Was schützt das Urheberrecht?

Urheberrecht ist Werkschutz. Um ein Werk im Sinne des Urheberrechtsgesetzes handelt es sich aber nur, wenn die Voraussetzungen für eine „persönliche geistige Schöpfung“ vorliegen. Das klingt fast biblisch, steht aber exakt so im Gesetz. Was aber ist eine persönliche geistige Schöpfung? Mit dieser Frage befassen sich juristische Kommentare und Lehrbücher auf vielen Seiten. Dabei wird zumeist nach verschiedenen Werkkategorien, wie beispielsweise Sprachwerke, Werke der Musik, Werke der bildenden Kunst, Lichtbildwerke oder Filmwerke unterschieden. Diese finden sich im Gesetz aufgezählt, die Liste der dort genannten Werkarten ist aber keineswegs abschließend. Und es bleibt in jedem Fall dabei, dass es sich um eine persönliche geistige Schöpfung handeln muss. Einigkeit besteht darin, dass bloße Ideen nicht geschützt sind. Gleiches gilt für einen bestimmten Schreibstil oder eine besondere Maltechnik. Geschützt ist vielmehr nur die konkrete Gestaltung eines Werkes. Die bloße Idee zu einem Roman ist demnach urheberrechtlich nicht geschützt, die schriftliche Fassung aber ohne jeden Zweifel. Gleiches kann auch schon für Entwürfe oder Manuskripte gelten, wenn diese bereits hinreichend ausgestaltet sind. Nicht alles, was eine Form erhalten hat, genießt aber bereits einen urheberrechtlichen Schutz. Vielmehr muss eine bestimmte „Gestaltungshöhe“ erreicht werden, es darf sich also nicht um eine gänzlich alltägliche Produktion handeln, sondern um eine Leistung, der eine gewisse Originalität zukommt. Sehr hoch wird dabei die Messlatte allerdings nicht gelegt. Vielmehr ist auch die sogenannte „kleine Münze“ geschützt.

 

Zugegeben: Das klingt alles etwas schwammig. Viel genauer lässt es sich aber leider kaum sagen. Gelegentlich landen Streitfälle vor Gericht und auch hier lässt sich häufig nur schwer einschätzen, wie die Gerichte im Ergebnis entscheiden werden. Dabei geht es nicht nur um Verfahren vor deutschen Gerichten, auch der Europäische Gerichtshof (EuGH) befasst sich mit dem urheberrechtlichen Werkbegriff. So hat der EuGH in der berühmten „Infopaq“-Entscheidung einen Urheberrechtsschutz bereits bei elf aufeinander folgenden Wörtern für möglich gehalten (EuGH, Urteil vom 16.7.2009 – C-5/08). Es wäre auf der anderen Seite aber zu einfach, den Schutz von Schriftwerken lediglich an einer bestimmten Anzahl von Wörtern festzumachen. Vielmehr hat der EuGH in einem neueren Urteil, in der es um die Veröffentlichung von militärischen Lageberichten, den sogenannten „Afghanistan-Papieren“, ging, erneut deutlich gemacht, dass es entscheidend darauf ankommt, ob der Urheber „seinen schöpferischen Geist in origineller Weise“ zum Ausdruck gebracht und freie kreative Entscheidungen getroffen hat; geistige Anstrengungen oder Sachkenntnis für sich genommen sind dagegen unerheblich. (EuGH, Urteil vom 29.7.2019 – C-469/17).

 

Wie aber würden Sie – auf der Grundlage des soeben gesagten – folgenden Fall entscheiden, mit dem sich – ausweislich einer Pressemitteilung vom 20. Dezember 2019 (6 W 927/19) – kürzlich die Münchener Gerichte befasst haben: Das berühmte Zitat „Früher war mehr Lametta« aus dem Sketch „Weihnachten bei Hoppenstedts“ von Loriot war auf T-Shirts gedruckt und kommerziell vertrieben worden. Dagegen wandten sich die Erben von Loriot. Es kam darauf an, ob die weihnachtliche Provokation von Opa Hoppenstedt urheberrechtlich geschützt war. Originalität? Kreativität? Das Landgericht und das Oberlandesgericht München haben einen Werkschutz verneint, weil die erforderliche Schöpfungshöhe nicht erreicht sei. Sie hätten anders entschieden? Das zeigt, wie schwierig die Abgrenzung ist.

 

Auch Bearbeitungen genießen Werkschutz, wenn es sich um persönliche geistige Schöpfungen handelt. Das ist beispielsweise bei Übersetzungen regelmäßig der Fall. Geht es nicht um die Gestaltung eines inhaltlichen Stoffes durch den Urheber, sondern um eine Auswahl und Anordnung von einzelnen Elementen, die in einer Sammlung zusammengefasst werden, so kommt ein Schutz als Sammelwerk in Betracht. Das Besondere ist hier, dass es sich bei der Auswahl und Anordnungsentscheidung um eine persönliche geistige Schöpfung handeln muss. Davon ist beispielsweise bei Gedichtanthologien auszugehen. Geschützt sind schließlich auch Datenbankwerke sowie Computerprogramme. Kein Urheberrechtsschutz besteht dagegen kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung bei amtlichen Werken, wie Gesetzen, Verordnungen oder Gerichtsentscheidungen; diese sollen für die Allgemeinheit frei zugänglich sein.

 

Wichtig ist, dass urheberrechtlich geschützte Werke nur durch Menschen, nicht aber durch Tiere oder Maschinen geschaffen werden können. Wie aber geht man mit Presseartikeln, Bildern oder Musikstücken um, die aufgrund von künstlicher Intelligenz (KI) autonom entstehen? Nach geltendem Recht ist die Sache klar: Ein Urheberrechtsschutz scheidet aufgrund des Schöpferprinzips aus. Dennoch wird ein etwaiger Schutz von KI-Erzeugnissen derzeit besonders intensiv diskutiert. Wie auch immer rechtliche Lösungen am Ende aussehen könnten, an dem persönlichkeitsrechtlichen Ansatz des Urheberrechts sollte nicht gerüttelt werden.

 

Auf den Werkbegriff kommt es nicht an, soweit es um den Schutz von Leistungen durch sogenannte „verwandte Schutzrechte“ geht. Diese Rechte stehen beispielsweise Musikern und Schauspielern oder Film- und Tonträgerproduzenten zu. Derartige Leistungsschutzrechte verfolgen ein anderes Schutzkonzept als das Urheberrecht; hierauf wird später noch einzugehen sein. Fortsetzung folgt.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 03/2020.

Robert Staats
Robert Staats ist Geschäftsführendes Vorstandsmitglied der VG Wort und Vorsitzender des Fachausschusses Urheberrecht des Deutschen Kulturrates.
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