Peter Tauber - 22. Februar 2017 Kulturrat_Logo_72dpi-01

Wahlen 2017

Keine Hofnarren


Künstler sind Staatsbürger

Auf die Frage: „Wie politisch sind die Künste?“ antwortete der viel zu früh verstorbene Theater- und Opernintendant Gerard Mortier: „Alle Kunst ist politisch!“ Natürlich hat Kunst einen ästhetischen Eigenwert, aber Kunst entsteht nicht im luftleeren Raum. Vielmehr fließen gesellschaftliche Zustände in die künstlerische Arbeit mit ein, auch wenn dies unbewusst oder indirekt geschehen mag.

 

Nur wenige große Kulturnationen geben absolut und relativ so viele Mittel für die Kulturförderung aus wie Bund, Länder und Kommunen in Deutschland. Dabei ist allen Beteiligten klar, dass der Staat nicht für Kunst und Kultur zuständig ist, aber sehr wohl für die Bedingungen, unter denen sie stattfinden und sich entfalten können. Als Künstler hat sich Heinrich Schafmeister dafür entschieden, „Lobbypolitik“ für die Kulturschaffenden zu betreiben. Man kann neutraler formulieren: Dass die Künstlerinnen und Künstler ihre Forderungen an die Politik klar benennen, ist ein legitimes Mittel zum Schutz ihrer wirtschaftlichen und sozialen Interessen. Aber erschöpft sich darin tatsächlich der politische Mitgestaltungsanspruch der Kulturschaffenden?

 

Künstlerinnen und Künstler sind als Staatsbürger Teil unserer Gesellschaft. Sie sollten sich mit Politikerinnen und Politikern im besten Sinne um Ziele und Mittel der Politik streiten, auch jenseits von Künstlersozialversicherung oder Urheberrecht. Damit sich Kunst und Politik wechselseitig bereichernd austauschen können, müssen sie in einen Dialog treten. Wie dies geht, zeigen Beispiele aus den 1970er Jahren: Joseph Beuys setzte sich für mehr direkte Demokratie ein, während Heinrich Böll die Ostpolitik Willy Brandts unterstützte. Auch wenn ich nicht alle Überzeugungen teile, für „Hofnarren“ oder „Partei-Maskottchen“ habe ich Beuys und Böll nie gehalten – sondern für Künstler, die Farbe bekannt haben.

 

Wahlkampfzeiten sind Hochfeste der Demokratie: Politiker werben für politische Programme, die sie im Erfolgsfall in demokratisch legitimierte Regierungsverantwortung führen. War in früheren Jahren die Klage zu hören, die Parteien seien kaum noch unterscheidbar, kann dies heute als Ausrede für mangelndes politisches Engagement nicht mehr herhalten. Die Werte und Grundüberzeugungen unserer freien Gesellschaft werden in einem Maße von innen und außen infrage gestellt, wie es selten in der Geschichte der Bundesrepublik der Fall war. Alle demokratischen Kräfte sollten den Hasspredigern, Faktenverdrehern und Ichlingen unserer Zeit argumentativ entgegentreten. Ich möchte die Künstlerinnen und Künstler ermutigen, sich daran zu beteiligen.


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