Robert Staats - 29. Oktober 2020 Kulturrat_Logo_72dpi-01

Urheberrecht

Kollektive Rechtewahrnehmung


Verwertungsgesellschaften

Die GEMA kennt jeder, aber wussten Sie, dass es in Deutschland derzeit 13 zugelassene Verwertungsgesellschaften gibt?

 

Historisch sind die ersten Verwertungsgesellschaften in Deutschland im frühen 20. Jahrhundert entstanden, weil bestimmte urheberrechtliche Nutzungsrechte, wie insbesondere das Aufführungsrecht, nicht mehr von dem einzelnen Urheber oder Verlag kontrolliert werden konnten. Dabei ging es zunächst um die Nutzung von Werken der Musik, später kamen andere Werkkategorien dazu. An dieser Grundkonstellation hat sich bis heute nichts geändert: Verwertungsgesellschaften werden immer dann tätig, wenn eine individuelle Wahrnehmung von Rechten entweder nicht möglich oder aber nicht gewünscht ist. Sie engagieren sich dabei stets für mehrere Rechtsinhaber, häufig geht es um eine sehr große Anzahl. Die Arbeit von Verwertungsgesellschaften wird deshalb traditionell auch als „kollektive“ Rechtewahrnehmung beschrieben.

 

Eine zentrale Aufgabe der Verwertungsgesellschaften liegt dabei darin, angemessene Vergütungen für die von ihnen vertretenen Urheber und Rechtsinhaber sicherzustellen. Das zeigt sich schon darin, dass es im Urheberrechtsgesetz eine Reihe von gesetzlichen Vergütungsansprüchen gibt, die nur von Verwertungsgesellschaften wahrgenommen und durchgesetzt werden können. Ein besonders wichtiges Beispiel ist dabei der Vergütungsanspruch für gesetzlich erlaubte private Vervielfältigungen.
Die bereits erwähnte GEMA ist die älteste und größte Verwertungsgesellschaft in Deutschland. Neben der GEMA, die die Rechte von Komponisten, Textdichtern und Verlagen vertritt, gibt es beispielsweise auch die GVL, die Rechte für ausübende Künstler und Tonträgerproduzenten wahrnimmt, die VG WORT, die für Urheber von Sprachwerken und ihren Verlagen tätig wird oder die VG Bild-Kunst, die unter anderem bildende Künstler, Fotografen, Verlage und Regisseure von Filmen zu ihren Mitgliedern zählt.

 

Alle Verwertungsgesellschaften, ob größer oder kleiner, funktionieren nach demselben Muster: Die Rechtsinhaber räumen ihnen vertraglich Nutzungsrechte ein oder treten gesetzliche Vergütungsansprüche ab. Das geschieht aber nicht, damit die Verwertungsgesellschaften sie für sich selbst nutzen. Vielmehr vergeben sie die Rechte gegen Entgelt an Dritte oder ziehen für gesetzlich erlaubte Nutzungen Vergütungen ein. Die Einnahmen werden anschließend an die Rechtsinhaber verteilt, dieser Vorgang nennt sich im Branchenjargon „Ausschüttung“. Grundlage für die Verteilung ist dabei stets ein gemeinsamer Verteilungsplan, der ein zentrales Element der kollektiven Rechtewahrnehmung ist. Die Verwertungsgesellschaften in Deutschland verfolgen dabei keine eigenen Gewinnerzielungsabsichten, vielmehr werden sämtliche Einnahmen nach Abzug der Verwaltungskosten an die Berechtigten verteilt.

