Andreas Kolb - 6. Juli 2020 Kulturrat_Logo_72dpi-01

Texte zur Kulturpolitik

Geschäftssinn und Idealismus gehören zusammen


Porträt des Galeristen Johann König

Die Bundesregierung hat sich am 3. Juni 2020 auf ein Konjunkturprogramm zur Überwindung der Corona-Krise im Volumen von 130 Milliarden Euro geeinigt. Eine Milliarde Euro davon sind für das Rettungs- und Zukunftsprogramm „NEUSTART KULTUR“ eingeplant, mit dem die Kulturinfrastruktur gestärkt werden soll.

 

Unmittelbar nachdem diese Zahlen bekannt wurden, begann der Berliner Galerist Johann König zu rechnen: „Musik – 150 Millionen Euro; Theater und Tanz – 150 Millionen Euro; Kino und Film – 120 Millionen Euro. Fehlt was? Ja: Unter ferner liefen gibt es dann noch Galerien, soziokulturelle Zentren sowie die Buch- und Verlagsszene – 30 Millionen Euro. Pro Bereich also etwa 10 Millionen Euro von einer Milliarde.“ Damit kam König auf ernüchternde 1-Prozent-Förderung für den Bereich Galerien und stellte sich die Frage „Gelten wir nicht als Teil der Kultur?“.

 

Königs Schilderung der Nöte eines Galeristen ist an die Kulturpolitik adressiert, denn Corona hat auch sein Geschäftsmodell beeinträchtigt – seine Energie und Tatkraft schmälert das gewiss nicht. 2015 pachtete er zusammen mit seiner Frau Lena die profanierte Kirche St. Agnes in Kreuzberg.

 

Gemeinsam mit dem Architekten Arno Brandlhuber bauten die beiden die Kapelle im bruitistischen Stil für drei Millionen Euro zur Galerie, Treffpunkt, Künstlerwohnung und Büro um. Heute beschäftigen die Königs dort etwa 40 Mitarbeiter, Home und Office sind eins.

 

Man könnte denken, der Mann ist angekommen. Doch bereits fünf Jahre nach der vielbeachteten Eröffnung seiner Galerie St. Agnes denkt Johann König wieder an Expansion. Erneut in Zusammenarbeit mit dem Architekten Arno Brandlhuber arbeitet er an einem Konzept zur Umnutzung des Mäusebunkers in Berlin-Lichterfelde zu einem Ort der Begegnung von Kunst, Kultur, Wissenschaft und Innovation. »Mäusebunker« heißt im Volksmund das Gebäude des ehemaligen zentralen Tierlaboratoriums der Freien Universität Berlin, ein weiteres Gebäude des Ensembles ist das Institut für Hygiene und Umwelt der Charité. Wie St. Agnes stehen auch diese Architekturdenkmäler in der Tradition des Bruitismus der 1970er Jahre.

 

„Lasst uns übernehmen – wir nutzen um“, so lautet der Appell der beiden Initiatoren an Politik und an die Verwaltung der Gebäude. Als Galerist und Kulturunternehmer ist Johann König in Berlin kein unbeschriebenes Blatt mehr. Seine erste Galerie gründete er 2002 am Rosa-Luxemburg-Platz gegenüber der Volksbühne. Bereits 2006 war es ihm dort zu eng geworden für die raumgreifenden Konzeptarbeiten und Skulpturen seiner Künstler, darunter klingende Namen wie Norbert Bisky, Monica Bonvicini, Katharina Grosse, Jeppe Hein, Manfred Kuttner, Michael Sailstorfer oder Tatiana Trouvé. Johann König zog um in eine Kreuzberger Industriehalle zwischen Martin-Gropius-Bau und Neue Nationalgalerie. „Der Kapitalismus duldet keinen Stillstand“, sagte König einmal in einem Interview mit der Zeit. Um im heutigen Kunstmarkt Erfolg zu haben, müsse man immer weiter expandieren.

 

Johann König trägt einen Namen, der klingt in Deutschlands Kunstlandschaft: Der Vater Kasper König war Rektor der Städelschule in Frankfurt und leitetet dann für zwölf Jahre bis 2012 das Museum Ludwig in Köln. Sein Onkel Walther König ist ein renommierter Kölner Kunstbuchverleger. Kunst ist Erlebnis, sagt König – und dass ihn der Kunsthandel anfangs überhaupt nicht interessierte, aber umso mehr die Künstlerinnen und Künstler selbst. Aufgewachsen mitten unter den Protagonisten der internationalen Kunstszene, begann sich bei Johann König das eigene Interesse für Kunst zu regen – allerdings erst im Teenageralter. »Ich wollte mit Künstlern zu tun haben, mit ihnen arbeiten. Da lag die Galerie am nächsten.« Als König mit 20 seine Galerie am Rosa-Luxemburg-Platz gründete, war der dänische Künstler und Freund Jeppe Hein sein erster Künstler. Bis heute spielen dessen Werke eine besondere Rolle in der Galerie König. Schon damals war auch dem jüngsten Spross der Königs die Kunst zu Leidenschaft und Lebensinhalt geworden.

