Ethikkommission ist erforderlich

Regeln für fairen und gerechten Umgang erarbeiten

Je näher die Eröffnung des Humboldt Forums rückt, desto heftiger wird die öffentliche Debatte um den Umgang mit kolonialer Raubkunst geführt. Wie wenig rational dieses Thema derzeit in der Öffentlichkeit debattiert wird, zeigt der allgegenwärtige Aktionismus, der diese Debatte treibt. Die Komplexität der Rückgabe von unrechtmäßig entzogenem Kulturgut lässt sich allein daran erkennen, wie schwer Deutschland heute noch der Umgang mit NS-Raubkunst fällt. Experten sind sich einig, dass 73 Jahre nach Kriegsende auf diesem Feld deutlich zu wenig geschehen ist.

 

Die Frage nach dem Umgang mit Kunstobjekten aus den ehemaligen europäischen Kolonien ist weitaus komplexer und vielschichtiger. Allein die Frage nach der Herkunft der Objekte bedarf intensiver und jahrelanger Provenienzrecherche, zumal die Dokumentation deutlich lückenhafter sein dürfte als bei NS-Raubkunst. Darüber hinaus gibt es oftmals keine Klarheit, an wen etwaige Kunstobjekte zu restituieren wären – an die heutigen, von der Bundesrepublik Deutschland anerkannten Staaten, an einzelne Volksgruppen, an ehemalige Herrscherfamilien oder auch an Religionsgemeinschaften oder Privatpersonen? All diese Fragen bedürfen einer intensiven Beschäftigung und Hinterfragung, bevor es möglich ist, eine abschließende Position zum Umgang mit kolonialen Kunstobjekten zu etablieren. In der Zwischenzeit ist es essenziell, dass die Provenienz­recherche deutlich gesteigert wird und Objekte, bei denen ein Raubkunstverdacht nicht nachhaltig ausgeschlossen werden kann, in den Ausstellungen dementsprechend deutlich sichtbar gekennzeichnet werden.

 

Am wichtigsten – und dies sollte noch vor der Eröffnung des Humboldt Forums geschehen – wäre jedoch die Schaffung einer Ethikkommission, die Experten aus Wissenschaft, Politik und Kultur zusammenbringt und konkrete Vorschläge für einen fairen und gerechten Umgang mit kolonialen Kunstobjekten erarbeitet. Nur so ist es möglich, der Komplexität dieses Themas gerecht zu werden.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 01-02/2019.

Hartmut Ebbing
Hartmut Ebbing, MdB ist kulturpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion im Deutschen Bundestag.
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