Bernd Bornhorst - 20. November 2018 Kulturrat_Logo_72dpi-01

Nachhaltigkeit & Kultur

Der Weltzukunftsvertrag


Kultur und Agenda 2030 – (wie) passt das zusammen?

Agenda 2030, „Weltzukunftsvertrag“, 17 Ziele für eine nachhaltige, zukunftsfähige Welt: Armut beenden, Ernährung sichern, Wasser, Energie, nachhaltige Konsum- und Produktionsweisen, Frieden. Was hat das mit Kultur zu tun? Vermutlich mehr, als manch einer meint. Doch dazu später mehr. Zunächst kurz ein paar Fakten.

 

Im September 2015 hat die Generalversammlung der Vereinten Nationen einen Meilenstein auf dem Weg zu einer besseren Welt gesetzt. Die Agenda 2030 mit ihren 17 nachhaltigen Entwicklungszielen wurde verabschiedet. Diese Agenda verbindet soziale und ökonomische Ziele – wie die weltweite Überwindung von Armut – mit ökologischen Fragen – wie dem Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen – und legt dar, wie die internationale Gemeinschaft dies bis zum Jahr 2030 erreichen will. Die Ziele sind universell, d. h. für alle Länder, gültig. Jedes Land muss sich fragen, was es leisten kann, um diese Ziele zu erreichen und zu unterstützen, im eigenen Land und in anderen Ländern. Aus dieser Perspektive ist auch Deutschland ein „Entwicklungsland“ und keineswegs nur ein „Modell“, denn unser vielfach nicht nachhaltiger Produktions- und Lebensstil behindert die Erreichung der Ziele.

 

Im Januar 2017 hat die Bundesregierung eine Neufassung der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie (DNS) verabschiedet. Sie soll den Rahmen für die Umsetzung der Agenda 2030 in und durch Deutschland bilden. Dies ist zunächst positiv, ebenso wie die Einbeziehung der Zivilgesellschaft, die den Umsetzungsprozess weiterhin kon­struktiv-kritisch begleiten wird. Gerade aber in der Umsetzung wird sich zeigen, wie ernst das alles gemeint ist. Die Ziele der Agenda 2030 gehen weit über die „klassische“ Entwicklungs- und Umweltpolitik hinaus. Alle relevanten Politikfelder, von der Agrarpolitik, der Verkehrspolitik, der Außen- und Sicherheitspolitik, bis zur Handels- und Wirtschaftspolitik müssen kohärent an den nachhaltigen Entwicklungszielen ausgerichtet werden. Deshalb ist es folgerichtig, dass sich auch die Zivilgesellschaft an der Breite der zu verfolgenden Ziele orientiert.

 

Bereits im Jahr 2013 hat der Verband Entwicklungspolitik und Humanitäre Hilfe (VENRO), in dem rund 130 deutsche Nichtregierungsorganisationen aus der Entwicklungszusammenarbeit und humanitären Hilfe vertreten sind, begonnen, sich mit anderen zivilgesellschaftlichen Akteuren zum Thema „Post-2015-Agenda“ zu vernetzen. Daraus hat sich 2015 das Netzwerk Agenda 2030 entwickelt, das gemeinsam von VENRO und dem Forum Umwelt und Entwicklung koordiniert wird. Es umfasst mittlerweile 27 Verbände und Netzwerke aus den Bereichen Menschenrechte, Soziales, Umwelt, Entwicklung, Frieden, Verbraucherschutz, Transparenz, Kultur, Migration, Frauen, Jugend, Senioren sowie den Gewerkschaften.