 

Eine Besonderheit ist, dass Verwertungsgesellschaften einem zweifachen „Kontrahierungszwang“ unterliegen. Sie sind auf der einen Seite verpflichtet, mit allen Rechtsinhabern innerhalb ihres Tätigkeitsbereichs Verträge abzuschließen. Auf der anderen Seite sind sie aber auch verpflichtet, interessierten Nutzern Rechte einzuräumen oder Verträge über Vergütungen abzuschließen. Diese Kontrahierungszwänge gibt es deshalb, weil es sich bei Verwertungsgesellschaften typischerweise um faktische Monopole handelt, bei denen sich Rechtsinhaber oder Nutzer nicht einfach an einen alternativen Anbieter wenden können. „Faktisches Monopol“, das klingt zunächst einmal nicht so gut. Bei der kollektiven Rechtewahrnehmung hat aber eine starke Marktposition sowohl aus Sicht der Rechtsinhaber als auch der Nutzer erhebliche Vorteile. Die Rechtsinhaber können ihre Rechte bündeln und damit gut vermarkten und die Nutzer müssen sich lediglich an eine zentrale Stelle wenden, um Rechte zu erwerben oder Vergütungen zu zahlen.

 

Im Übrigen unterliegen Verwertungsgesellschaften einer staatlichen Kontrolle, sie wird bei den Verwertungsgesellschaften vor allem durch das Deutsche Patent- und Markenamt (DPMA) als Aufsichtsbehörde für Verwertungsgesellschaften ausgeübt. Außerdem gibt es ein besonderes Gesetz, welches auf Verwertungsgesellschaften Anwendung findet: das Verwertungsgesellschaftengesetz (VGG). Es enthält detaillierte Regelungen zu den Rechten und Pflichten von Verwertungsgesellschaften, aber auch zur Aufsicht durch das DPMA und sieht nicht zuletzt Verfahrensregelungen für eine Schiedsstelle beim DPMA vor, die für bestimmte Streitigkeiten unter Beteiligung von Verwertungsgesellschaften zuständig ist.

 

Verwertungsgesellschaften sind aber nicht nur Manager von Rechten, sondern erfüllen seit jeher auch soziale und kulturelle Aufgaben. So gibt es beispielsweise bei Verwertungsgesellschaften wichtige Sozialfonds, die in Not geratene Urheberinnen und Urheber unterstützen. Auch Unterstützungen für die Altersversorgung werden teilweise angeboten. Ferner bestehen bei einigen Verwertungsgesellschaften Fonds für eine Förderung von kulturell bedeutsamen Werken.

 

International sind Verwertungsgesellschaften über sogenannte Repräsentationsvereinbarungen mit ihren Schwestergesellschaften im Ausland verbunden. So kann sichergestellt werden, dass auch die Nutzung von ausländischem Repertoire in Deutschland vergütet wird – und umgekehrt Zahlungen für die Nutzung von deutschem Repertoire im Ausland möglich ist.

 

Verwertungsgesellschaften wurden zwar vor allem im letzten Jahrhundert gegründet, sie sind aber keineswegs aus der Zeit gefallen, sondern erfüllen gerade in der digitalen Welt, in der Massennutzungen von urheberrechtlich geschützten Werken selbstverständlich geworden sind, eine besonders wichtige Rolle. Aus gutem Grund sieht deshalb der aktuelle Gesetzentwurf zur Anpassung des Urheberrechts an die Erfordernisse des digitalen Binnenmarktes eine Reihe von Bestimmungen vor, die sich unmittelbar auf den Einsatz von Verwertungsgesellschaften beziehen. Hervorzuheben sind hier die Regelungsvorschläge für sogenannte kollektive Lizenzen mit erweiterter Wirkung, die unter bestimmten Voraussetzungen eine Rechtevergabe auch für Rechtsinhaber ermöglichen, die keinen Vertrag mit einer Verwertungsgesellschaft abgeschlossen haben.

 

Auch wenn Verwertungsgesellschaften einem permanenten rechtlichen, organisatorischen und technischen Wandel unterzogen sind, in einem Punkt werden sie sich voraussichtlich nicht ändern: Sie sind Einrichtungen der kollektiven Rechtewahrnehmung, bei der es stets um Regelungen für eine Vielzahl von Rechtsinhabern geht. Das ist zwangsläufig mit gewissen Pauschalierungen und Vereinfachungen verbunden, aber auch mit Solidarität und Verständigung in den zuständigen Gremien. Eine individuelle Rechtewahrnehmung, bei der es um die optimale Verwertung eines einzelnen Werkes zugunsten einer einzelnen Urheberin oder eines einzelnen Urhebers geht, können andere besser.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 11/2020.


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