Olaf Zimmermann - 27. Januar 2025 Kulturrat_Logo_72dpi-01

Texte zur Kulturpolitik

Eigentlich – über das gestörte Verhältnis der Politik zur Zivilgesellschaft


Eigentlich hätte die jetzt zu Ende gehende Legislaturperiode eine gute Zeit für den Kulturbereich werden sollen. Eigentlich war der Kulturbereich sehr positiv in sie hinein gegangen. Gerade die Grünen haben im Kulturbereich viele Sympathisanten und deshalb erhielten sie am Anfang der Regierung Scholz viele Vorschusslorbeeren.

 

Doch es kam anders. Und um es gleich zu sagen, dass es anders gekommen ist, ist kein spezifisch grünes Phänomen. Schon seit einigen Jahren ändert sich das Verhältnis der Politik zur Zivilgesellschaft merklich. Der intensive Austausch nimmt ab. Organisationen wie Transparency International Deutschland oder LobbyControl haben es geschafft, dass auch der legitimen Interessenvertretung ein Ruch des Illegalen anhängt. Diese Organisationen haben der Demokratie einen Bärendienst geleistet, da politische Entscheidungen nun weniger transparent sind.

 

Der Einfluss von zivilgesellschaftlichen Organisationen auf politische Entscheidungen ist für ein funktionierendes demokratisches System existenziell. Die gewählten Abgeordneten entscheiden, die Regierungen planen und setzen um, und die organisierte Zivilgesellschaft und die Wissenschaft beraten. Voraussetzung für dieses System ist, dass die einzelnen Bereiche intensiv miteinander sprechen. Und genau hieran hat es in der zu Ende gehenden Legislaturperiode oft gefehlt. Weniger miteinander, mehr nebeneinander haben die Akteure gearbeitet. Man hat sich zwar oft gesehen, aber viel zu wenig intensiv miteinander diskutiert. Bei der Kulturpolitik der Grünen wurde dieser Umstand besonders deutlich, da, so meine These, die Grünen aus der Umwelt- und Friedensbewegung, also zivilgesellschaftlichen Strukturen, entstanden sind, sie bis heute glauben, sie seien gleichzeitig Zivilgesellschaft und Bundesregierung. Wenn man aber selbst Zivilgesellschaft ist, braucht man ja keine Beratung von anderen zivilgesellschaftlichen Akteuren.

 

Aber, wie gesagt, das Phänomen der Abschottung ist kein rein Grünes. Schaut man sich die Kulturpolitik der Union in Berlin an, begegnet man einer ähnlichen Tendenz. Ja, das Land Berlin ist bankrott und ja, auch der Kulturbereich muss einen Anteil für die Sanierung erbringen. Doch kann man so etwas nicht per „Ordre de Mufti“ durchsetzen, ohne großen Schaden anzurichten. Man muss miteinander sprechen, Vorschläge hin und her bewegen, einschätzen, was geht und was nicht. Aber genau das findet viel zu wenig statt. Die Bundestagswahl steht vor der Tür, danach Koalitionsverhandlungen und Regierungsbildung. Hoffen wir, dass wir in den kommenden vier Jahren mehr miteinander reden.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 2/25.


Copyright: Alle Rechte bei Deutscher Kulturrat

Adresse: https://www.kulturrat.de/themen/texte-zur-kulturpolitik/eigentlich-ueber-das-gestoerte-verhaeltnis-der-politik-zur-zivilgesellschaft/