Olaf Zimmermann & Gabriele Schulz - 25. Februar 2017 Kulturrat_Logo_72dpi-01

Texte zur Kulturpolitik / Wahlen 2017

Das schleichende Gift des Populismus - Die AfD instrumentalisiert Kultur für ihre Wahlkämpfe


I n neun von 16 Landtagen ist die Alternative für Deutschland (AfD) vertreten. In neun Landtagswahlen hat sie unter anderem mit Kultur erfolgreich Wahlkampf gemacht. Bei den anstehenden Landtagswahlen, im Saarland und in Schleswig-Holstein, nutzt die AfD Kultur für ihren Wahlkampf. Über die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen kann noch keine klare Aussage getroffen werden, da das AfD-Wahlprogramm noch nicht vorliegt. Im aber bereits nachlesbaren Bundestagswahlprogramm der AfD wird Kultur ein wichtiger Stellenwert beigemessen.

 

Wird der AfD zu viel Ehre zuteil, wenn sich mit ihren kulturpolitischen Positionen auseinandergesetzt wird? Wird sie aufgewertet, wenn ihre teils kruden, teils offen nationalistischen Positionen reflektiert werden? Ja, die AfD verdankt ihren Aufschwung auch ihrer Dauerpräsenz in den Medien. Fortlaufend wird eine These aufgestellt, die für entsprechende öffentliche und mediale Aufmerksamkeit sorgt. Vertreter werden eingeladen in Talkshows und zu Diskussionssendungen. Sie können dort ihre Positionen vertreten, sie können austesten, wie weit sie gehen können und gegebenenfalls zurückrudern, falls der Widerstand zu groß ist. Insofern beruht die Medienwirkung der AfD eben nicht nur, wie oft behauptet wird, auf digitalen Plattformen wie Twitter oder Facebook, sondern auf den traditionellen Verbreitungswegen insbesondere dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk, dem sie besonders stark »ans Leder will«. Es hilft daher unserer Meinung nach nicht mehr, sich angewidert beiseite zu wenden und die AfD zu ignorieren. Im Gegenteil, es wird wichtig sein, sich gerade auch kulturpolitisch mit ihr auseinanderzusetzen. Denn die AfD säht ein schleichendes Gift in die gesellschaftlichen und kulturpolitischen Debatten.

 

Vergewissern wir uns zuerst, wo die AfD noch nicht im Landtag vertreten ist. Das sind zuerst die Länder, in denen 2012 zuletzt, also noch vor der Gründung der AfD, gewählt wurde. Dies ist der Fall in Nordrhein-Westfalen, Saarland und Schleswig-Holstein. In diesen drei Ländern stehen in diesem Jahr Landtagswahlen an.

 

Weiter gehört die AfD den Landtagen nicht an, die 2013 gewählt haben, das sind Bayern, Hessen und Niedersachsen. In jenen Ländern steht 2018 die nächste Wahl an. In Bremen wurde 2015 das letzte Mal gewählt, die AfD gehört der Bremischen Bürgerschaft nicht an. Die AfD wurde 2013 mit dem wirtschaftspolitischen Programm »Austritt aus dem Euro« gegründet.

 

Bei den Landtagswahlen im Jahren 2014 wurde sie in Brandenburg viertstärkste Fraktion in einem sechs Fraktionen Parlament, in Sachsen zweitkleinste Fraktion in einem fünf Fraktionen Landtag und in Thüringen zweitkleinste Fraktion in einem fünf Fraktionen Parlament. D. h. in jenen Landtagen, aus denen besonders viel von der AfD zu hören ist, Sachsen und Thüringen, gehört sie zu den kleinen und nicht zu großen Fraktionen.

 

In Hamburg, hier wurde 2015 gewählt, ist die AfD die kleinste Fraktion in einer sechs Fraktionen-Bürgerschaft. Im Jahr 2015 spaltete sich der wirtschaftsliberale und eurokritische Flügel um Parteigründer Bernd Lucke von der AfD ab und gründete eine eigene Partei (Alfa), die AfD-Abgeordneten des Europäischen Parlaments, die sich als wirtschaftsliberal verstehen, gehören nunmehr Alfa an. Im in der AfD verbleibenden Flügel fanden Parteimitglieder, die sich rechts von der CDU verorten, ihre Heimat. Themen wie das Eintreten gegen Geflüchtete, gegen den Islam in Deutschland, gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und für eine rückwärtsgewandte Kultur- und Bildungspolitik gewannen an Bedeutung in den Verlautbarungen und dem öffentlichen Auftreten der AfD.

