Barbara Schleihagen - 31. März 2022 Kulturrat_Logo_72dpi-01

Aus Politik & Kultur: Ukraine

Seriöse Quellen zugänglich halten


Reaktion des Deutschen Bibliotheksverbandes

Der völkerrechtswidrige Angriffskrieg auf die Ukraine und das damit verbundene sinnlose Leid der Menschen erschüttert uns alle. Gleich nach Kriegsbeginn nahm der Deutsche Bibliotheksverband (dbv) Kontakt zum Ukrainischen Bibliotheksverband auf, um seine Solidarität spürbar zu zeigen, um zu verdeutlichen, dass wir an der Seite unserer ukrainischen Kolleginnen und Kollegen stehen und um zu erfahren, welche Bedarfe es vor Ort gibt.

 

Der Aufbau und die Vertiefung solcher Netzwerke ist derzeit eine der vorrangigen Aufgaben, die im Austausch unter einigen großen Bibliotheken mit traditionell guten Verbindungen nach Osteuropa sowie mit anderen europäischen Bibliotheksverbänden geleistet wird. So konnte das Hilfsangebot der Deutschen Nationalbibliothek bei der Sicherung von schriftlichem Kulturgut sowie von Stipendien auf direktem Wege in die Ukraine weitergegeben werden. Bibliotheken beteiligen sich auch am „Netzwerk Kulturgutschutz Ukraine“, initiiert von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien sowie dem Auswärtigen Amt, das Informationen zur Lage vor Ort sowie zu bestehenden Hilfsbedarfen- und angeboten koordiniert und als zentraler Ansprechpartner für alle Anfragen in diesem Bereich fungiert.

 

Der dbv spricht sich dafür aus, dass Bibliotheken den Empfehlungen ihrer jeweiligen Träger folgen und ihre offiziellen Kontakte zu Russland z. B. im Rahmen einer Hochschulkooperation oder einer Städtepartnerschaft bis auf Weiteres auf Eis legen. Zusätzlich fordert er den internationalen Bibliotheksverband IFLA auf, die offiziellen Kontakte ebenfalls auszusetzen und keine russische Delegation zu seinem Kongress zuzulassen. Persönliche Kontakte sollten aufrechterhalten werden, denn Einzelpersonen dürfen nicht für Staatshandlungen verantwortlich gemacht werden. Der dbv drückt seine Hochachtung vor den mutigen Menschen in Russland aus, die sich unter Gefahr für sich und ihre Familien öffentlich gegen den Krieg äußern.

 

Auf seiner Webseite hat der dbv Informations- und Hilfsaktivitäten von Bibliotheken sowie Stellungnahmen verschiedener Verbände zusammengetragen. Viele Bibliotheken haben aktuelle Medien zur Ukraine, zu Russland, Europa, der Weltordnung oder Analysen ausgewählter Einrichtungen zum Krieg in der Ukraine, aber auch zu ukrainischer Kunst, Literatur und Kultur zur (elektronischen) Ausleihe zusammengestellt. Einige Bibliotheken organisieren in Kooperation mit anderen kommunalen Einrichtungen Veranstaltungen und Lesungen ukrainischer Schriftstellerinnen und Schriftsteller.

 

Gerade jetzt müssen alle Informationen besonders sorgsam überprüft und kritisch eingeordnet werden. Bibliotheken leisten Aufklärung und ermöglichen Zugang zu seriösen Quellen, Ressourcen zum Faktencheck und zur Überprüfung von Informationen. Sie unterstützen Menschen dabei, Falschinformationen besser zu erkennen und wirken so Desinformationen entgegen. Sehr schnell stellte z. B. die Stadtbibliothek München einen Überblick über unabhängige Medien aus der Ukraine, Russland und Belarus, Faktenchecks sowie seriöse Informationsquellen zur aktuellen Situation auch für Kinder und Jugendliche auf ihrer Webseite bereit. Darüber hinaus listet sie lokale Hilfs- und Unterstützungsangebote für Geflüchtete auf. Die Bayerische Hörbücherei für blinde und sehbehinderte Menschen nimmt als Informationsanbieter für eine spezielle Zielgruppe eine besondere Rolle ein und hat ebenfalls eine Infoseite zur Ukraine erstellt. Die Internationale Jugendbibliothek stellt Plakatmotive gegen den Krieg auf Deutsch und Ukrainisch bereit. Die Einnahmen kommen einer polnischen Stiftung zugute, die mit dem Geld ukrainische Kinderbücher kauft und an geflüchtete Kinder in Polen verteilt. Darüber hinaus nutzen viele Bibliotheken eine vom dbv bereitgestellte Grafik, um sowohl auf Postern in ihren Räumlichkeiten als auch auf ihren Webseiten mit den ukrainischen Farben ihre Solidarität zu bekunden und deutlich zu machen, dass sie eine Anlaufstelle für Geflüchtete sind.

 

Täglich kommen weitere Geflüchtete aus der Ukraine in unser Land. Es sind Menschen, die unsere Landessprache nicht sprechen und die verwaltungsrechtlichen Schritte einleiten müssen.

 

Bibliotheken stellen ihnen in ihren frei zugänglichen Räumlichkeiten Ruhezonen mit Sitzecken sowie Steckdosen zum Aufladen ihrer Geräte, Zugang zu Arbeitsplätzen, Datenbanken mit Zugriff auf die internationale Presse sowie freiem W-LAN und Räume für Dialog- und Informationsveranstaltungen zur Verfügung. Der Landesverband Sachsen im dbv hat Hinweise zur Nutzung von öffentlichen Bibliotheken unter anderem in ukrainischer Sprache veröffentlicht. Öffentliche Bibliotheken haben begonnen, Bücher und E-Books in ukrainischer Sprache für Kinder und Erwachsene zu erwerben und unterstützen Geflüchtete mit zuverlässiger Beratung und Informationen über rechtliche Fragen, örtliche Vorschriften, Unterkunft oder Beschäftigung. Die „Digitale Bibliothek der ukrainischen Literatur“ ist im Internet erreichbar und bietet neben Büchern auch Hörbücher. Auch Filme auf DVD oder Blu-Ray haben häufiger ukrainische oder russische Untertitel. Einige Bibliotheken suchen Ehrenamtliche möglichst mit ukrainischen Sprachkenntnissen für Gespräche und zur Begleitung bei Sprachunterricht.

 

Der dbv beteiligt sich an einer europäischen Initiative, die ein bereits bestehendes Netzwerk von öffentlichen Bibliotheken in verschiedenen Ländern auf die Bibliotheken in der Ukraine ausweiten wird, um Aktionen zu koordinieren und beim Austausch von Ideen und Ressourcen zusammenzuarbeiten und vor allem langfristig zu etablieren.

Bibliotheken als öffentliche Orte der Begegnung und des Zusammenhaltes unterstützen Menschen gerade auch in Zeiten, in denen die freiheitlichen Werte unserer offenen, pluralistischen und toleranten Gesellschaft gefährdet sind. In unseren Bibliotheken als Orte der gelebten Demokratie können Menschen ihr Recht auf freie Meinungsäußerung, politische Meinungsbildung und gesellschaftliche Teilhabe ausüben. Bibliotheken helfen, Dinge sichtbar zu machen und sich zu informieren.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 04/22.


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