Tabea Rößner - 24. Mai 2019 Kulturrat_Logo_72dpi-01

EU-Urheberrechtsreform

Bündnis 90/Die Grünen: Ausgewogenheit


Die nationale Umsetzung der EU-Urheberrechtsrichtlinie

Das Urheberrecht ist auf europäischer Ebene auf neue Beine gestellt worden. Das war auch dringend notwendig, um es fit für das digitale Zeitalter zu machen. Die meisten Neuerungen der Richtlinie sehe ich positiv. Leider hat sich die Diskussion im vergangenen Jahr vor allem um den Artikel 17 gedreht, der die Haftung von Internetplattformen bei Urheberrechtsverletzungen vorsieht. Nun müssen wir die EU-Urheberrechtsrichtlinie in den nächsten zwei Jahren umsetzen. Es ist abzusehen, dass diese Aufgabe ein Spagat zwischen den Interessen der Kulturschaffenden, der Nutzerinnen und Nutzer und der Plattformanbieter wird. Der Schwerpunkt muss auf dem angemessenen Ausgleich der Interessen liegen. Ausgewogenheit, Sachlichkeit und Klarheit müssen das Maß der Stunde sein. Die Richtlinie bildet dafür zunächst den rechtlichen Rahmen, wobei die Protokollerklärung die Bundesregierung darüber hinaus zumindest politisch bindet.

 

Ein Ansatzpunkt wird der Anwendungsbereich der Haftung sein. Vor dem Hintergrund der Diversität der Plattformen bedarf es einer klaren Begrenzung von einer speziellen Haftung auf solche, die mit Gewinnerzielungsabsicht die geschützten Inhalte Dritter verwerten. Solche Geschäftsmodelle sind anders zu bewerten als die von vielen anderen Plattformen.

 

Zweitens wird zu prüfen sein, inwiefern eine rein technische Vorfilterungspflicht im Rahmen der Richtlinie ausgeschlossen werden kann. Dabei sind Vorschläge mit Bedacht zu wählen, da eine richtlinienwidrige Umsetzung nur mehr Rechtsunsicherheit schafft. Als letztes Mittel muss die Bundesregierung die Richtlinie auf EU-Ebene nachverhandeln. Artikel 17 stellt zunächst ein komplexes Mehrebenensystem der Haftung auf. Ein Anknüpfungspunkt wird die Ausgestaltung dieses Prozesses sein, wo ein vorgeschaltetes Filtersystem nicht erforderlich ist. Plattformen nehmen einen immer wichtigeren Ort der Informationsbeschaffung und der sozialen Interaktion ein. Dieser Bedeutung muss auch die Umsetzung der Richtlinie gerecht werden.

 

Auf der anderen Seite dürfen wir jedoch nicht die legitimen Interessen der Kulturschaffenden aus dem Blick verlieren. Mit der fortschreitenden Digitalisierung unserer Gesellschaft muss auch die Verfügungshoheit der Kulturschaffenden über ihre Inhalte im digitalen Zeitalter kongruent weiterentwickelt werden. Im Ergebnis muss sichergestellt werden, dass die Gewinne, welche aus der Verfügbarkeit von Inhalten entstehen, zunächst einmal den Rechteinhabern zustehen. Ebenso muss gewährleistet werden, dass Inhalte im Netz nicht verfügbar sind, wenn deren Urheberinnen und Urheber das nicht wollen. Dies darf nicht an einen unzumutbaren Aufwand geknüpft sein. Des Weiteren muss geprüft werden, ob es einer Strukturierung der Rechtewahrnehmung durch kollektive Lizenzvergabe mit erweiterter Wirkung in Artikel 12 bedarf. Letztlich steht im Raum, ob die Richtlinie zum Anlass genommen wird, über ihre Mindestanforderungen hinauszugehen und beispielsweise die problematischen Total-Buy-Out-Verträge deutlich einzuschränken.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 06/2019.


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