Felix Falk - 30. April 2018 Kulturrat_Logo_72dpi-01

Kulturgut Computerspiele

Langer Atem


Die Zukunft des Games-Standort Deutschland

Was lange währt, wird endlich gut – so ähnlich könnte man den Start in die neue Legislaturperiode für die deutsche Games-Branche zusammenfassen. Auch wenn die Regierungsbildung mehr Zeit in Anspruch genommen hat, als jemals zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, ist der dabei entstandene Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD für die Games-Branche ein wichtiger Meilenstein: Erstmals wird in dem Programm die Förderung der Games-Entwicklung genannt. Um zu international deutlich erfolgreicheren Produktionsstandorten aufzuschließen, wird die Einführung eines Fonds in Aussicht gestellt. Doch damit nicht genug: Auch das Thema eSports fand seinen Weg in das Regierungsprogramm. War der digitale Sport bei der vorherigen Regierungsbildung vor vier Jahren noch ein Nischenthema, hat es sich insbesondere in den vergangenen zwei Jahren zu einem wichtigen Trend entwickelt. Und so ist es nur folgerichtig, wenn eSports nicht nur als Sportart anerkannt werden soll, sondern im Regierungsprogramm auch direkt von einer olympischen Perspektive gesprochen wird.

 

Der Start in die neue Legislaturperiode war für die deutsche Games-Branche auch aus anderer Perspektive ereignisreich: Ende Januar, als CDU, CSU und SPD noch miteinander rangen, schlossen sich die beiden Verbände der Games-Branche in Deutschland zusammen. Mit dem neuen game ist ein Verband entstanden, der alle Akteure der deutschen Games-Branche vertritt – vom Spiele-Entwickler und Publisher über eSports-Veranstalter und Hochschulen bis zu Dienstleistern und weiteren Akteuren. Der game ist nicht nur Träger der gamescom, dem weltgrößten Event rund um Computer- und Videospiele, sondern auch Gesellschafter der Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) und der Stiftung Digitale Spielekultur. Das Konzept des gemeinsamen Verbandes fand dabei nicht nur in der Games-Branche viel Zuspruch – über 200 Unternehmen sind von Anfang an Mitglied im game –, sondern auch darüber hinaus. Ob direkt aus der Politik, von anderen Verbänden oder aus der internationalen Games-Branche – uns erreichten von überall zahlreiche Glückwünsche! Die deutsche Games-Branche startet daher deutlich gestärkt in die neue Legislaturperiode. Hinzu kommt: Dorothee Bär, frischgebackene Staatsministerin für Digitalisierung im Bundeskanzleramt, gab während der Gala des Deutschen Computerspielpreises bekannt, dass sie in der neuen Regierung für alle Games-Themen zuständig ist. Damit ist eine ausgewiesene Digital- und Games-Expertin in den kommenden Jahren die Verantwortliche für Games in der Bundesregierung.

 

An erster Stelle unserer Agenda für die neue Legislaturperiode steht die Einführung der Games-Förderung in Deutschland. Ob Frankreich, Großbritannien oder Kanada – international haben viele Länder ihre heimische Games-Branche systematisch unterstützt. Die Folgen sehen wir heute beim Blick auf die Verkaufscharts: Spiele aus Deutschland finden sich weder in Deutschland noch international auf den vorderen Rängen. Der Anteil deutscher Spieleentwicklungen auf dem heimischen Markt befindet sich bereits seit Jahren im mittleren einstelligen Prozentbereich. Wesentlicher Grund für diese Entwicklung sind die schwierigen Finanzierungsbedingungen in Deutschland. Durch die zielgerichtete Unterstützung der Games-Entwickler in anderen Ländern, sind Spiele-Produktionen in Deutschland um bis zu 30 Prozent teurer als andernorts. Diese Wettbewerbsnachteile müssen wir dringend abbauen. Denn die Folgen dieser Fehlentwicklung sind gravierend: Deutschland spielt kaum eine Rolle auf dem weltweiten Games-Markt, der bereits seit vielen Jahren sehr dynamisch wächst und andere Kultur- und Kreativbranchen längst hinter sich gelassen hat. Doch nicht nur wirtschaftlich sind die Schäden immens: Computer- und Videospiele haben sich längst zu einem kulturell prägenden Medium entwickelt – leider jedoch ohne deutsche Beteiligung. Das muss sich schnellstmöglich ändern! Zumal die Innovationen der Games-Branche und ihre Fachkräfte auch in vielen anderen Wirtschaftsbereichen dringend gebraucht werden.

