Markus Metz - 1. Juli 2021 Kulturrat_Logo_72dpi-01

Science-Fiction

Markt & Merchandising


Wie Science-Fiction-Filme sich in Medien und Alltag fortsetzen

Science-Fiction-Filme sind wundervolle Spielwiesen des Designs – vom glänzenden Weiß der Raum-Hostessen in „2001“ über den Punk-Look der abtrünnigen Androidin in „Blade Runner“ bis zu Neos wallendem Ledermantel in „Matrix“. Mehr noch hinterlassen Science-Fiction-Filme ihre Spuren in technikaffinen Kinder- und Jugendzimmern. Wie Raketen, Raumstationen oder Roboter aussehen, das haben immer auch Filme reflektiert oder sogar vorweggenommen. Der Roboter „Robbie“ aus „Forbidden Planet“ (1956) etwa wurde zu einem international vermarkteten Spielzeug, das in kaum einem westlichen Kinderzimmer fehlte. Sein Design hatte offensichtlich die für die damalige Zeit perfekte Mischung von technischer Faszination und humanoider Freundlichkeit gefunden. Eine Mischung, die ein Vierteljahrhundert später in „Star Wars“ zwei seiner Nachfolger, ein goldglänzender Humanoide und ein kindlich-frech piepsender Blecheimer, zu neuer Vollendung brachten. Und so wie aus dem Science-Fiction-Blockbuster von gestern das Kinderspielzeug von heute wird, wird aus diesem das teuer gehandelte Sammelgut von morgen. Robbie kam damals in den verschiedensten Ausführungen, besonders begehrt unter Sammlern ist der „rote Robbie“, der Funken sprühen kann.

 

Die Verwandlung des Designs in Poster – die berühmten „Risszeichnungen“ von „Todessternen“, Raumstationen oder Allkreuzern neben den Konterfeis der Helden und Superhelden – und vor allem in Spiel- und Dekomaterial ist natürlich die einfachste Form der Vermarktung. Die Figuren aus „Terminator“ wurden zu Minifiguren und Schlüsselanhängern, fast selbstverständlich müssen „Star Wars“-Figuren rechtzeitig zum jeweiligen Film- oder Serienstart auch in Überraschungseiern zu finden sein. Im Design von Science-Fiction-Filmen begegnen sich Pop und Kunst, Trash und Experiment. Oft sind die Grenzen nur noch sehr subjektiv zu ziehen. Nicht weniger subjektiv sind die Grenzen zwischen einer ernsthaften Auseinandersetzung mit Problemen, die in der Zukunft auf uns warten, wie die Klimakatastrophe, die sozialen Spannungen, die digitale Überwachung usw., und dem fantastischen Kinderspiel: Wenn es zum Produktionsplan eines großen Science-Fiction-Films gehört, dass mit ihm auch jenseits der Kinokassen Profit erwirtschaftet werden kann, dann haben natürlich stets jene Filme einen ökonomischen Vorteil, in deren Mittelpunkt Figuren und Gerätschaften stehen, die gleichsam schon auf kommende Spielzeugwelten hinweisen, und solche Plots, die weder ein positives noch ein negatives Ende haben, sondern gar keines: So entsteht schon aus ökonomischen Gründen im Genre eine selbstreflexive, serielle Erzählweise: Zukunft als Endlosspirale.

 

Wie die Spielzeugwelten also von den Zukunfts-Designern aus den Traumfabriken bestimmt werden, so kontaminieren auch Spielzeugwelten die populären Mythen der Science-Fiction. Z. B. entwickelte man bei Lego, wo die meisten großen Science-Fiction-Filme eine eigene Welt – und ein entsprechendes Lego-Movie – erhalten, eine Spielstein-Linie unter dem Titel „Bionicle“ bzw. „Hero Factory“. Daraus entstand eine Fernsehserie um eine Fabrik für Roboter-Helden, die in der ganzen Galaxis als Einsatztruppe gegen allerlei Monster und Schurken eingesetzt werden. Merchandising bedeutet immer zugleich auch ein Netz von Bildern und Narrativen, das über die ganze Welt gelegt werden will.

 

Das Merchandising-Geschäft besteht aus drei Hauptsträngen. Neben der Flut von Mode und Spielsachen, die aus dem Film-Design stammen oder eben umgekehrt, entstehen Medien-Multiplikationen: Aus dem Film wird eine Roman-Serie, eine Comic-Reihe, eine Animationsserie, ein Videospiel, eine Ableger-Serie und immer so weiter, bis, wie etwa bei „Star Trek“, neben den Helden auf der Kommandobrücke des Raumschiffs Enterprise auch noch die niedrigen Ränge vom Unterdeck ihre eigene Serie bekommen haben. Die größte Merchandising-Maschine wurde dann aber „Star Wars“, mit der sich vom T-Shirt über Spielzeugfiguren und „Laserschwerter“ zum Halloween/Karneval-Kostüm alles in Objekte des Begehrens verwandeln ließ. Die Frage ist eher, was sich nicht mit dem „Star Wars“-Design verkaufen lässt. Kondome vielleicht? Weit gefehlt. Das Darth-Vader-Kondom kommt mit dem lustigen Aufdruck „I’m not your father“ und das Lichtschwert-Kondom, wer hätte es gedacht, ist von besonderer Leuchtkraft.

 

Als Merchandising-Maschinen funktionieren natürlich am besten solche Filme, die nicht nur einzelne mediale Events generieren, sondern zu veritablen Institutionen werden, sozusagen ein Stück Zukunft inmitten unserer Alltagswelt. Daher rangieren Filme wie die „Star Trek“-Reihe als Kino-Ausläufer der TV-Serie und immer wieder gibt es neue „Generationen“, allerdings mit wechselndem Design. In einer Unzahl von „Raumschiff Enterprise“-Bausätzen erscheint das wohl meistverkaufte Raumschiff-Modell in immer neuen Versionen. Einen Höhepunkt der Ikonografisierung bildet die originale „Star Trek“-Crew auf einer britischen Briefmarkenserie. Natürlich kann man auch die Uniformen kaufen. Und zu Travestien wie „DJ SPOCK“ als T-Shirt-Motiv kann man greifen, wenn diese Ikonografie wirklich ausgereizt scheint – jedenfalls bis zur nächsten Neuauflage. Die ganze Mannschaft gibt es stets auch als Playmobil-Figurenset. Erwähnenswert sind all diese Verästelungen nicht nur, um die Funktion futuristischer Filme als Verkaufsmaschinen zu illustrieren, sondern auch um zu verstehen, wie sehr dieses Design im Irrealis bereits unsere Realität durchdringt. Längst geht diese Science- Fiction-Objekt- und Zeichenschleuder über die Kinderzimmer hinaus, erreicht die öffentlichen Räume und Freizeiteinrichtungen und endet in der schönen Welt der Büros und IT-Schmieden, wo sie die Fantasie jener anregt – oder vielleicht auch bremst –, die am Design unserer wirklichen Zukunft arbeiten.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 7-8/2021.


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