Olaf Zimmermann & Gabriele Schulz - 29. November 2018 Kulturrat_Logo_72dpi-01

Texte zur Kulturpolitik / Wertedebatte

Heimatministerium – Wie soll das gehen?


Das Bundesinnenministerium erweitert seine Kompetenzen und sein Selbstverständnis

Im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD ist vereinbart, dass das Bundesministerium für Inneres (BMI) um die Bereiche „Bau und Heimat“ erweitert wird. Damit wird dieses Ministerium für den Kulturbereich gleich dreifach interessant.

 

Zum einen war und ist das klassische Innenministerium mit seiner Verantwortung für Fragen der Integration und der Religionsgemeinschaften schon immer im Fokus des Kulturbereiches. Bis vor 20 Jahren war auch die Verantwortung für Kulturpolitik in der Bundesregierung in der Abteilung Kultur des Innenministeriums verortet. Durch die Initiierung der Initiative kulturelle Integration durch den Deutschen Kulturrat und die Kooperation unter anderem mit dem Innenministerium wurde die Zusammenarbeit in den letzten zwei Jahren im Bereich Integration deutlich intensiviert. Beide neue Themenfelder des BMI – Bau und Heimat – sind im Kern Kulturthemen und eng miteinander verbunden.

 

Heimatbegriff des neuen Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat
Nach eigenen Angaben legt das Bundesinnenministerium seiner zukünftigen Arbeit ein modernes Verständnis des Heimatbegriffes zugrunde. In einer Antwort auf eine kleine Anfrage von Bündnis 90/Die Grünen gab die Bundesregierung Ende Juli 2018 Auskunft (Bundestagsdrucksache 19/3559):

 

„Heimat ist dort, wo sich Menschen wohl, akzeptiert und geborgen fühlen. Heimat hat nichts mit Enge zu tun, sondern gibt Orientierung und vermittelt einen festen Halt, die Herausforderungen des Lebens zu bestehen und nach vorne zu blicken. Heimatpolitik ist als gemeinsame Gestaltungsaufgabe zu verstehen. Der tiefgreifende Wandel unserer Zeit bewegt viele Menschen in ihrem Lebensalltag.

 

Deutschland hat sich durch Globalisierung, Digitalisierung und Zuwanderung in den letzten Jahren stark verändert. Wenn Gemeinschaften vielfältiger werden, sind die Fragen der Identität und der Identifikation mit unserem Land umso wichtiger. Die Antworten darauf müssen im Kernbereich des Zusammenlebens normativ verbindlich sein. Zu den unverrückbaren Werten zählen nicht nur die Grundrechte als Basis unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung, sondern auch die Achtung und Wertschätzung der hier tradierten Lebensweise.

 

Aber Heimat heißt auch Zukunft und Verständnis, gesellschaftliche Veränderungen anzunehmen und sich mit ihnen auseinanderzusetzen. Denn Heimat war und ist immer auch ein Raum sozialer Beziehungen, Ausgleich und Einbindung – Integration. So verstanden ist Heimat Lebensmöglichkeit und nicht nur Herkunftsnachweis. Heimat ist nicht Kulisse, sondern Element aktiver Auseinandersetzung.

 

Die neue Heimatabteilung wird sich dem entsprechend zum einen mit der Verbesserung des gesellschaftlichen Zusammenhalts, der Identifikation mit unserem Land und der Integration beschäftigen. Sie geht auf das Bedürfnis nach Gemeinschaft, Sicherheit im Alltag, kultureller Identität, Stabilität und einem guten Miteinander ein. Zum anderen wird sich die Abteilung Heimat mit strukturpolitischen Maßnahmen zur Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse kümmern. Hierbei wird sie sich auch der Instrumente der Raumordnungspolitik bedienen.“

 

Zurzeit baut das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat eine neue dreizügige Abteilung Heimat auf, die Staatssekretär Markus Kerber unterstellt ist. Der Wirtschaftswissenschaftler war von 2011 bis 2017 Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), zuvor Leiter der Grundsatzabteilung im Bundesministerium der Finanzen.

 

Gesellschaftlicher Zusammenhalt und Integration
Die Unterabteilung H I hat die Bezeichnung „Gesellschaftlicher Zusammenhalt und Integration“ und setzt sich aus bestehenden Referaten des Stabs „Gesellschaftlicher Zusammenhalt“ und des Stabs „Aussiedlerpolitik; Nationale Minderheiten“ des BMI zusammen. Die Unterabteilung H I wird den folgenden organisatorischen Aufbau erhalten:

 

• Referat H I 1: Grundsatz
• Referat H I 2: Rechtsangelegenheiten und Maßnahmen der Integration
• Referat H I 3: Kirchen, jüdisches Leben, Religionsgemeinschaften
• Referat H I 4: Deutsche Islam Konferenz
• Referat H I 5: Ehrenamt und Bürgerschaftliches Engagement
• Referat H I 6: Aussiedlerpolitik und nationale Minderheiten in Deutschland
• Referat H I 7: Deutsche Minderheiten in Mittel- und Osteuropa (MOE), Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) und Baltikum

Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse
Die Unterabteilung H II hat die Bezeichnung „Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse“ und setzt sich aus neu geschaffenen Referaten sowie dem bestehenden Referat „Demografie“ des BMI zusammen und beinhaltet auch die aus dem Bereich des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) übergegangene Zuständigkeit für den demografischen Wandel. Die Unterabteilung H II soll den folgenden organisatorischen Aufbau erhalten:

 

• Referat H II 1: Grundsatz, Geschäftsstelle, Kommunen
• Referat H II 2: Fördersysteme, Analysen, Heimatberichterstattung
• Referat H II 3: Demografischer Wandel und gleichwertige Lebensverhältnisse
• Referat H II 4: Daseinsvorsorge und gleichwertige Lebensverhältnisse
• Referat H II 5: Mobilität, Technologie, Raum und gleichwertige Lebensverhältnisse
• Referat H II 6: Regionale und kulturelle Identität

 

Raumordnung, Regionalpolitik und Landesplanung
Die Unterabteilung H III hat die Bezeichnung „Raumordnung, Regionalpolitik und Landesplanung“. Sie setzt sich aus den aus dem BMVI übergegangenen Organisationseinheiten „Raumordnung“, Projektgruppe „Bundesraumordnungsplan Hochwasserschutz, Europäische Raumentwicklungspolitik/territorialer Zusammenhalt“ und aus dem Bundesumweltministerium (BMU) übernommenen Zuständigkeiten für die Stadtentwicklungsangelegenheiten der Raumordnung und für den demografischen Wandel sowie dem bestehenden Referat „Geodäsie und Geoinformationswesen“ zusammen. Das Referat H III 6 wird neu geschaffen. Die Unterabteilung H III soll den folgenden organisatorischen Aufbau erhalten:

 

• Referat H III 1: Grundsatz, Raumordnung
• Referat H III 2: Raumordnungsplanung, Raumordnungsrecht
• Referat H III 3: Europäische Raumentwicklungspolitik, territorialer Zusammenhalt
• Referat H III 4: Regionalpolitik, Strukturwandel, Stadtentwicklung
• Referat H III 5: Geoinformationswesen
• Referat H III 6: Grenzüberschreitende regionale Zusammenarbeit

 

Bereits in der Bundestagsdrucksache 19/1578 vom April 2018 hat die Bundesregierung angekündigt, dass für das Politikfeld heimatbezogene Innenpolitik 98 neue Stellen geschaffen werden. Darin enthalten sind die Stellen für die neu eingerichtete Funktion des beamteten Staatssekretärs und dessen Büro. Zusätzlich wurden sechs neue Stellen für das Büro des neuen Parlamentarischen Staatssekretärs geschaffen.

 

Inhaltlich wie strukturell bereitet sich das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat auf eine deutliche Erweiterung seiner Kompetenzen, aber auch seines Selbstverständnisses vor. Der vom Ministerium beschriebene Heimatbegriff ist erfreulich modern und wenig ausgrenzend. Doch bleibt bislang vollständig unklar, wie dieser begrüßenswerte offene Heimatbegriff mit einigen Äußerungen von Bundesinnenminister Horst Seehofer in Deckung zu bringen ist.

 

Noch unklar ist auch, wie das Ministerium seine Aufgaben inhaltlich erfüllen will. Besonders die Frage, ob und wie bundesweite Förderprogramme initiiert werden, scheint noch nicht abschließend geklärt zu sein. Der Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD sieht die Entwicklung eines gesamtdeutschen Fördersystems für strukturschwache Regionen ab dem Jahr 2020 vor. Im Rahmen der Konzipierung des gesamtdeutschen Fördersystems sollen weitere Bundesprogramme daraufhin überprüft werden, ob und wie sie zur Förderung strukturschwacher Regionen beitragen. Besonders ein Bundesprogramm kulturelle Integration ist im Koalitionsvertrag bedauerlicherweise nicht vorgesehen, aber dringend notwendig.

 

Strukturell entwickelt sich das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat zu einem spannenden Ministerium mit (wieder) zunehmender Kulturkompetenz. Nach 20 Jahren kulturpolitischer Abstinenz, scheint das Innenministerium jetzt in den Kulturdebatten wieder mitmischen zu wollen. Die Zusammenarbeit in der Initiative kulturelle Integration hat die Türen zwischen dem Kulturbereich und dem Innenministerium bereits seit zwei Jahren geöffnet. Diese Zusammenarbeit wird auch mit dem erweiterten Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat weitergehen. Darüber hinaus streben wir auch intensive Debatten zu weiteren kulturpolitischen Themen mit dem Innenministerium an. Man darf gespannt sein.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 5/2018.


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