Sven Scherz-Schade - 2. März 2016 Kulturrat_Logo_72dpi-01

Landeskulturpolitik

Mecklenburg-Vorpommern: So ein Theater… im Land der Schlösser und Gärten


Herausforderungen der Kulturpolitik in Mecklenburg-Vorpommern

Mecklenburg-Vorpommern

  • Landeshauptstadt: Schwerin
  • Gründung: 3. Oktober 1990
  • Einwohner: 1,6 Mio.
  • Fläche: 23.211,05 km²
  • Bevölkerungsdichte: 69 Einwohner pro km²
  • Regierungschef: Erwin Sellering (SPD)
  • Regierende Parteien: SPD und CDU
  • Nächste Wahl: 4. September 2016
  • Minister für Bildung, Wissenschaft und Kultur: Mathias Brodkorb (SPD)
  • Öffentliche Ausgaben für Kultur:  145,5 Mio. Euro/Jahr
  • Kulturausgaben je Einwohner: 88,85 Euro/Jahr
  • Kommunalisierungsgrad: 57,4 %

Zwei Dauerthemen bestimmen die kulturpolitische Zukunft in „Meck-Pomm“: die Theater und Orchester und die „Ewigkeitsaufgabe“, die – je nach Definition zwischen 2.100 und 2.400 – Gutshäuser, Herrenhäuser und Schlösser zu erhalten. Schätzungen zufolge sind 20 Prozent dieses architektonischen Erbes in einem „sehr bedenklichen Zustand“. In vielen Feudalbauten zwischen Elbe und Ostsee haben sich Feuchte und Schimmel breitgemacht, mitunter ist die Bausubstanz bedroht, Grundmauern werden wackelig.

 

Tragödie Theater-Fusion
So schlimm steht es um die Bühnenkunst im Nordosten nicht, aber das mit dem Theater sei alles eine „leidige Geschichte“, wie es Torsten Koplin benennt. Er ist kulturpolitischer Sprecher der Landtagsfraktion Die Linke: „Ich beklage sehr eine Ökonomisierung der Kultur“, sagt Koplin. Tatsächlich kommt man immer wieder aufs Geld zu sprechen. Über acht Jahre lang hat man in Mecklenburg-Vorpommern versucht, die Theater und Orchester in eine „Struktur“ zu bringen: die Landespolitik will verbindlich mit den Intendanzen Zielvereinbarungen abschließen.

 

Marc Reinhardt, kulturpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion im Schweriner Landtag, sieht das Grundproblem in einer gewissen Asymmetrie, weil die Kommunen die Theater-Eigentümer sind, aber das meiste Geld vom Land kommt. Seit 1994 ist dieser Förderbetrag für Theater und Orchester in Mecklenburg-Vorpommern mit 35,8 Millionen Euro nicht erhöht worden!

 

Die Idee der Koalition aus SPD und CDU: eine Struktur schaffen, die mit dem heutigen Landeszuschuss, mit den weiteren Zuschüssen der Kommunen von etwa 27 Millionen Euro, sowie mit den Einnahmen aus Tickets, Eintritten etc. finanziell auskommt. Marc Reinhardt: „Das bedeutet, dass es zu Strukturveränderungen kommt. Wir begleiten das auch mit Umstrukturierungshilfen, da ist eine Menge am Laufen.“ Die Position der CDU-Fraktion: „Wenn wir eine Struktur erhalten, die wir haben wollen, möchten wir auch, dass der Zuschuss des Landes dynamisiert wird. Und das Land soll vor allem auch Mitgesellschafter in den neuen Theater- und Orchester-Organisationen werden.“

 

An jedem anderen Posten im Landeshaushalt wurden Inflation, Preis- und Lohnentwicklung mitberücksichtigt, nur nicht in diesem Kulturbereich. Um Insolvenzen von Theatern und Ensembles abzuwenden, wurden in den vergangenen Jahren immer mal wieder Gelder nachgeschoben. Den Kulturabbau konnte das aber nicht stoppen. Das Land hatte mal acht Orchester und hat jetzt noch vier. Nach den Fusionsplänen würde es nur noch zwei geben.

