Anne Katrin Bohle - 2. Februar 2021 Kulturrat_Logo_72dpi-01

Stadtkultur

Stadtkultur im Wandel


Herausforderungen und Chancen für die Stadtentwicklung

Die Corona-Pandemie stellt Städte und Gemeinden vor enorme Herausforderungen. Sie verändert nicht nur unser gesellschaftliches Leben, sondern auch unsere Innenstädte und Stadtzentren. Zugleich liegt darin aber auch eine Chance für neue Ansätze in der Stadtentwicklung. Sie zeigt uns auf, wo wir ansetzen müssen, um attraktive Innenstädte, eine lebendige Stadtkultur mit hohen baukulturellen Qualitäten zu schaffen, die das Wohlbefinden der Menschen und ihre Identifikation mit der Stadt prägen und Innenstädte als Begegnungsorte attraktiv machen.

 

Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat hat daher den „Beirat Innenstadt“ ins Leben gerufen. Unter Beteiligung von Fachverbänden werden wir bis zum Sommer 2021 eine Innenstadt-Strategie erarbeiten. Sie soll darstellen, wie Innenstädte stadtentwicklungspolitisch klug mit verändertem Einkaufs-, Besuchs- und Freizeitverhalten, neuen Arbeitswelten, innovativen Mobilitätskonzepten sowie mit Leerständen und Anforderungen des Klimawandels umgehen können. Für die Umsetzung bleibt der Bund wichtiger Partner der Kommunen. Das zeigt sich auch an der mit 790 Millionen Euro auf hohem Niveau verstetigten Städtebauförderung. Sie hilft bei der Bewältigung der städtebaulichen Herausforderungen, insbesondere mit dem Programm „Lebendige Zentren“.

 

Die aktuellen pandemiebedingten Einschränkungen zeigen auch die Bedeutung von Einrichtungen wie Schulen, Universitäten, Museen, Theater, Sport- und Freizeiteinrichtungen. Sie sind unverzichtbare Bestandteile der sozialen Infrastruktur einer jeden Stadt. Die Bundesregierung hat diesen Bedarf erkannt und fördert den Erhalt der sozialen und kulturellen Infrastruktur mit dem Bundesprogramm „Sanierung kommunaler Einrichtungen in den Bereichen Sport, Jugend und Kultur“. Bundesweit werden bereits über 500 Projekte mit einem Programmvolumen von insgesamt rund 1,55 Milliarden Euro gefördert – von 2015 bis 2020. Darüber hinaus wurde vor wenigen Monaten der „Goldene Plan“ neu aufgelegt. Zur Förderung der Sanierung von Sportstätten für den Breitensport stellte die Bundesregierung 150 Millionen Euro im Jahr 2020 bereit. Wir wollen den „Goldenen Plan“ bis zum Jahr 2024 mit weiteren 380 Millionen Euro fortführen.

 

Mit solchen Initiativen geht die Bundesregierung Probleme an, die zum Teil schon vor der Pandemie da waren und im letzten Jahr in ihrer Dynamik noch verstärkt wurden. Es stellt sich aber auch die grundsätzliche Frage: Wie wollen wir in der Zukunft gemeinsam leben, arbeiten, lernen und wohnen? Mögliche Antworten darauf haben wir in der Stadtentwicklungsausstellung „Living the City – Von Städten, Menschen und Geschichten“ gezeigt. Die Ausstellung wurde im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft konzipiert und stellte anschaulich und lebendig den Lebensraum Stadt und das Aufgabenfeld der integrierten Stadtentwicklung dar. Präsentiert wurden die Projekte anhand alltäglicher Objekte, Fundstücke und Materialien des Stadtraums, wie persönliche Geschichten und individuelle Erfahrungen. So haben wir Zukunftspotenzial aus der Perspektive von Nutzerinnen und Nutzern unserer Städte gesammelt.

 

Das Konzept der Ausstellung spiegelte dabei zentrale Elemente der Neuen Leipzig Charta wider. Diese finden sich auch im integrierten Ansatz der deutschen Städtebauförderung wieder. Seit nunmehr 50 Jahren unterstützt diese das kulturelle Leben, Nachbarschaften, Integration und sozialen Zusammenhalt. So wurden im Rahmen des Programms „Soziale Stadt“ bis 2019 insgesamt 965 Gesamtmaßnahmen in 544 Kommunen mit rund 1,9 Millia­rden Euro Bundesfinanzhilfen gefördert. Die „Soziale Stadt“ wird in der 2020 neu strukturierten Städtebauförderung als Programm „Sozialer Zusammenhalt“ mit 200 Millionen Euro Bundesmitteln
fortgeführt. Gefördert werden städtebauliche Investitionen in wohnortnahe, soziale Infrastrukturen, wie Stadtteilzentren, Bürgertreffs, Bildungseinrichtungen, Bibliotheken oder Mehrgenerationenhäuser, nunmehr verstärkt auch in kleineren Städten und Gemeinden.

 

Beispielhaft für die Erfolgsgeschichte der Stadtentwicklung in Deutschland stehen auch die Nationalen Projekte des Städtebaus. Als Premiumprojekte mit hoher städtebaulicher und baukultureller Qualität wurden im Bundesprogramm bereits 169 Projekte aus 122 Kommunen mit einem Bundeszuschuss von rund 520 Millionen Euro gefördert – von 2014 bis 2020.

Die Art, wie wir leben und wohnen, unterliegt stetigem Wandel. Die Digitalisierung sorgt zweifelsohne für neue Entwicklungen, auch im Wohnbereich – Smart Home und Homeoffice. