Alexander Skipis - 11. November 2021 Kulturrat_Logo_72dpi-01

Texte zur Kulturpolitik

Position zum E-Lending in den öffentlichen Bibliotheken: Buchhandel


Debatte zur digitalen Ausleihe und der Kampagne "Fair Lesen"

Die Initiative „Fair Lesen“ war eines der bestimmenden Themen der diesjährigen Frankfurter Buchmesse. Über 1.700 Autorinnen und Autoren, Übersetzerinnen und Übersetzer, Verlage und Buchhandlungen fordern in ihrem Appell Vertragsfreiheit und angemessene Lizenzgebühren bei der E-Book-Leihe in Bibliotheken.

 

Um das Ausmaß der Thematik zu verstehen, genügen zwei Zahlen: 46 und 6. Bereits 46 Prozent des E-Book-Konsums im Jahr 2020 entfällt auf die sogenannte Onleihe in Bibliotheken – das heißt fast die Hälfte aller gelesenen E-Books wird ausgeliehen und nicht gekauft. Und die Verlage erhalten aus der Leihe insgesamt nur 6 Prozent ihrer E-Book-Umsätze, aus denen wiederum Autorinnen und Autoren ihre Honorare erhalten. Schon bald könnten also mehr E-Books zum Beinahe-Nulltarif geliehen werden. Und die Vergütung für Autorinnen, Autoren und Verlage ist minimal. Eine GfK-Studie aus dem Jahr 2019 hat zudem gezeigt, dass viele Menschen weniger Bücher kaufen, seit sie die Onleihe nutzen.

 

Es liegt also auf der Hand, dass der E-Book-Markt schon jetzt durch die digitale Leihe erheblich gestört wird. Nun steht ein Vorschlag des Bundesrates aus dem Frühjahr zur Debatte, der die Einnahmen von allen am Verfassen, Verlegen und Verkaufen eines Buches Beteiligten noch mehr verringern würde: Verlage sollten demnach künftig dazu verpflichtet werden, jedes E-Book ab dem Erscheinungstag für die Onleihe zur Verfügung zu stellen. Damit würden ihnen zu einem großen Teil ihre wichtigsten Erlöse, nämlich die aus den Verkäufen der ersten sechs bis zwölf Monate, verloren gehen. Momentan steht es Verlagen noch frei, einige wenige Bücher mit ein paar Monaten Verzögerung für die Leihe freizugeben und in dieser Zeit ihre wichtigste Einnahmequelle zu sichern.

 

Verlage stellen der Onleihe bereits über eine halbe Million E-Books zur Verfügung. Denn Bibliotheken haben einen wichtigen Auftrag: Sie machen Bücher – ob gedruckt oder digital – breiten Bevölkerungsschichten zugänglich. Es steht nun an, zu diskutieren, wie sich die Rahmenbedingungen für die Onleihe so regeln lassen, dass die Bibliotheken weiterhin ein so breites Angebot an E-Books anbieten können und gleichzeitig Verlage, Autorinnen und Autoren eine angemessene Vergütung erhalten.

 

Eine Frage, bei der die Interessen so vieler Gruppen einzubeziehen sind, lässt sich nicht zielführend über eine gesetzliche Regelung wie die vom Bundesrat vorgeschlagene Zwangslizenz beantworten. Verhandlungslösungen ist in jedem Fall Vorrang vor gesetzlichen Eingriffen zu geben. Bibliotheken dürfen keine steuerfinanzierte Kostenlosplattform für E-Books sein, während ein vitaler und gut funktionierender Buchmarkt zerstört wird. Die Einführung einer Zwangslizenz würde zu einer enormen Wettbewerbsverzerrung führen.

Autorinnen und Autoren sowie Verlage müssen frei entscheiden können, welche Titel sie wann und zu welchen Bedingungen in die Onleihe geben. Nur so können sie weiterhin qualitätsvolle und vielfältige Inhalte anbieten und den deutschen Buchmarkt, der für seine Qualität und Vielfalt weltweit vorbildlich ist, langfristig erhalten.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 11/2021.


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