Olaf Zimmermann & Gabriele Schulz - 28. Mai 2020 Kulturrat_Logo_72dpi-01

Corona vs. Kultur / Texte zur Kulturpolitik

Warten auf ….


Wann kommt der Kulturinfrastrukturfonds?

Nicht “Warten auf Godot”, wie das berühmte Theaterstück von Samuel Becket heißt, sondern mit “Warten auf den Kulturinfrastrukturfonds” kann die aktuelle Situation, am 27. Mai, der absoluten Deadline zur Übergabe der Zeitung an die Druckerei, überschrieben werden. Wie Estragon und Wladimir, die beiden Protagonisten jenes Schlüsselwerks des absurden Theaters, das gesamte Stück hindurch auf den besagten Godot warten, so wartet die gesamte Kulturszene auf das vom Deutschen Kulturrat schon seit Anfang März geforderte und mittlerweile auch von Bundeskanzlerin Angela Merkel, Finanzminister und Vizekanzler Olaf Scholz sowie Kulturstaatsministerin Monika Grütters angekündigte Konjunkturprogramm für die Kultur bzw. einen Kulturinfrastrukturfonds.

 

Schnelle Soforthilfen

 

Nachdem im März dieses Jahres der Lockdown beschlossen wurde und fast von einem Tag auf den anderen alle Veranstaltungen abgesagt wurden, Theater, Museen, Bibliotheken, Musikschulen, soziokulturelle Zentren und viele andere Einrichtungen schließen mussten, begann die Phase der Schadenbegrenzung. Der Bund unternahm schnell Sofortmaßnahmen für geförderte Einrichtungen und Projekte. Am 13. März wurde beschlossen, dass bestehende Förderprogramme geschärft bzw. umgesteuert werden, um Künstlerinnen und Künstler zu unterstützen. Am 23. März wurden vom Bundeskabinett als Soforthilfemaßnahmen die Betriebsmittelzuschüsse für Kleinunternehmen und Soloselbständige, der Sozialschutzpakt, also die Sonderregelungen in der Grundsicherung für sechs Monate, und die Erhöhung von Schutzmaßnahmen im Mietrecht, im Insolvenzrecht und anderem mehr beschlossen.

 

Nachdem der Deutschen Bundestag und der Bundesrat in Windeseile diese und weitere Hilfen beschlossen hatten, konnten die Unterstützungsmaßnahmen zum 1. April in Kraft treten. Die Abwicklung der Betriebsmittelzuschüsse erfolgt über die Investitionsbanken der Länder. Berlin und Nordrhein-Westfalen hatten schon vorher Hilfsprogramme für Künstlerinnen und Künstler aufgelegt, die aber schnell überzeichnet waren.

 

Für Unternehmen erweist sich besonders die Flexibilisierung beim Kurzarbeitergeld als bedeutsame Maßnahme. In einer Befragung, die der Deutsche Kulturrat zusammen mit dem Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativwirtschaft bei Verbänden der Kultur- und Kreativwirtschaft vom 20. bis 26. April 2020 durchgeführt hat, wurde auf einer Scala von 5 für sehr gut bis 1 für sehr schlecht, die Flexibilisierung beim Kurzarbeitergeld mit einem Wert von 3,42 als beste Maßnahme eingeschätzt. Gefolgt vom Wert von 3,17 für Steuerstundungen, 3,11 für die Öffnung der Grundsicherung und 3,08 für die Zuschussprogramme für Soloselbständige und Kleinunternehmen.

 

Besonders erstaunt dabei das relativ gute Abschneiden der Öffnung der Grundsicherung, da gerade die Maßnahme oftmals gescholten wurde. Deutlich schlechter mit einem Wert von 2,02 schnitten die Darlehensprogramme ab, die über die Hausbanken vermittelt werden. Hier zeigt sich wieder einmal, dass bei vielen Banken nach wie vor wenig Verständnis für die Besonderheiten der Kultur- und Kreativwirtschaft besteht. Mit 2,24 wurde das Zusammenwirken von Bund und Ländern bewertet.

 

Mehr als die Hälfte der Verbände, die geantwortet hatten, gaben an, dass ihre Mitglieder bereits Liquiditätsengpässe haben. 20 Prozent gaben Liquiditätsengpässe für die nächsten drei Monate an.

 

Über die Bereitstellung von spezifischen Hilfsprogrammen für Soloselbständige über die Grundsicherung hinaus fordern die Verbände eine Nachsteuerung und Anpassung bestehender Programme bzw. ein eigenes Hilfsprogramm, das die spezifischen Besonderheiten der Kultur- und Kreativwirtschaft mit ihren Branchen- und Akteursstrukturen bedarfsgerecht berücksichtigt.

 

Die derzeitigen Bundes- und Länderprogramme sind demnach nicht für alle Wirtschaftszweige und Unternehmensformen der Kultur- und Kreativwirtschaft zugänglich bzw. werden als nicht ausreichend bewertet. So wird für einige Kleinstunternehmen und KMU festgestellt, dass diese entweder nicht den Kriterien für die Aufnahme in bestehende Programme entsprechen oder dass die Mittel aus zugänglichen Programmen aufgrund besonderer Kosten- und Personalstrukturen der Betriebe nur für einen kurzen Zeitraum ausreichen.

 

Sukzessive weitere Hilfsmaßnahmen

 

Sukzessive wurden vom Bund und den Ländern weitere Hilfsmaßnahmen auf den Weg gebracht. Die Mehrzahl der Länder unterstützen Künstlerinnen und Künstler in Form von Stipendien, seien es Mikrostipendien, Arbeitsstipendien und anderes mehr.

