Josef Schrader & Franziska Loreit - 6. Juli 2018 Kulturrat_Logo_72dpi-01

Kulturelle Erwachsenenbildung

Was ist Erwachsenenbildung?


Geschichte, Hintergrund, Ziele

Die Rede vom lebenslangen Lernen ist allgegenwärtig und bringt zum Ausdruck, dass das Lernen nicht mit Schule, Ausbildung oder Studium endet, sondern auch im Erwachsenenalter als der längsten Bildungsphase fortgeführt wird. Angebote für das Lernen Erwachsener gibt es zwar bereits seit der „Epochenwende“ vom 18. zum 19. Jahrhundert. Doch erst in den letzten Jahrzehnten hat sich die Erwachsenen- und Weiterbildung in Deutschland zum größten Bildungsbereich entwickelt, wenn man die Zahl der Anbieter, der angebotenen Veranstaltungen und der Teilnehmenden zugrunde legt. Es ist üblich, die Begriffe Erwachsenen- und Weiterbildung für alle organisierten Lernaktivitäten Erwachsener zu verwenden. Darüber hinaus lernen Erwachsene aber selbstverständlich auch selbstorganisiert, z.B. durch die Lektüre von Fachbüchern oder den Erfahrungsaustausch am Arbeitsplatz. Das Lernen Erwachsener kann sowohl die Fortsetzung als auch das Nachholen und die Aktualisierung von Lern- und Bildungsprozessen umfassen. Über die organisierten Bildungsangebote soll den erwachsenen Lernern Wissen für das eigene Handeln, die Interaktion mit Anderen, zur Sicherung und Weiterbildung der individuellen und sozialen Identität und zur Orientierung innerhalb bestehender Wertesysteme vermittelt werden. Die Angebotsschwerpunkte der Erwachsenen- und Weiterbildung erstrecken sich dabei vom Erwerb von Basiskompetenzen und dem Nachholen von Schulabschlüssen über die Vermittlung von Kommunikations- und Schlüsselfähigkeiten sowie Fremdsprachen hin zur Unterstützung Erwachsener in ihren verschiedenen Rollen und Lebensbereichen – z.B. in der Familie, der Nachbarschaft oder in der Freizeit – durch Familien-, Gesundheits-, Umwelt-, Verbraucher-, Freizeit- oder kulturelle sowie politische Bildung. Hinzu kommt noch der Bereich der Erwerbs- und berufsbezogenen Anpassungs- und Aufstiegsfortbildungen. Diese Angebote werden von staatlichen oder öffentlich-rechtlichen, gemeinnützigen, kommerziellen oder innerbetrieblichen Weiterbildungsanbietern bereitgehalten, teils arbeitsteilig, teils in Konkurrenz zueinander. Die Kurse, Seminare und Trainings werden von nebenberuflich oder ehrenamtlich Tätigen, in wachsender Zahl aber auch freiberuflich oder festangestellten Teamern, Dozentinnen, Kursleiterinnen oder Trainern durchgeführt, die häufig nicht nur für eine, sondern für mehrere dieser Einrichtungen arbeiten.

 

Was sind Themen der (kulturellen) Erwachsenenbildung?
Betrachtet man die Angebotsentwicklung insgesamt, so zeigt sich eine Zunahme an Angeboten der beruflichen und erwerbsbezogenen Weiterbildung, während seit längerem bereits ein Rückgang der politischen Bildung festzustellen ist. Angebote für formale Schlüsselqualifikationen und der kulturellen Bildung nehmen kontinuierlich zu und die Gesundheitsbildung, der Fremdsprachenerwerb sowie die EDV-Grundbildung haben nach wie vor einen hohen Stellenwert im Angebotsspektrum der Anbieter. Eine besondere Aufmerksamkeit hat in den vergangenen Jahren die Alphabetisierung von Erwachsenen erfahren, da verschiedene Studien darauf hingewiesen haben, dass ein großer Prozentsatz deutschsprachiger Erwachsener in Deutschland nur eingeschränkt, gelegentlich gar nicht
lesen und schreiben kann. Diese Entwicklungen verdeutlichen, dass Einrichtungen der Erwachsenen- und Weiterbildung mit ihren Angeboten auf gesellschaftliche Herausforderungen und aktuelle Anforderungen in verschiedenen Lebensbereichen von Erwachsenen reagieren (müssen). Zuletzt haben in den öffentlichen Medien beispielsweise die kurzfristig bereitgestellten Angebote für Geflüchtete große Aufmerksamkeit erfahren. Die Digitalisierung ist ein weiterer Bereich, in dem die
Erwachsenen- und Weiterbildung versucht, Antworten für das Lehren, Lernen und Arbeiten der Zukunft zu geben.

