Johanna Wanka - 8. November 2015 Kulturrat_Logo_72dpi-01

Wertedebatte

Keine Integration ohne Bildung


Die größte politische Aufgabe der Zukunft

E s ist eine humanitäre Aufgabe, Flüchtlinge in Deutschland aufzunehmen und sie rasch zu integrieren. Auch wenn derzeit die akuten Fragen der Unterbringung und Versorgung im Mittelpunkt unserer Anstrengungen stehen, so ist doch allen klar, dass Integration ohne Bildung nicht funktionieren kann. Wir wissen, dass über die Hälfte der Flüchtlinge jünger als 25 Jahre ist, also in einem Alter, in dem sie zur Schule gehen müssen oder eine Ausbildung benötigen. Integration durch Bildung wird daher in den nächsten Jahren zum Schwerpunkt von Politik werden müssen.

 

Dies ist vor dem Hintergrund der demographischen Entwicklung und des prognostizierten Fachkräftemangels auch eine Chance für Deutschland! Um diese Chance zu nutzen, bedarf es großer Anstrengungen.

 

Wenn Integration in Ausbildung, Arbeitsmarkt und Gesellschaft gelingt, profitieren wir alle davon. Dazu brauchen wir eine gemeinsame Anstrengung von Bund, Ländern, Kommunen und auch der Zivilgesellschaft, also der vielen Ehrenamtlichen, die in den letzten Wochen Enormes geleistet haben. Ich danke den Menschen in unserem Land für dieses Engagement!

 

Das Bundesbildungsministerium wird mit gezielten Maßnahmen Integration durch Bildung voranbringen. Dazu wird mein Haus rund 130 Millionen Euro zusätzlich investieren für die zentralen Ziele

 

  • Erwerb der deutschen Sprache,
  • Erkennen von Kompetenzen und Potenzialen von Flüchtlingen,
  • Integration in Ausbildung und Beruf.

Das Erlernen der deutschen Sprache ist die wichtigste Voraussetzung für die gesellschaftliche Integration der Flüchtlinge in Deutschland. Zusätzlich zu den etablierten und notwendigen Instrumenten wie Integrations- und Sprachkursen werden wir passgenaue Instrumente, wie beispielsweise Lern-Apps anbieten, die die Flüchtlinge schnell und unkompliziert nutzen können. Für Flüchtlingskinder werden wir ab Dezember ein Sonderprogramm „Lesestart“ umsetzen und ehrenamtliche Vorlesepaten unterstützen. Außerdem werden wir ehrenamtliche Lernbegleiter qualifizieren, damit sie neben den hauptamtlichen Lehrkräften den Einstieg in die deutsche Sprache unterstützen können. Mit der Stiftung Lesen und dem Deutschen Volkshochschulverband haben wir für diese Maßnahmen starke und erfahrene Partner gewonnen.

 

Viele Flüchtlinge bringen Berufsqualifikationen mit, die wir erkennen und anerkennen müssen. Mit dem sogenannten Anerkennungsgesetz haben wir dafür eine sehr gute Basis. Bei den jetzt ankommenden Flüchtlingen ist ein besonderes Problem zu bewältigen: Viele können wegen Krieg und Flucht die notwendigen Unterlagen nicht vorlegen. Das Anerkennungsgesetz ist aber auch dafür gerüstet: es bietet die Möglichkeit, in solchen Fällen zum Beispiel durch Arbeitsproben und Fachgespräche die vorhandenen Kompetenzen zu klären.

 

Was für deutsche Jugendliche und Jugendliche mit Migrationshintergrund gilt, gilt auch für die neu hinzukommenden Flüchtlinge: Eine frühe Berufsorientierung und eine Begleitung hin zu einem Ausbildungsplatz sind entscheidend für einen erfolgreichen Einstieg in Ausbildung. Deshalb bauen wir erfolgreiche Instrumente aus, besonders in den Regionen, die verstärkt Flüchtlinge aufnehmen, und stellen zusätzliche Kapazitäten zur Verfügung.

„In den Kommunen gibt es viel Engagement für Flüchtlinge. Die Integration läuft vor Ort – und ob sie gelingt, entscheidet sich dort.“

Unumgänglich wird sein, die interkulturelle Kompetenz der Ausbilder und Ausbilderinnen in den Betrieben und der Berufsschullehrkräfte zu fördern. Dazu wird ein niedrigschwelliges, interkulturelles Training zur Sensibilisierung entwickelt und über die bekannte Plattform „qualiboxx“ angeboten werden. In den Kommunen gibt es viel Engagement für Flüchtlinge. Die Integration läuft vor Ort – und ob sie gelingt, entscheidet sich dort. Zur Organisation und Koordinierung von Bildungsangeboten für Flüchtlinge werden wir allen rund 400 Kreisen oder kreisfreien Städten mit Beginn 2016 ermöglichen, einen Koordinator zu finanzieren. Unsere Bündnisse für Bildung im Programm „Kultur macht stark“ erreichen derzeit 300.000 Kinder und Jugendliche. Unsere Partner können ab sofort zusätzliche Angebote für junge Flüchtlinge durchführen. Der Deutsche Volkshochschulverband hat sein Angebot bereits erweitert und bietet Maßnahmen für junge Flüchtlinge an, die sowohl Kompetenzerwerb, insbesondere Sprache, und kulturelle Bildung, wie Tanz, Theater, Bewegung oder Medienbildung, umfassen. In den Bildungsbündnissen werden Jugendlichen Sprach- und Kulturtechniken vermittelt, die bei der Integration helfen und einen wesentlichen Beitrag zur Schaffung einer Willkommenskultur leisten. Diese Angebote will ich bei den Flüchtlingen auch auf junge Erwachsene ausweiten.

 

Wie Sie alle wissen: National und international laufen die Bestrebungen, die mit dem Flüchtlingsproblem verbundenen Herausforderungen zu bewältigen, auf Hochtouren. Wir können in Deutschland zuversichtlich sein: Unsere Gesellschaft ist insgesamt integrationsbereit und – das zeigt auch die Geschichte – integrationserfahren. Für diejenigen, die hier sind und eine Perspektive haben, hier bleiben zu können und zu wollen, gibt es für mich ein zentrales Ziel: Integration durch Bildung!

 

Dieser Text ist zuerst in Politik & Kultur 06/2015 erschienen.


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