 

Leidtragende Kultur

Das verwirrt den Rest der Republik, weil in keinem anderen Bundesland die Theaterlandschaft ohnehin schon derart kooperierend zusammengelegt ist wie im Nordosten! Mecklenburg-Vorpommern hat vier Mehrsparten-Theater, dazu zählen das „Theater Vorpommern“ mit den drei Standorten Putbus, Stralsund, Greifswald, die „Theater- und Orchester GmbH Neubrandenburg-Neustrelitz“ mit einschließlich einer Philharmonie in Neubrandenburg und einer Tanz-Compagnie in Neustrelitz, das „Mecklenburgische Staatstheater“ in Schwerin und das „Volkstheater Rostock“, und dann noch zwei Einsparten-Theater.

 

Verordnet werden sollte, dass einerseits Rostock und Schwerin verschmelzen und andrerseits Putbus, Stralsund, Greifswald und Neubrandenburg-Neu­strelitz zum sogenannten „Staatstheater Nordost“ fusionieren. Letzteres für 2018 geplantes Vorhaben stellt eine neue Größenordnung dar. Torsten Koplin: „Das ergibt ein Theaterkombinat, das die Region von Rügen im Norden bis nach Neustrelitz im Süden versorgen soll. Das sind über 150 Kilometer!“

 

Die Hansestadt Rostock hatte sich nun unlängst gegen die mit Schwerin geplante Fusion entschieden. Mehr noch: Die dortige Bürgerschaft, getragen von einer Mehrheit aus „Linke“, „Grüne“ und Rostocker Bund, hat die mit dem Land getroffene Zielvereinbarung aufgekündigt, wonach die neue Volkstheater-Gesellschaft sich an den Baukosten für ein neues Rostocker Theater hätte beteiligen sollen. Die Bürgerschaft sagt, dass in den Gutachten, die jene Zielvereinbarungen vorbereitet hatten, nie von einer Baukostenbeteiligung die Rede war, sondern lediglich von zu leistender Miete und von laufenden Kosten, die nach Fertigstellung des Gebäudes anfielen. Der parteilose Oberbürgermeister Roland Methling versucht, so gut als möglich in die Große Koalition aus SPD und CDU im Landtag zu vermitteln. Unterdessen wird der Rostocker Theater-Neubau unwahrscheinlich. Der kulturpolitische Fehler liegt in der Verzahnung, dass zwei große Vorhaben, nämlich reformierte Theaterstruktur und Neubau, zugleich angegangen wurden und miteinander in Abhängigkeit gerieten.

 

Auch nicht aalglatt schaut Schwerin in die kulturpolitische Zukunft, wo das Mecklenburgische Staatstheater zwar „Staatstheater“ heißt, aber in der Vergangenheit keine Staatsbeteiligung hatte, sondern ein rein städtisches Theater war. Ende 2015 wurde nun – nach eben jenen langen Strukturüberlegungen – per Kabinettsbeschluss entschieden, dass sich das Bundesland mit 74 Prozent am Mecklenburgischen Staatstheater beteiligt und somit auch als Gesellschafter fungiert. Koplin: „Das gibt einen gewissen Bestandschutz. Aber die Verhandlungen haben mit erpresserischem Druck auf die Stadt auch ergeben, dass die Stadt ein wesentlich höheres unternehmerisches Risiko und eine höhere Nachschusspflicht für etwaige Defizite aufzubringen hat, als es Gesellschafteranteile hat.“ So hat die Stadt Schwerin zehn Prozent Gesellschafteranteile, soll aber 30 Prozent der Nachschusspflichten und der Pflichten, die bei Defiziten entstehen, aufbringen. „Das ist geradezu abenteuerlich“, sagt Koplin.

