Verantwortung übernehmen

Beauftragte der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und Humanitäre Hilfe

Auch im Jahr des 70. Geburtstags der Internationalen Erklärung für Menschenrechte ist es immer noch nötig, für Rechtsstaatlichkeit, Freiheit und ein Leben in Würde zu kämpfen. Als Beauftragte der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und Humanitäre Hilfe beobachte ich die Menschenrechts- und humanitäre Lage weltweit und spreche dabei offen Missstände – häufig in direkten Gesprächen vor Ort mit Regierungsverantwortlichen – an. Schön wäre es, wenn dies 70 Jahre nach der Erklärung nicht mehr notwendig wäre, doch leider bietet sich mir kein rosiges Bild. In vielen Teilen der Welt werden Menschen ihrer elementarsten Rechte beraubt. Dies führt immer wieder zu gewaltvollen Konflikten und in letzter Konsequenz auch zu Flucht und Vertreibung. Laut Vereinten Nationen waren Ende letzten Jahres über 68 Millionen Menschen weltweit auf der Flucht, mehr denn je.

 

Menschenrechtsverteidiger, Anwälte, Journalisten und Oppositionelle stehen in vielen Teilen der Welt enorm unter Druck. Es gibt Einschüchterungen, Diffamierungen, strafrechtliche Verfolgungen, Gefangenschaft und Folter. Wichtige Akteure wie die Vereinigten Staaten wenden sich vom multilateralen System ab oder versuchen es umzudeuten. Länder wie China oder Russland versuchen aktiv zur Relativierung der universellen Menschenrechte beizutragen.

 

Deutschland ist nun zum sechsten Mal im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen als temporäres Mitglied. Die Erwartungen an uns sind hoch. Gerade auch der Erwartung, mehr menschenrechtspolitische Verantwortung weltweit zu übernehmen, müssen wir gerecht werden.
Dafür müssen wir unseren Blick aber auch nach Europa richten. In einigen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union werden gesichert geglaubte Grundwerte und -prinzipien wieder infrage gestellt. In Ungarn z. B.
beschränkt die Regierung die Arbeit des Verfassungsgerichts, untergräbt zunehmend die Unabhängigkeit von Justiz und Presse. Mit restriktiven Gesetzespaketen wird der Raum für zivilgesellschaftliche Aktivitäten eingeschränkt, das gesellschaftliche Klima angegriffen.

 

Und auch in Deutschland dürfen wir unsere Augen nicht vor der Realität verschließen: Wir haben ein nicht zu leugnendes Problem mit Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus. Was in Chemnitz und in Köthen passiert ist, ist eine Schande für unser Land. Wenn Rechtsextreme auf Straßen demonstrieren und den Hitler-Gruß zeigen, ausländisch aussehende Menschen gejagt werden, dann können wir das nicht einfach hinnehmen. Bestimmte politische Strömungen verbreiten ein gefährliches Narrativ, laut dem Gewalt gegen Ausländer oder ausländisch aussehende Bürger gerechtfertigt sei. Dagegen kann ein jeder in Deutschland – auch im Kleinen – Zeichen setzen. Ausländerfeindlichem Populismus und Rechtsextremismus muss man sich entgegenstellen.

 

In meiner Arbeit als Menschenrechtsbeauftragte treffe ich überall auf der Welt auch auf starke, beeindruckende Menschen, die sich nicht unterkriegen lassen, auf Menschen, die sich unermüdlich einsetzen, die das Banner der Menschenrechte hochhalten und dafür viel riskieren. Sie sind der Grund, warum der 70. Geburtstag der Erklärung der Menschenrechte doch auch einen Grund zum Feiern gibt: Die Stimme der Menschenrechte ist da, sie ist wach, sie hat in vielen Ländern Veränderung bewirkt und sie ist weiter laut und unermüdlich. Es sind diese Menschen, denen wir den Rücken stärken müssen, die auch mir ein Ansporn für meine Arbeit sind.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 6/2018.

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Bärbel Kofler ist Beauftragte der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und Humanitäre Hilfe.
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