 

Blickt man auf die Angebote zur kulturellen Erwachsenenbildung, so findet sich eine Fülle von Veranstaltungen in Form von Vorträgen, Werkstätten, Kursen oder Seminaren, die teils eher auf die kundige Rezeption von Angeboten der so genannten Hochkultur gerichtet sind, teils vor allem die künstlerische oder kunsthandwerkliche Ausdrucksfähigkeit der Teilnehmenden unterstützen wollen. Diese Angebote sind teils spezifisch für die Erwachsenenbildung, teils werden sie in Kooperation mit Kulturinstitutionen wie Museen oder Theatern durchgeführt, teils bieten die Kulturinstitutionen selbst vergleichbare Angebote (Fleige et al., 2015). Ein wichtiger Anbieter für die kulturelle Erwachsenenbildung sind die Volkshochschulen.

Wer nimmt an (kultureller) Erwachsenenbildung teil?
Insgesamt steht die Beteiligung in einem Zusammenhang mit dem Bildungs- und Qualifikationsniveau. So nehmen beispielsweise Erwachsene ohne Berufsabschluss oder mit abgeschlossener Lehre im Vergleich zu Personen mit einer Meisterausbildung oder einer abgeschlossenen Hochschulausbildung deutlich seltener an Erwachsenen- und Weiterbildung teil (Bilger et al., 2013). Die Erhebung des Adult Education Survey 2007 hat zudem gezeigt, dass unter den 19- bis 65-Jährigen mit (Fach-)Hochschulreife die Beteiligung an kulturellen Aktivitäten (Besuch von Sehenswürdigkeiten und Theater-, Konzert-, Oper- und Ballettbesuche sowie eigene öffentliche
Auftritte und gestalterische Aktivitäten) deutlich höher ist als bei Personen mit einem niedrigeren Schulabschluss. Insgesamt sind Erwachsene, die an Weiterbildung teilnehmen, auch kulturell aktiver. Dieser Befund wird durch aktuellere Daten des Nationalen Bildungspanels (NEPS) bestätigt.

 

Über das Deutsche Institut für Erwachsenenbildung – Leibniz-Zentrum für Lebenslanges Lernen e.V.

Das Deutsche Institut für Erwachsenenbildung – Leibniz-Zentrum für Lebenslanges Lernen e.V. (DIE) wurde 1957 zunächst als Pädagogische Arbeitsstelle des Deutschen Volkshochschul-Verbandes gegründet und forscht seitdem rund um das Lehren und Lernen Erwachsener. Dabei geht es zum Beispiel um Fragen der Wirkung von Bildungspolitik auf
den Erwachsenen- und Weiterbildungsbereich, Fragen zu Weiterbildungsangeboten für bestimmte Zielgruppen wie Geflüchtete oder Arbeitslose, Fragen nach den Organisationsstrukturen der Bildungseinrichtungen oder Fragen der Kompetenzentwicklung von Kursleitenden und Trainern. Das Profil des Instituts ist davon geprägt, Forschung und Anwendung miteinander zu verknüpfen und Forschungsergebnisse für die Praxis, Politik und Wissenschaft nutzbar zu machen. Hierfür hält das DIE unter anderem verschiedene Publikationsreihen und Zeitschriften, ein Informations- und Vernetzungsportal für Lehrende in der Erwachsenenbildung (www.wb-web.de) sowie Instrumente zur Kompetenzermittlung wie den ProfilPASS (www.profilpass.de) bereit.

 

Literatur und Literaturempfehlungen

 

  • Autorengruppe Bildungsberichterstattung (2012). Bildung in Deutschland 2012. Ein indikatorengestützter Bericht mit einer Analyse zur kulturellen Bildung im Lebenslauf. Bielefeld: W. Bertelsmann.
  • Bilger, F., Gnahs, D., Hartmann, J. & Kuper, H. (Hrsg.). (2013). Weiterbildungsverhalten in Deutschland. Resultate des Adult Education Survey 2012. Bielefeld: W. Bertelsmann. DOI: 10.3278/14/1120w.
  • Fleige, M., Gieseke, W. & Robak, S. (2015). Kulturelle Erwachsenenbildung. Strukturen – Partizipationsformen – Domänen. Bielefeld: W. Bertelsmann.
  • Huntemann, H. & Reichart, E. (2017). Volkshochschul-Statistik. 55. Folge, Arbeitsjahr 2016. Bielefeld: W. Bertelsmann. DOI: 10.3278/85/0017w.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen auf dem Internetportal „Kultur bildet.“ des Deutschen Kulturrates im April 2018.


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