Zudem habe ich noch Dan Diners wunderbare Enzyklopädie Jüdischer Geschichte und Kultur gekauft, ein Jahrhundertwerk, dessen prohibitiver Preis mich lange geschreckt ha.

 

Und natürlich Walter Benjamins wichtigste Werke in einer handhabbaren fünfbändigen Kassette. Die Umstände lassen kein Abwarten mehr zu. Wer jetzt keine Bibliothek hat, kriegt sie nimmermehr. Denn die glanzvollen Reste der legendären Wissenschaftlichen Buchgesellschaft in Darmstadt werden derzeit verramscht.

 

Johann Michael Möller ist Publizist und Ethnologe

 

 

  • Hier lesen Sie den ganzen Text.
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