 

Inzwischen gilt der Galerist als ein großer Player auf den internationalen Schauplätzen der zeitgenössischen Kunst. Bereits der Einstieg in dieses Porträt hat nicht verheimlicht, dass König dabei durchaus kulturpolitisch geerdet ist: „Der Kunstmarkt hat nicht das Schicksal der Musikverlage geteilt. Ich höre von Künstlern mehr denn je, wie sehr sie sich eine Galerie wünschen. Sonst haben wir niemand, der sie ausstellt. Dennoch gibt es immer weniger Galerien. Das liegt daran, dass sich die Kulturpolitik immer stärker auf den Produzenten konzentriert. Der Künstler kann der Künstlersozialkasse (KSK) beitreten, ich darf als Galerist kein Mitglied werden. Wenn der Künstler dann berühmt und vermögend geworden ist, steigt er aus dem Solidarpakt der KSK aus, ich als Galerist zahle aber weiterhin bei jedem Verkauf an die KSK. Künstlerinnen kriegen einen günstigen Mehrwertsteuersatz von derzeit 5 Prozent, ich zahle derzeit immer noch 16 Prozent. Der Künstler wird beim Folgerecht bedacht, der Galerist nicht. Ich empfinde das wie Strafzölle: Der den Künstler verkauft und vermarktet, der wird bestraft. Und für die Künstler wird es zum Problem, weil es immer weniger Galerien gibt.“

 

Das Galerie-Geschäft ist ein aufwendiges geworden: Messen, Ausstellungen, Veranstaltungen. Für König bedeutet das: „Die Werke, die wir verkaufen, müssen relativ teuer sein, damit alles überhaupt funktioniert. Das bedeutet auch, dass die Nachwuchsarbeit, die wir auch betreiben, schnell erfolgreich sein muss. Da muss man sich seiner Sache sicher sein, um auf die richtigen Positionen zu setzen.“

 

Galeristen wissen, was Risiko heißt: Dreimal in eine Messe investiert und dort nicht verkauft wie erwartet, dann kann es schnell eng werden.

 

Geschäftssinn und Idealismus gehören für Johann König daher zusammen. Dabei bleibt er ein rastloser Geist und führt ein Leben, das ihn weltweit von Messe zu Biennale, Partys oder Atelierbesuchen führt. Bei dieser Überfülle nimmt es kein Wunder, dass er 2019, im Alter von 38 Jahren, bereits seine Biografie geschrieben hat: „Blinder Galerist“ gibt einen spannenden Einblick ins Leben des seit seinem 11. Lebensjahr durch einen tragischen Unfall stark sehbehinderten Galeristen.

 

Vom 17. bis 26. Juni präsentierte König auf der Messe in St. Agnes seinen Art-Basel-Stand. „Da die Art Basel abgesagt wurde, wollten wir mit unserer Verkaufsausstellung die Lücke füllen.“ Auf weiteren 1.200 Quadratmetern luden er und seine Frau andere Galeristen, Kollegen, Händler und Sammler ein, auszustellen und zu verkaufen.

 

Über 100 Kunstwerke von Elmgreen & Dragset, Alicja Kwade, Neo Rauch, Daniel Richter, Isa Genzken, Martin Kippenberger, Otto Piene und Katharina Grosse wurden ausgestellt und zum Kauf angeboten. Der Weg zur Berliner Kapelle St. Agnes lohnt sich aber auch in den folgenden Monaten. Galerie und Saleroom haben auch in Pandemiezeiten regelmäßige Öffnungszeiten. Gerade produziert König eine Ausstellung mit Alexander Kluge und Sarah Morris, die im September 2020 eröffnet.

 

Um trotz coronabedingten Einschränkungen mit dem Publikum im Dialog zu bleiben und auch um seine Kunst dem breiten Publikum zur Verfügung zu stellen, hat König einen Pod­cast initiiert: Hier kann man mit ihm zusammen durch Galerien, Museen und Ausstellungen streifen und bleibt up to date: koeniggalerie.com

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 07-08/2020.


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