Klaus-Martin Bresgott - 24. April 2018 Kulturrat_Logo_72dpi-01

Texte zur Kulturpolitik

Bei Deinem Namen genannt: Maria und Nikolaus


Eine Impuls-Ausstellungsreihe im Europäischen Kulturerbejahr

Das Europäische Kulturerbejahr 2018 „Sharing Heritage“ lenkt den Blick auf die Schätze und die Schönheit der kulturellen Vielfalt Europas. Die größte Vielfalt und der besondere Reichtum dieses europäischen Erbes liegt in seinen Menschen. Wie können sie sich selbst als solches begreifen? Wie werden diese Bande zwischen den Menschen und ihrer Region, zwischen Geschichte und Gegenwart sichtbar? Um hierfür ein Verständnis zu entwickeln und die eigenen Erfahrungsräume zu öffnen, geht der Weg dieser Impuls-Ausstellung über Namen, denn wir wissen: Namen sind nicht Schall und Rauch – im Gegenteil: Nomen est omen. Sag mir deinen Namen und ich sage dir, wer du bist. An Namen binden sich Bilder und Botschaften, individuelle Eigenschaften und Merkmale. Unser Gedächtnis speichert alles Individuelle unter Namen – auch wenn wir unsererseits heute oft nur eine Nummer sind: bei der Telefongesellschaft, als Käufer, als Antragsteller, beim Friseur und oft selbst als Patient. Auch Firmen wie die Autobauer von VW achten auf Namen. Früher bekamen ihre Autos die Namen von ihren Fahrern – Käfer oder Bulli. Heute werden sie nach eleganten Sportarten wie Polo bzw. Golf oder kraftvollen Winden wie Passat bzw. Scirocco benannt. Der Name soll Bilder erzeugen. Er schafft Beziehung und Kontakt. Aber wir können Namen nicht definieren wie ein Haus oder einen Tisch. Wir erleben, dass Namen eine oder sogar mehrere Bedeutungen haben. Und sie haben mit jedem Menschen ein Gesicht.

 

Das hat uns zum steinernen Gesicht der Geschichte und zu unserem religiös-baukulturellen Erbe geführt – zu den Kirchen, die mit das älteste und bis heute in beinahe jedem Dorf und jeder Stadt ein im regen und lebendigen Gebrauch befindliches baukulturelles Erbe Europas sind. Auch sie tragen Namen, die unserer Tradition ein Gesicht geben und bis heute gang und gäbe sind: Maria, Katharina und Elisabeth, Andreas, Martin, Nikolaus und Thomas … Damit strahlen sie doppelt in ihre Region hinein – als bauliches und als ideelles Kulturerbe. Seit Jahrhunderten vermitteln sie mit ihren Namen Werte und Wünsche. Für unsere Impuls-Ausstellung haben wir uns beispielhaft für die wohl bekanntesten entschieden: Maria, die Mutter des Christkindes, und Nikolaus, den Gabenbringer des 6. Dezember. Beides sind Namen, die teilweise schon über 2.000 Jahre alt sind und heute dennoch so aktuell wie damals – nur, dass sie sich in ihrer immerwährenden Lebendigkeit gewandelt haben und Maria heute genauso Maja oder Mia, Nikolaus heute ebenso Nico oder Niklas heißt und beide überall in Europa zuhause sind als Manon, Mary oder Mieke, als Claas, Nikita oder Nils. Das zeigt schlagartig deutlich, wie wir mit unseren Namen tief in der Kultur und ihrer Geschichte verwurzelt sind und diese Geschichte nicht an der Stadt- oder Landesgrenze halt macht. An unserer Impuls-Ausstellung beteiligen sich exemplarisch je eine Marienkirche und eine Nikolaikirche pro Bundesland – so heißt es deutschlandweit insgesamt 32 Mal: „Bei Deinem Namen genannt: Maria und Nikolaus“.

 

Die beiden Module der zweisprachig – deutsch und englisch – gehaltenen Ausstellungsreihe „Bei Deinem Namen genannt: Maria und Nikolaus“ verstehen sich in erster Linie als Impuls: Sie sind schnell zu fassen und gut überschaubar. Sie ermöglichen eine leichte, unmittelbare Aneignung des Themas als Anreiz zur Selbst- und Weiterbeschäftigung. Maria steht exemplarisch für einen Frauennamen. Aus der Ikonografie heraus sind alle Informationen über sie in der Farbe Blau gehalten. Nikolaus steht für einen Männernamen, die ikonografische Farbe Rot verweist auf alles Wissenswerte über Nikolaus. Allgemeine Informationen und Einführungen sind in neutralem Weiß. Eine Karte Deutschlands zeigt die jeweils am Projekt beteiligten Kirchen, eine Karte Europas die Verbreitung der Namen und Kirchen zwischen Atlantik und Ural. So ist die Thematik auch geografisch fassbar aufbereitet.
Der Impuls in der Form bezieht sich auf das ökologische Material – anstelle umweltfeindlicher Einwegaufsteller kommen weiter und wiederverwendbare Mehrwegkartons zum Einsatz. Gewöhnliches Verpackungsmaterial wird zu einem ungewöhnlichen Informationsträger. Die ästhetisch klare Form des flexibel zu handhabenden Baukastenprinzips der Ausstellung orientiert sich an architektonischen Prinzipien und übernimmt damit auch immanente Formen der Sakralarchitektur.
Die inhaltlichen Impulse zielen auf eine Wahrnehmung von Ort, Geschichte und Namen als Teil der eigenen Identität ab. Dieses Bewusstsein erweitert die Wahrnehmung für das Allgemeine und stellt Fragen nach „Kultur und Identität“, nach „Name und Erbe“ sowie nach „Heimat und Mensch“. Gleichzeitig stellt sich die Frage nach Konkretion – nach der eigenen Geschichte, dem eigenen Ort und dem eigenen Namen. Damit wird das Erbe Aller zum Erbe der Einzelnen – wird das individuelle Erlebnis zum „Sharing Heritage“ eines ganzen Kontinents.

 

Das Projekt „Bei Deinem Namen genannt: Maria und Nikolaus“ wurde initiiert vom Kulturbüro des Rates der EKD, Berlin und findet in Kooperation mit der Guardini-Stiftung statt. Es wird vom Deutschen Nationalkomitee für Denkmalschutz (DNK) getragen und maßgeblich von Der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) gefördert. Die Schirmherrschaft für die deutsche Beteiligung hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier.


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