 

Die Gefahr ist groß, dass wir weiter den Anschluss an den internationalen Games-Markt verlieren, wenn die Förderung auf Bundesebene nicht zeitnah eingeführt wird. Daher haben wir bereits wenige Wochen nach unserem Zusammenschluss zum game und nach Verabschiedung des Regierungsprogramms ein konkretes Modell für einen Games-Fonds präsentiert. Den „Deutschen Games-Fonds“ haben wir gemeinsam mit unseren Mitgliedern sowie EU-Beihilfe- und Förderrechtsexperten entwickelt. Kern des Vorschlags ist ein Fonds in Höhe von zunächst 50 Millionen Euro jährlich, dessen Zuschüsse automatisiert nach einem festen Mechanismus vergeben werden sollen. Mit dem Fonds soll die Entwicklung von Prototypen und Produktionen kleiner, mittlerer und großer Entwicklungsstudios gleichermaßen unterstützt werden. Unser Modell ist einfach, transparent und planbar; der Mechanismus ist mit europäischen Standards kompatibel. Es bildet die Grundlage, Deutschland zu einem international starken und innovativen Standort für die Spieleentwicklung zu machen.

 

Von einer Umsetzung des „Deutschen Games-Fonds“ profitiert nicht nur der Games-Standort Deutschland, sondern sogar der Finanzminister. Ein Blick nach Frankreich zeigt, welche volkswirtschaftlichen Hebelwirkungen durch die gezielte Förderung möglich sind: Für jeden Förder-Euro werden zusätzliche 1,80 Euro an Steuern sowie weitere acht Euro an Investitionen generiert. Für das Modell des „Deutschen Games-Fonds“ in Höhe von 50 Millionen Euro würde dies ein erhöhtes Steueraufkommen von 90 Millionen Euro sowie zusätzliche Investitionen in Höhe von 400 Millionen Euro bedeuten.

Auf unserer Agenda für die neue Legislaturperiode steht auch die Weiterentwicklung des Deutschen Computerspielpreises. Dieser hat sich in den vergangenen Jahren im Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur sehr gut entwickelt. Unserem Ziel, mit dem Preis die herausragenden Leistungen der deutschen Games-Branche weithin sichtbar zu machen, kommen wir jedes Jahr ein gutes Stück näher. Wegen des Deutschen Computerspielpreises berichten nicht nur Fachmedien über Titel aus Hamburg, München oder Berlin, sondern eben auch Sendungen wie das ZDF Morgenmagazin. Doch trotz dieser Erfolgsgeschichte gibt es eine große Baustelle: Bisher zahlen die Preisträger immer noch anteilig ihr eigenes Preisgeld. Ein einmaliger Vorgang bei den Kulturpreisen der Bundesregierung. Wir werden uns zwar weiter stark für den Deutschen Computerspielpreis engagieren, aber mit dieser Ungleichbehandlung muss endlich Schluss sein! Nur dann bleibt der Deutsche Computerspielpreis ein politisch glaubwürdiges Bekenntnis für die Games-Branche und kein Zeichen der Ungleichbehandlung aus alten Zeiten.

 

Auch beim Thema eSports müssen wir in dieser Legislaturperiode Fakten schaffen: Der digitale Sport hat sich in kürzester Zeit aus der Nische heraus zu einem Trend entwickelt, dessen große Potenziale selbst DAX-Schwergewichte wie Mercedes-Benz oder BMW längst nutzen. International vollzieht sich der Wandel sogar noch schneller: Bereits bei den Asienspielen 2022 in Hangzhou soll der digitale Sport offizielle Disziplin werden. Und auch für die Olympischen Spiele zwei Jahre später in Paris wird über eine Berücksichtigung diskutiert. Zwar wird eSports auch im aktuellen Regierungsprogramm eine olympische Perspektive eingeräumt. Allerdings kann das Bundeskabinett hierüber nicht allein entscheiden, sondern braucht den organisierten Sport. Und genau hier gibt es immer noch Vorbehalte, wie zuletzt die gestrigen und wenig glücklichen Worte von DFB-Präsident Reinhard Grindel zeigten, der die Beschäftigung mit digitalen Medien als „absolute Verarmung“ bezeichnete. Hier muss weiter Überzeugungsarbeit geleistet werden. Ansonsten drohen wir abermals von der internationalen Entwicklung überholt zu werden.

 

Diese Legislaturperiode ist entscheidend für den Games-Standort Deutschland. Bisher laufen wir der internationalen Entwicklung zumeist hinterher – sowohl bei den Rahmenbedingungen für die Entwicklung von Computer- und Videospielen als auch beim Thema eSports. Die Ausgangslage in dieser Legislaturperiode ist jedoch besser als jemals zuvor: Endlich werden die großen Potenziale erkannt. Erstmals haben es die Games-Förderung und eSports in ein Regierungsprogramm geschafft, mit Dorothee Bär ist eine ausgewiesene Games- und Digital-Expertin für unsere Themen zuständig und mit dem game haben wir einen Verband, der sich kompetent und handlungsstark für die gesamte deutsche Games-Branche einsetzt. Daher sind wir sehr zuversichtlich, dass auch für den Games-Standort Deutschland am Ende gilt: Was lange währt, wird endlich gut!

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 03/2018.


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