Michael Kellner - 21. Dezember 2016 Kulturrat_Logo_72dpi-01

Wahlen 2017

Engagement ist eine Notwendigkeit


Reaktion auf die Frage "Dürfen Künstlerinnen und Künstler sich für den Wahlkampf hergeben?"

Wir leben in hochpolitischen Zeiten. In der westlichen Welt stehen die freien und liberalen Demokratien von innen unter Druck, das zeigt nicht zuletzt die Wahl von Donald Trump zum amerikanischen Präsidenten. Deshalb bin ich bei Klaus Staeck und Katarina Barley: Kunstschaffende dürfen und sollen sich politisch einmischen und die gesellschaftlichen Debatten suchen. Viele machen das ja zum Glück bereits. Das ist eine Bereicherung. Denn ich will die Straße und die Debatten nicht denen überlassen, die am lautesten schreien.

 

Deshalb ist mir auch die Frage „Dürfen Künstlerinnen und Künstler sich für den Wahlkampf hergeben?“ zu platt. Sie wertet das Engagement der vielen Aktiven aus meiner Partei ab, die auf offener Straße und im Netz beleidigt und angegriffen werden. Die richtige Frage ist, ob Künstlerinnen und Künstler sich für politische Meinungen und Positionen einsetzen sollen, gerade auch in umkämpften Zeiten. Ich wünsche mir, dass sie sich laut und deutlich für ihre Vorstellungen von Gesellschaft einsetzen – in Wahlkampfzeiten, aber auch davor und danach. Das machen ja auch bereits viele. Ein gutes Beispiel ist die Künstlerinitiative „Geht auch anders“. Sie stellt sich gegen die „Alternativlosigkeit“ und setzt sich mutig für eine bessere Politik ein. Konkret veranstaltet sie Benefiz-Konzerte für Flüchtlinge und bezieht Stellung zu aktuellen Themen, ohne sich klar einer Partei zuzuordnen. Sie steht für das weltoffene Deutschland. Das finde ich gut und davon brauchen wir noch viel mehr.

 

Das Vertrauen in Politik ist auf ein gefährlich niedriges Niveau gefallen. Die Parteien müssen sich hinterfragen, weil sie ein integraler Bestandteil unserer parlamentarischen Demokratie sind. Als Parteien müssen wir neue Antworten finden und klar Unterschiede benennen. Ich glaube aber auch, dass wir von der Kultur lernen können. Z. B. wie erreichen wir Menschen im Zeitalter des Smartphones und wie erklären wir Politik unter den Bedingungen sozialer Medien? Deshalb wünsche ich mir das kreative Engagement Kunstschaffender. Denn im besten Fall zeigt Kunst nicht das Sichtbare, sondern macht das Hintergründige sichtbar.

 

Eine lebendige Gesellschaft lebt vom Austausch vieler Akteure. Diesen Austausch müssen wir beleben, wenn wir unsere offene Gesellschaft schützen wollen. Wenn wir uns ins stille Kämmerlein verdrücken, geht der gesellschaftliche Zusammenhalt sicher verloren. Deshalb sollen sich Künstlerinnen und Künstler für gar nichts hergeben, sondern sich aktiv und mutig einmischen.

 

Der Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 1/2017.


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