Lena Falkenhagen - 11. November 2021 Kulturrat_Logo_72dpi-01

Texte zur Kulturpolitik

Position zum E-Lending in den öffentlichen Bibliotheken: Autoren


Debatte zur digitalen Ausleihe und der Kampagne "Fair Lesen"

Das Verhältnis zwischen Verlagen, dbv und Autoren wird zutreffend als „Ökosystem Buch“ beschrieben. Der Vorstoß des Bundesrats stellt dieses Ökosystem vor große Herausforderungen: Verlage sollten verpflichtet werden, Bibliotheken von jedem E-Book eine Lizenz anzubieten. Dies würde einen erheblichen Einschnitt in die Rechte von Urhebenden darstellen. Autorinnen stehen fest hinter dem Bildungs- und Teilhabeauftrag der unverzichtbaren öffentlichen Bibliotheken. Die Bedingungen dieser Partizipation und der staatliche Bildungsauftrag müssen für Autoren aber zumutbar bleiben.

 

Die kurz vor der Buchmesse lancierte Initiative #FairLesen kritisiert den Bundesratsvorstoß zu Recht. Die von der KMK festgelegten Bibliothekstantiemen sollen Autoren und Verlage für die Ausleihen kompensieren. Dieser Etat wird selten erhöht. Die über die VG Wort ausgezahlte Tantieme für die physische Ausleihe eines Buchs beträgt seit dem 6.7.2021 4,3 Cent in öffentlichen Bibliotheken, drei davon gehen an den Autor. Eine „angemessene“ Vergütung sieht anders aus. Aus dem Blickwinkel des wirtschaftlichen Interesses von Autorinnen bedarf bereits die Regelung der analogen Ausleihe in Bibliotheken Verbesserung. Die Forderung, E-Books direkt nach Erscheinen der digitalen Leihe zur Verfügung zu stellen, darf diese Situation nicht weiter verschärfen.

 

E-Books werden anders genutzt, insbesondere einfacher bezogen. Das „Windowing“, also die Sperrfrist, in der Verlage und Autorinnen ihre Bücher noch nicht in die digitale Leihe geben, wurde eingeführt, um den digitalen Primärmarkt nicht zu schaden. Geht das Buch mit Erscheinen direkt in die E-Book-Ausleihe, wird es schwerer, damit Gewinn zu erzielen. Von diesen Gewinnen leben aber Verlage und Autoren. Tatsächlich betrifft das „Windowing“ Bestseller. Bei gleichbleibendem Erwerbsetat der Bibliotheken wird die Anschaffung von Bestsellern im E-Lending folgerichtig die Bibliodiversität senken, weil weniger „kleine Titel“ eingekauft werden.

 

Viele Autoren leben prekär. In diesem Licht darf es nicht sein, dass die Rechte an geistigem Eigentum weiter eingeschränkt werden, ohne politisch für eine Verbesserung unserer Situation zu sorgen. Die Diskussion beweist, dass Autorinnen von der Politik nicht ausreichend verstanden werden. Um das Ökosystem Buch zu erhalten, wünsche ich mir eine Vertretung der Autorenschaft in beratender Funktion in der Kommission Bibliothekstantieme in der KMK. Die Bibliothekstantieme pro Ausleihvorgang des gedruckten Buchs muss seitens der Länder auf ein gutes europäisches Niveau erhöht werden. Wir benötigen Transparenz bei der Erhebung der Ausleihzahlen in den Bibliotheken für die Berechnung der Ausschüttungen der VG Wort. Eine ähnliche Transparenz benötigen wir für Verlage durch die Lizenzkette. Eine Ergänzung des Urhebervertragsrechts um ein Verbandsklagerecht würde die nötige Augenhöhe für Autoren in Rechtsstreitigkeiten mit Verlagen schaffen.

 

Und schlussendlich muss der Wunsch der öffentlichen Hand nach mehr Digitalisierung der Bibliotheken mit einer Erhöhung des Erwerbs­etats für Bücher sowie einem vergrößerten Etat für die Bibliothekstantieme einhergehen. Wir, Autorinnen und Autoren, können und wollen das nicht finanzieren.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 11/2021.


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