Wilhelm-Günther Vahrson - 17. November 2018 Kulturrat_Logo_72dpi-01

Nachhaltigkeit & Kultur

Der Name ist Programm


Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde berichtet

Unser Name ist Programm – mit diesem Slogan starteten wir 2010 in eine Phase der inhaltlichen Profilschärfung. Doch was heißt das eigentlich? Was ist eine Hochschule für nachhaltige Entwicklung, und warum ist sie „grün“?

 

Gehen wir einen Schritt zurück. 1992, Sie erinnern sich? Richtig, Weltgipfel in Rio de Janeiro oder genauer: Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung. Der große visionäre Wurf, der schließlich mit Rio +20 in die Forderung nach der großen Transformation in eine klimaverträgliche Gesellschaft ohne Nutzung fossiler Brennstoffe und in die Klimaabkommen von Paris und Marrakesch mündete.

 

Aber 1992 passierte noch mehr. Am 1. April nahm die Fachhochschule Eberswalde mit 45 Forststudierenden ihren Betrieb auf, schon damals mit klarem Profil: Durch alle Fachbereiche und Studienangebote sollte sich auf Beschluss des Gründungssenats ein „grüner Faden“ ziehen. Dieser „grüne Faden“ nahm eine lange Tradition auf.

 

Der Forstwissenschaftler und Forstpraktiker Wilhelm Pfeil begründete im Jahre 1830 in Eberswalde, umgeben von Wäldern, die Höhere Forstlehranstalt. Nachhaltigkeit war das große Thema in der Forstwissenschaft: Pfeil setzte sich mit ihr auseinander und zerriss in seinen gefürchteten Streitschriften unbarmherzig jeden, der vom Pfad der Nachhaltigkeit abwich. Forstliche Lehre und Forschung gehörten seitdem zu Eberswalde, bis 1963 die Lehre in Eberswalde aus politischen Gründen von der Regierung der DDR abgewickelt wurde. Nachhaltigkeit war damals grün und bis in die Mitte der 1970er Jahre des 20. Jahrhunderts weltweit eher ein Randthema.

 

Doch zurück in die Gegenwart: Dieses ursprünglich grüne Profil wurde in Eberswalde stetig entwickelt und schließlich im Jahr 2010 zugespitzt durch die Umbenennung in „Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde“ (HNEE). Da waren es rund 2.000 Studierende in 17 Bachelor- und Masterstudiengängen mit einem Fächerspektrum von Forstwirtschaft bis Global Change Management, von Holztechnik bis Regionalmanagement, von Ökolandbau und Vermarktung bis zu Nachhaltigem Unternehmensmanagement. Die HNEE wurde zweimal vom Portal Ökotopia unter die »grünsten Hochschulen Deutschlands« gerankt, worüber wir uns sehr gefreut haben. Aber unser Verständnis der Nachhaltigkeit wurde weiterentwickelt, es ist ein gesamtgesellschaftliches und beschränkt sich nicht nur auf die „grünen“ Bereiche.

 

Wie wird die Nachhaltigkeit umgesetzt?
Die HNEE verfolgt systematisch einen „Whole Institution Approach“ in Lehre, Forschung, Transfer und Betrieb. Dabei hat sich die Benennung zu einem wichtigen Treiber in einem sich selbst verstärkenden Prozess entwickelt. In allem, was wir tun, wird uns extern und vor allem intern die Frage nach Nachhaltigkeit gestellt. Das ist die selbst gelegte Messlatte, das Maß unserer Glaubwürdigkeit. Wir dürfen Nachhaltigkeit nicht nur predigen, sondern müssen Wege zur Umsetzung aufzeigen und selbst begehen. Hier versuchen wir, ein Höchstmaß an Kohärenz zu erreichen. Dazu einige Beispiele:
Der Hochschulbetrieb wirtschaftet seit 2014 CO2-neutral. Mit dem zweimaligen Gewinn des European EMAS Awards in 2009 und 2017 haben wir unsere europaweite Führungsposition für vorbildliches Umweltmanagement bestätigt. Seit September 2017 läuft, initiiert vom AStA und von der Hochschulleitung gemeinsam mit Partnern vom Verkehrsverbund Berlin Brandenburg, das Modellprojekt »Klimaneutrales Semesterticket« für eine klimaneutrale An- und Abreise der Studierenden.