 

Bei den Landtagswahlen 2016 erreichte sie folgende Positionen: Baden-Württemberg drittstärkste Fraktion in einem fünf Fraktionen-Landtag, Berlin zweitkleinste Fraktion in einem sechs Fraktionen-Abgeordnetenhaus, Mecklenburg-Vorpommern zweitstärkste Fraktion in einem vier Fraktionen-Parlament, Rheinland-Pfalz drittstärkste Fraktion in einem fünf Fraktionen-Parlament und Sachsen-Anhalt zweitstärkste Fraktion in einem fünf Fraktionen-Landtag.

 

Die AfD kann also wachsende Stimmengewinne bei Landtagswahlen verzeichnen. Das gilt insbesondere für die Flächenländer und hier besonders den ländlichen Raum. In Berlin konnte sie zwar auch in den Landtag einziehen, aber mit einem deutlich kleineren Stimmenanteil.

 

Zuletzt trat die AfD-Sprecherin Frauke Petry bei einer gemeinsamen Veranstaltung Anfang 2017 mit der Vorsitzenden der französischen rechtspopulistischen Partei Front National Marine Le Pen und dem Vorsitzenden der rechtsgerichteten niederländischen Partij voor de Vrijheid Geert Wilders in Koblenz auf. Mit diesem gemeinsamen Auftritt hat sich die AfD in der rechtspopulistischen bis rechtsextremen Parteienfamilie in Europa verortet.

 

Die Aufzählung und der Rückblick zeigen, dass die AfD sukzessive nach rechts gerückt ist. Von einer kleinen, sich vor allem europa- und wirtschaftspolitischen Themen widmenden Partei ist sie zum Stimmenfänger am rechten Rand geworden.

 

Seither überschreitet die AfD bewusst und schleichend den gesellschaftlichen und politischen Konsens in Deutschland. Fast schon vergessen, weil auf den ersten Blick kurios, ist der Auftritt des Thüringischen Landesvorsitzenden und Vorsitzenden der AfD-Fraktion im Landtag von Thüringen Björn Höcke in der Sendung von Günther Jauch als er eine kleine Deutschlandfahne über seine Stuhllehne legte und liebevoll darüber strich. Die Geste irritierte und belustigte. Weniger lustig war sein Auftritt in Dresden in diesem Jahr, bei dem er eine 180-Grad-Wendung in der Erinnerungspolitik einforderte und das Holocaust-Mahnmal in Berlin als »Mahnmal der Schande« bezeichnete. Diese Äußerung führte mit mehrwöchiger Verspätung zu einem vom Bundesvorstand angestrengten Parteiausschlussverfahren, das zweite übrigens, dem sich Höcke stellen muss. Höcke ruderte Mitte Februar dieses Jahres etwas zurück, was erneut belegt, dass hier offenbar Grenzen ausgetestet werden. Darüber wird es auch mit Blick auf das Bundestagswahlprogramm der AfD, in dem eine neue Erinnerungskultur angemahnt wird, schwierig, Björn Höcke aus der Partei auszuschließen, da er genau das fordert, was Parteilinie der AfD ist. So steht im Wahlprogramm der AfD: »Die aktuelle Verengung der deutschen Erinnerungskultur auf die Zeit des Nationalsozialismus ist zugunsten einer erweiterten Geschichtsbetrachtung aufzubrechen, die auch die positiven, identitätsstiftenden Aspekte deutscher Geschichte mit umfasst.« Nun könnte einerseits diese Auslassung beiseite gewischt werden, da die deutsche Erinnerungskultur sehr viele Aspekte umfasst, gerade in diesem Jahr wird beispielsweise besonders der Reformation gedacht, doch steckt mehr dahinter. Was hier leichtfüßig daher kommt, ist nichts anderes als ein Weg zurück.

 

Auch wenn die Äußerungen Höckes derzeit die Spitze des Eisbergs an Zumutungen darstellen, dürfen andere nicht außer Acht gelassen werden. Auch wenn die AfD sich im Krebsgang bewegt, drei Schritte vorwärts und zwei Schritte zurück, darf nicht vergessen werden, dass es ein Weg vorwärts ist. Die Parteivorsitzende Frauke Petry regte im letzten Jahr an, den Begriff »völkisch« neu zu bewerten. Als ihr der Protest entgegen schlug, winkte sie unschuldig ab.

 

Die AfD-Fraktion im baden-württembergischen Landtag bot im letzten Jahr ein scheinbar kaum endendes Schauspiel um einen offen antisemitischen Abgeordneten, der erst nach langem Hin und Her die Fraktion verließ. Mitte Februar 2017 entsendete die Fraktion einen Abgeordneten, der sich nicht offen gegen Antisemitismus abgrenzt, in eine Jury zur Auszeichnung gegen Minderheitenfeindlichkeit. Bekannt wurde ferner, dass nach Auffassung der AfD Schülerfahrten zu NS-Gedenkstätten nicht mehr gefördert werden sollen.

 

Die AfD-Fraktion im Landtag von Sachsen-Anhalt hat sich die Theater des Landes vorgenommen. Laut Deutschlandradio fordert der kulturpolitische Sprecher der AfD in Sachsen-Anhalt, Hans-Thomas Tillschneider, dass Intendanten, die ein »zu buntes Agitprop-Repertoire mit Regenbogen-Willkommens-Trallala auf die Bühne bringen«, die öffentlichen Subventionen komplett gestrichen werden müssen. Und Tillschneider weiter: »Wenn ein Theater nur solche Stücke spielt, ansonsten nichts Sinnvolles mehr macht, dann sehen wir keinen Sinn mehr darin, das zu fördern. Dann würden wir natürlich sagen, das Ding muss zugemacht werden. Ganz einfach.« Im alternativen Haushaltsentwurf für Sachsen-Anhalt fordert die AfD unter anderem die Streichung von Leistungen für »Gender-Ideologie« sowie »ideologischer Projekte in den Bereichen Kampf gegen Rechts / Willkommenskultur / linkes Vereinswesen«.

 

Die AfD-Fraktion im Sächsischen Landtag widmet sich insbesondere dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Erklärte Ziele sind »Abschaffung der pauschalen Rundfunk-Zwangsbeiträge« sowie »der verfassungsgemäße Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist grundlegend neu zu definieren und seine partei- und gesellschaftspolitische Neutralität ist grundlegend zu wahren«.

 

Diese und viele andere Beispiele zeigen, die AfD ist nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Es wird gezielt provoziert und dann ein wenig zurückgewichen. Es werden absichtlich Begriffe verwandt, die aus gutem Grund nicht gebraucht und dann ein bisschen relativiert werden. Es wird die Erinnerungskultur grundlegend infrage gestellt und dann behauptet, sich von Stimmungen hinreißen zu lassen. Die Demokratie wird grundlegend infrage gestellt. Manche Äußerung mag heute krude und abwegig erscheinen. Entscheidend ist, dass das schleichende Gift des Populismus sich nicht weiter einfrisst. Wichtig ist, dass immer wieder herausgestellt wird, dass Demokratie zwar anstrengend und langsam ist, dass sie Kompromisse verlangt. Populismus aber ist ein leeres Versprechen, dass nur auf Kosten anderer verwirklicht werden kann. Deutschland ist in der Nachkriegszeit ein guter Nachbar geworden, ein Land, dass sich seiner Vielfalt, gerade auch der kulturellen Vielfalt, rühmt, ein Land mit einem beeindruckenden bürgerschaftlichen Engagement in vielen gesellschaftlichen Bereichen. Für die Demokratie dieses Landes streiten, lohnt sich allemal.

 

Den Rattenfängern vom rechten Rand, die mit kulturpolitischen Zielen wie der Verankerung der deutschen Sprache als Staatsziel im Grundgesetz oder der Erklärung von Kultur als Pflichtaufgabe auf allen staatlichen Ebenen werben, darf nicht auf den Leim gegangen werden. Sonst wird sich am Ende so manch einer wundern, wie eng Kultur auf einmal verstanden wird.


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