Robert Staats & Gabriele Schulz - 12. Juli 2017 Kulturrat_Logo_72dpi-01

Unkategorisiert / Verlegerbeteiligung

Zwei Standbeine


Zu Veränderungen in der VG Wort

Im Jahr 2016 trat das Verwertungsgesellschaftengesetz in Kraft, das von den deutschen Verwertungsgesellschaften deutliche Veränderungen in ihren Satzungen und in der Verwaltungspraxis verlangte. Zugleich stand die VG Wort vor der Herausforderung, mit einem Urteil des Bundesgerichtshofs umzugehen, in dem festgestellt wurde, dass die jahrzehntelange Praxis der Beteiligung von Verlagen an gesetzlichen Vergütungsansprüchen mit europäischem Recht nicht zu vereinbaren war. Gabriele Schulz befragt einen der beiden Geschäftsführer der VG Wort, Robert Staats, zu den Auswirkungen dieser Umstände auf ihre Arbeit.

 

Gabriele Schulz: Herr Staats, die VG Wort hat ein Jahr aufregender und aufreibender Debatten hinter sich. Zum einen das sogenannte Vogel-Urteil des Bundesgerichtshofes, zum anderen die Umsetzung des Verwertungsgesellschaftsgesetzes. Blicken Sie zufrieden zurück?

Robert Staats: Es war ein Jahr mit großen Herausforderungen, die nur durch den sehr bemerkenswerten Einsatz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der VG Wort bewältigt werden konnten. Im Ergebnis sind wir jetzt sehr erleichtert, dass die Mitgliederversammlung der VG Wort im Mai die erforderlichen Beschlüsse gefasst und die neuen Verteilungspläne verabschiedet hat. Damit kann die erfolgreiche Arbeit der VG Wort für Autoren und Verlage fortgesetzt werden.

 

Wenden wir uns als erstes dem Vogel-Urteil zu. Wie liefen die Diskussionen in den unterschiedlichen Berufsgruppen?

Eine sehr wichtige Veränderung im letzten Jahr war der Anstieg der Mitgliederzahlen innerhalb der VG Wort. Sie haben sich mehr als verdoppelt. Das hatte natürlich unmittelbar Auswirkungen auf die Gremien der VG Wort, wie insbesondere die Mitgliederversammlung. Für viele neue Mitglieder war die konkrete Arbeit der VG Wort – und die paritätische Besetzung aller Gremien mit Autoren und Verlagen – wenig bekannt. Es ging deshalb im vergangenen Jahr auch um ein gemeinsames Kennenlernen.

 

In welchem Bereich ist der Mitgliederaufwuchs denn besonders stark?

Viele neue Mitglieder gehören der Berufsgruppe 2, der Berufsgruppe der Journalisten, an. Es gibt aber auch eine Reihe von Neuzugängen in den beiden anderen Berufsgruppen der Urheber, bei den belletristischen und den wissenschaftlichen Autoren.

 

Mussten Sie für diese Besonderheit der VG Wort, die auf zwei Beinen steht – dem Autoren- und dem Verlegerbein – werben?

Zumindest war es sehr wichtig, deutlich zu machen, welche Vorteile die gemeinsame Rechtewahrnehmung für Autoren und Verlage innerhalb einer Verwertungsgesellschaft hat. Das ging in beide Richtungen, gegenüber den Autoren und den Verlagen. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs in der Sache Vogel ./. VG Wort hatte die Grundlage der VG Wort, die stets eine Verwertungsgesellschaft von Autoren und Verlagen war, konkret infrage gestellt. Erfreulicherweise hatte sich aber die große Mehrheit der Mitglieder bereits in der Mitgliederversammlung der VG Wort im Juni 2016, kurz nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs, klar dafür ausgesprochen, die gemeinsame Rechtewahrnehmung fortzusetzen.

 

Wie ist dieser Diskussionsprozess auf der Verlegerseite verlaufen?

Nun, die Verleger waren – und sind – von der Entscheidung des BGH in besonderer Weise betroffen, weil die VG Wort ab Herbst 2016 die zu Unrecht erfolgten Auszahlungen für die Jahre 2012 bis 2015 zurückfordern musste. Das ist alles andere als eine leichte Situation. Gleichwohl haben auch die Verlagsvertreter in den Gremien der VG Wort die erforderlichen Beschlüsse mitgetragen, um die VG Wort als gemeinsame Verwertungsgesellschaft zu erhalten.

 

Warum ist aus Ihrer Sicht eine gemeinsame Verwertungsgesellschaft nach wie vor der richtige Ansatz?

Dafür gibt es eine Reihe von sehr guten Gründen. Besonders wichtig ist aus meiner Sicht, dass eine effektive Durchsetzung von Rechten und Vergütungsansprüchen am besten gelingt, wenn diese Ansprüche von einer Organisation gebündelt geltend gemacht werden können. Nicht vergessen werden sollte auch, dass Autoren und Verlage vielfach übereinstimmende Interessen verfolgen und eine gemeinsame Organisation mit paritätisch besetzten Gremien und gemeinsamen Sozial- und Fördereinrichtungen hier von erheblichem Vorteil sein kann.

 

Der Börsenverein hatte seinerseits davor gewarnt, dass ein erheblicher Teil an Verlagen die Rückzahlungen nicht überstehen würden. Wie schätzen Sie jetzt die Situation bei den Rückzahlungen ein?

Die VG Wort hatte bekanntlich die Möglichkeit eingeräumt, dass Autoren zugunsten ihrer Verlage auf Nachforderungsansprüche verzichten konnten. Ein solcher Verzicht war bis Ende Februar 2017 möglich. Derzeit wertet die VG Wort die Verzichtserklärungen aus und wird anschließend die Verlage auffordern, die offenen Beträge zurückzuzahlen. Wie die Situation insgesamt zu bewerten ist, wird sich deshalb erst jetzt zeigen. Eine Reihe von Verlagen hat aber bereits Rückzahlungen geleistet, einige Verlage haben auch Stundungsanträge gestellt. Soweit Stundungsvereinbarungen mit Ratenzahlungen abgeschlossen wurden, werden diese nach unserem bisherigen Eindruck pünktlich erfüllt.

 

Diese schwierige Situation, der die VG Wort sich stellen musste, ist zu einem Zeitpunkt eingetreten, in dem die VG Wort ein hervorragendes Geschäftsergebnis vorweist und im Prinzip richtig was zu verteilen hat.

Das ist richtig. Wir hatten im letzten Jahr das zweitbeste Ergebnis, welches die VG Wort jemals erzielt hatte; in diesem Jahr war es das drittbeste Ergebnis. Für die Verlage hängt allerdings eine Beteiligung bei den Einnahmen aufgrund der gesetzlichen Vergütungsansprüche davon ab, ob ihre Urheber dem zustimmen.

 

Diese Zustimmungslösung beruht auf gesetzlichen Änderungen, die der Deutsche Bundestag Ende 2016 beschlossen hatte. Auf der europäischen Ebene liegt ein Vorschlag der Kommission vor, einen originären Beteiligungsanspruch der Verlage zu schaffen. Wie schätzen Sie diesen Vorschlag ein?

Die vorgeschlagene Regelung würde dazu führen, dass Verlage stets an den Einnahmen der Verwertungsgesellschaften aufgrund von gesetzlichen Vergütungsansprüchen beteiligt werden könnten. Hierfür gibt es sehr
gute Gründe und es entspricht dem, was über viele Jahre die Geschäftsgrundlage bei allen Verwertungsgesellschaften war, die Rechte für Urheber und Verlage gemeinsam wahrzunehmen.

 

Welche weiteren Aufgaben liegen vor der VG Wort?

Es bleibt weiterhin die zentrale Aufgabe, angemessene Vergütungen für die Wahrnehmungsberechtigten der VG Wort durchzusetzen. Nach wie vor ist der wichtigste Einnahmenbereich die Geräte- und Speichermedienvergütung für gesetzlich erlaubte Vervielfältigungen. Es wird aber auch darum gehen, neue Vergütungsmöglichkeiten zu erschließen, die dem veränderten Nutzungsverhalten in der digitalen Welt Rechnung tragen. Dazu gehört es auch, Lizenzierungsmöglichkeiten zu prüfen, die – anders als bei gesetzlichen Vergütungsansprüchen – auf der Vergabe von Nutzungsrechten beruhen. Die Entscheidung, wie die VG Wort hier tätig werden kann, liegt dabei stets bei den Mitgliedern, die in der Mitgliederversammlung über entsprechende Änderungen des Wahrnehmungsvertrages entscheiden. Abzuwarten ist schließlich, ob das sehr umstrittene Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetz noch in dieser Wahlperiode verabschiedet wird. Auch hier würden neue Aufgaben auf die VG Wort zukommen.

 

Lassen Sie uns zum Schluss noch kurz zum Verwertungsgesellschaftengesetz, kurz VGG, kommen. Wie sieht hier die Umsetzung in der VG Wort aus?

Die Vorgaben des VGG haben wir im Wesentlichen umgesetzt. Dazu gehören die Änderungen von Satzung, Wahrnehmungsvertrag und Verteilungsplan, aber auch eine Vielzahl von Änderungen der administrativen Abläufe innerhalb der VG Wort. Die letzte Mitgliederversammlung wurde bereits auf der Grundlage der Regelungen des VGG durchgeführt. Das bedeutete auch, dass eine elektronische Abstimmung im Vorfeld ermöglicht wurde und die Versammlung von abwesenden Mitgliedern im Livestream verfolgt werden konnte. Insgesamt sollten die Erfahrungen mit dem neuen VGG sorgfältig ausgewertet und gegebenenfalls Änderungen durch den europäischen oder nationalen Gesetzgeber angeregt werden.

 

Herzlichen Dank.


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