 

Dieser informelle Kreis diskutiert bei zwei bis drei jährlichen Treffen über den Stand der Umsetzung der Agenda 2030 und über zivilgesellschaftliche Aktivitäten zu diesem Thema. Mit gemeinsamen Stellungnahmen wie z. B. zur neuen Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie werden zivilgesellschaftliche Positionen in den politischen Diskurs eingebracht. Aus dem Kreis des Netzwerks wurden in den Jahren 2016 und 2017 zwei Transformationskonferenzen durchgeführt und zwei „SDG-Reports“, kurz für „The Sustainable Development Goals Reports“, zum Stand der Umsetzung der Agenda 2030 in, mit und durch Deutschland veröffentlicht.
Doch zurück zur Kultur. Was hat sie damit zu tun? In der Agenda 2030 wird Kultur nur sehr allgemein angesprochen: „Wir verpflichten uns, die interkulturelle Verständigung, Toleranz, gegenseitige Achtung und ein Ethos der Weltbürgerschaft und der geteilten Verantwortung zu fördern“, so heißt es auf Seite 10 der deutschen Fassung der UN-Agenda 2030. „Die Anstrengungen zum Schutz und zur Wahrung des Weltkultur- und -naturerbes müssen verstärkt werden“, geht es auf Seite 23 weiter.

 

Das ist wichtig und richtig. Es schreibt der Kultur aber vor allem eine Rolle als Objekt zu, also etwas, um das man sich kümmern muss und das es zu wahren gilt. Im Kern geht es aber an der großen Herausforderung vorbei, die sich gerade auch für die Kultur stellt, wenn die Agenda 2030 umgesetzt werden soll. Kultur im weitesten Sinne kann und muss in diesem Kontext eine aktive Rolle als handelndes Subjekt einnehmen.

 

Die Richtung, welche die Agenda 2030 weist, nämlich nachhaltiges, erfülltes Leben für alle im Einklang mit den ökologischen Grenzen, wird allein mit einem massiven Einsatz von Geld oder Technik nicht gelingen. Es geht nicht nur um Effizienz! Das, was manche „Große Transformation“ nennen, bedarf im Wesentlichen auch einer gesellschaftlichen Neuorientierung in vielen Bereichen. Was meinen wir mit „Wohlstand“, „Entwicklung“ und „gutem Leben“? Unsere westliche, kapitalistische Kultur ist geprägt vom Wachstumsdenken. Wachstum und Wohlstand werden gleichgesetzt und sind „alternativlos“ miteinander verbunden. Die Angst davor, dass es nicht so bleiben könnte, wie es ist, dass man zu den „Verlierern“ gehören könnte, treibt manchen gar in die Arme rechter Rattenfänger.

 

Kultur als Subjekt bei der Umsetzung der Agenda 2030 meint daher, dass sie zu den Treibern der notwendigen Veränderung gehören muss. Denn Kultur in ihrer ganzen Vielfalt ist einerseits Ausdruck und Reflexion von Lebenswirklichkeit. Kulturelle Traditionen beeinflussen Werte, Lebensstile und Verhaltensmuster, die sich positiv oder negativ auf nachhaltige Entwicklung auswirken können. Kultur bringt in unterschiedlichsten Formen Hoffnungen, Sehnsüchte und Wünsche nach einem besseren und erfüllten Leben zum Ausdruck. Ziele, wie sie in der Agenda 2030 dargelegt sind. Vermutlich wird die Rolle von Kultur als möglichem Treiber nachhaltiger Entwicklung bisher mehr als nur unterschätzt.

 

Bei der „UNESCO -Weltkonferenz zur Kulturpolitik“, die 1982 in Mexiko stattfand, wurde formuliert, dass „die Kultur in ihrem weitesten Sinne als die Gesamtheit der einzigartigen geistigen, materiellen, intellektuellen und emotionalen Aspekte angesehen werden kann, die eine Gesellschaft oder eine soziale Gruppe kennzeichnen. Dies schließt nicht nur Kunst und Literatur ein. Sondern auch Lebensformen, die Grundrechte des Menschen, Wertesysteme, Traditionen und Glaubensrichtungen.“ In dieser Definition wird deutlich, dass die kulturelle Dimension eine tragende Rolle bei der Verwirklichung der nachhaltigen Entwicklungsziele spielen muss.

 

Vor dem Hintergrund dieser Ausführungen ist die Mitwirkung des Deutschen Kulturrates im Netzwerk Agenda 2030 sehr zu begrüßen. Die Intensivierung der Zusammenarbeit breiter gesellschaftlicher Kreise bei der Erreichung der Ziele der Agenda 2030 bleibt eine Herausforderung, der wir uns gemeinsam widmen müssen.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 1/2018.


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