 

Rettet den Denkmalschutz

Während sich in Zukunft der Kulturabbau im Theaterbereich vielleicht durch ein „Kulturfördergesetz“ – es gibt eine Initiative der Linken dazu – stoppen lassen könnte, ist die Gesetzeslage beim Denkmalschutz an sich gut. Das Denkmalschutzgesetz hat zum Beispiel den Paragraphen 20, der Notsicherungsmaßnahmen ermöglicht. Marc Reinhardt: „Ich finde, dass die gesetzliche Grundlage ausreichend ist und der Grundsatz ‚Eigentum verpflichtet‘ gilt.“ Wenn Guts- oder Herrenhäuser gerettet werden müssten, würden die Landkreise aber leider oft vergeblich versuchen, geltendes Recht durchzusetzen. „Wenn man am Ende einen privaten Eigentümer hat, der nichts hat und mittellos ist, dann hilft das beste Gesetz nicht. Um ein Denkmal dann zu erhalten, muss das Land eigenes Geld in die Hand nehmen und womöglich über den Weg der Enteignung gehen.“

 

Von Landesseite aus wurde im letzten Jahr etwas mehr Geld für Notsicherungen eingestellt, knapp zwei Millionen Euro, wobei die Summe aufs ganze Land verteilt wahrlich nicht viel ist. Jedes Jahr im Mai findet ein Workshop statt, bei dem sich Eigentümer und Nutzer von Guts- und Herrenhäusern treffen. Dieser Austausch ist immer gut besucht, fachkundige Leute basteln an etwaigen Lösungen für die Zukunft. Hier kam der von der Linke-Fraktion mitgetragene Vorschlag eines „Revolvierenden Fonds“ auf: Wenn die Kommunen nicht tätig werden, sollte das Land einen Fonds für die Notsicherung und wichtigste Bestandserhaltung auflegen. Das Geld aus dem Fonds wird wie ein Darlehen ausgegeben, und soll dann nach Realisierung der Maßnahme wieder zurückgezahlt werden. Auch bei der CDU sieht das Marc Reinhardt prinzipiell positiv: „Der revolvierende Fonds ist sicherlich eine ergänzende Möglichkeit, die wir auch in Anspruch nehmen sollten. Damit wird es uns aber nicht gelingen, jedes Denkmal zu retten, weil es Eigentümerstrukturen wie zum Beispiel Vereine gibt, die sich das nicht leisten können. Die Mittel für den Denkmalschutz insgesamt müssen aufgestockt werden.“ Marc Reinhardt setzt nicht zuletzt Hoffnung auf Bundesmittel, die zusammen mit Landesmitteln Sanierungen möglich machten und nennt Beispiele aus der Vergangenheit wie Schloss Kummerow oder Ivenack.

 

Höchste Priorität scheint der Denkmalschutz bei der Landesregierung wohl aber nicht zu genießen. So zumindest interpretiert Torsten Koplin die Tatsache, dass die 2014 ausgelaufene Stelle des Staatlichen Gartenkonservators bislang nicht neu besetzt wurde. Mit dieser Stelle wurde einerseits die staatliche Aufsichtspflicht des Denkmalschutzes eingehalten, andererseits wurden hier aber auch Gutachten für die Landschafts- und Gartengestaltung angefertigt. „Die Mitarbeiterin ging in den Ruhestand und seitdem gab es die Überlegung, die Stelle mit einer Position an der Hochschule Neubrandenburg zu verbinden“, schildert Koplin, „wir haben das kritisch gesehen.“ Der Lehrstuhlinhaber wäre halbtags für Studierende da und die andere Hälfte des Tages wäre er in Angelegenheiten der Schlösser und Gärten unterwegs. Koplin befürchtet eine quantitative Aufgabenüberlastung, aber auch eine Interessenkollision, weil der Stelleninhaber ja unter Umständen über die Hochschule Gutachten anzufertigen hat und zugleich über Verwaltungsakt entscheiden muss, ob dieses oder jenes Gutachten zum Zuge kommt. Der Vorschlag aus dem Bildungsressort sei schlichtweg der Einsparung von Personalkosten verschuldet. Marc Reinhardt und die CDU-Fraktion wollen abwarten, ob und wie sich die Hochschulposition bewährt. „Es hilft ja sowieso nicht, wenn wir Stellen im Landesamt haben, die uns sagen ‚Das ist alles gefährdet‘; das wissen wir aus heutiger Sicht auch schon selbst.“

 

Der Text ist zuerst in Politik & Kultur 02/2016 erschienen.


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