 

Als letztes Bundesland hat Bayern ein eigenes Unterstützungsprogramm für in der Künstlersozialversicherung Versicherte auf den Weg gebracht. Die Länder sind dabei sowohl was die Beantragung der Mittel, die Summen und die genaue Beschreibung der Zielgruppe angeht jeweils eigene Wege gegangen, sodass ein Vergleich kaum möglich ist.

 

Darüber hinaus wurden von den Kulturministerien der Länder weitere Maßnahmen für öffentliche Kultureinrichtungen oder auch Kulturvereine auf den Weg gebracht. Einige Länder wie z. B. Hamburg oder Berlin haben ferner Unterstützungsmaßnahmen für die Kulturwirtschaft ergriffen.
Zur Sicherung der Liquidität von Veranstaltern wurde eine befristete Gutscheinlösung eingeführt, die es Veranstaltern ermöglicht, statt einer Erstattung von Eintrittsgeldern Gutscheine auszureichen. Diese Gutscheine müssen bis zum 31. Dezember 2021 eingelöst werden, sollte dies nicht gelingen, müssen die Veranstalter den Ticketpreis erstatten.

 

Langsame Öffnung

 

Als erste Kultureinrichtungen konnten Bibliotheken ab dem 17. April unter Einschränkungen wieder öffnen. Viele konzentrieren sich nach wie vor auf die Ausleihe und Rückgabe von Medien. Für den normalen Publikumsverkehr sind die meisten Bibliotheken nach wie vor noch nicht geöffnet.

 

Seit Ende April können Museen und Gedenkstätten ihre Tore wieder öffnen. Auch hier gelten strenge Hygienemaßnahmen. Die Öffnung wird unter anderem durch das Programm “Neustart” des Bundes unterstützt. Hier können Zuschüsse für Schutz- und Vorsorgemaßnahmen beantragt werden.

 

Das Programm, das im ersten Schritt mit 10 Millionen Euro ausgestattet war, war innerhalb kurzer Zeit erschöpft. Inzwischen wurde “Neustart” um zusätzliche 10 Millionen Euro aufgestockt.

 

Am 20. Mai wurden weitere Lockerungen von Bund und Ländern nun für Theater und Konzerthäuser beschlossen. Die Länder passen ihre Allgemeinverfügungen aktuell sukzessiv an.

 

Großveranstaltungen sind nach wie vor bis zum 31. August 2020 untersagt. Ebenso ist noch nicht die Rede davon Clubs oder ähnliches zu öffnen.

 

Normalbetrieb noch nicht in Sicht

 

Auch wenn langsam immer mehr Einrichtungen und Unternehmen ihre Arbeit wieder aufnehmen, ist ein Normalbetrieb noch nicht in Sicht. Das ist auch richtig so, denn das Virus ist nicht besiegt und immer wieder flammen Ausbreitungsherde auf. Die langsame Öffnung verlangt Disziplin, Geduld und Mittel.

 

Hygienemaßnahmen sind erforderlich, die Umstellung auf Online-Tickets verlangen teilweise zusätzliche Investitionen, Aufstockung beim Reinigungspersonal und vieles andere mehr verursachen zuerst einmal Kosten, denen keine entsprechenden Einnahmen gegenüberstehen, denn viele scheuen offenbar noch den Besuch von Kultureinrichtungen.

 

Kulturinfrastrukturfonds

 

Am 30. April verabschiedete der Deutsche Kulturrat seine Resolution “Konjunkturprogramm für die Kultur” in der er die Forderung nach einem Kulturinfrastrukturfonds konkretisierte. Unter anderem steht darin,
• dass die verschiedenen künstlerischen Sparten und Handlungsfelder in den Blick genommen werden müssen,
• dass sich der Fonds an Vereine, Einrichtungen, Unternehmen und Soloselbständige richten sollte,
• dass das Ziel sein soll, Kulturstrukturen zu erhalten und neue Wege zur Zukunftsfähigkeit zu ermöglichen,
• dass mit dem Kulturinfrastrukturfonds die Voraussetzungen geschaffen werden, dass jetzt und in Zukunft Umsätze im Kultur- und Medienbereich erzielt werden können, die wiederum Aufträge und Beschäftigung induzieren.

 

Als besonders wichtig wurde herausgestellt, dass der Kulturinfrastrukturfonds bis zum 31. Dezember 2021 angelegt und entsprechend finanziell ausgestattet ist. Im Kulturinfrastrukturfonds müssen die Mittel nach transparenten bereichs-, branchen- bzw. spartenspezifischen Kriterien vergeben werden, der Sach- und Fachverstand weiterer Akteure aus der Kultur und der Kreativwirtschaft sollte dabei einbezogen werden.

 

In der erwähnten Befragung der Bundesverbände der Kultur- und Kreativwirtschaft wurde der Kulturinfrastrukturfonds als wichtigste Maßnahme genannt, um die Kultur- und Kreativwirtschaft aus der Krise zu führen.

 

Aus der Bundesregierung ist zu hören, dass in der Woche nach Pfingsten, also der ersten Juniwoche, weitere Maßnahmen, so auch ein Konjunkturprogramm für die Kultur, vorgestellt werden. Es wird dann auch Zeit, denn die Soforthilfen sind bis Ende Juni befristet und viele Unternehmen, Vereine und Einrichtungen aus dem Kultur- und Medienbereich konnten mangels Passfähigkeit an den bestehenden Hilfsmaßnahmen nicht partizipieren. Sie warten dringend auf Hilfe.

 

Hoffen wir also, dass, anders als Godot, der Kulturinfrastrukturfonds tatsächlich kommt, denn die Kultur kann nicht mehr länger warten.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 06/2020.


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