 

Unsere Forschungs- und Transferthemen sind auf Nachhaltigkeit ausgerichtet. Ein Beispiel: Mit dem Forschungsschwerpunkt »Nachhaltige Entwicklung des ländlichen Raumes« machen wir aus dem ursprünglichen Manko der abseitigen Lage ein Plus und kooperieren direkt mit den regionalen Stakeholdern.

 

Wie werden Studierende nachhaltig ausgebildet?
Vorab, unser großes Ziel: Wir bilden die „Change Agents“ für die Große Transformation aus. Nicht mehr, nicht weniger. Für Nachhaltiges Lehren und Lernen gibt es sicher keine Königswege, aber gute Beispiele für die Vielfalt der Ansätze: Im Projekt „Nägel mit Köpfchen“ suchen wir erfolgreich Lösungen für die zunehmende Diversität der Studierenden. Dieses Projekt hat zu einer Reihe von curricularen Veränderungen und zu einer deutlichen Verbesserung der Leistungen in MINT-Fächern geführt. Eine Nachhaltigkeitsgrundvorlesung ist für alle Bachelorstudierenden verbindlich. Mit von Studierenden selbst geleiteten und curricular eingebundenen Projektwerkstätten haben wir gute Erfahrungen gemacht.

 

Das Praxismodul „Studienpartner Ökobetrieb“ verbindet Forschung, Lehre und Transfer und wurde am 28. November 2017 mit dem „Ars legendi-Preis“ des Stifterverbandes und der Hochschulrektorenkonferenz ausgezeichnet, das ist die bedeutendste Auszeichnung für exzellente Hochschullehre in Deutschland. Das innovative Lehrkonzept ermöglicht Studierenden, ganz praktische Lösungen für Fragen und Herausforderungen kooperierender Öko-Bauernhöfe zu entwerfen. Durch den fortwährenden Austausch mit den Landwirten und Lehrenden können Projekte weiterentwickelt oder weitere Fragestellungen aufgezeigt und in neuen Forschungsprojekten bearbeitet werden.

 

Wie kann eine „grüne“ Hochschul-/Bildungskultur aussehen?
Erst einmal nicht grün, sondern nachhaltig und zukunftsfähig. Ganz wichtig ist bei allem die Kommunikation und Partizipation in der Hochschule und Verankerung der Gesellschaft. Dabei hat sich bei uns der „Runde Tisch für Nachhaltige Entwicklung“ zu einem effizienten Bottom up-Treiber entwickelt, der über die Formulierung von Nachhaltigkeitsgrundsätzen einen verbindlichen, dann vom Senat beschlossenen Handlungsrahmen für die Hochschule entwickelt hat, aber auch mit Mensapersonal über bodenständige Dinge der Essensversorgung diskutiert. Übrigens, seit fast 20 Jahren hat die HNEE eine studentische Vizepräsidentin bzw. einen Vizepräsidenten. Die Hochschule wurde 2017 von der UNESCO zum Lernort des Jahres ernannt.

 

Wieso braucht es eine Hochschule für nachhaltige Entwicklung?
Wir brauchen nicht nur eine, sondern viele, und viele Hochschulen sind schon auf dem Weg. Hierzu sagt der Nationale Aktionsplan Bildung für Nachhaltige Entwicklung von 2017: „Hochschulen sind als Forschungs- und Bildungseinrichtungen zentral für eine nachhaltige Entwicklung. Durch Forschung und Lehre erarbeiten und vermitteln Hochschulen Wissen, Kenntnisse, Kompetenzen und Werte und bilden Multiplikatorinnen und Multiplikatoren und zukünftige Führungskräfte aus.“

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 1/2018.


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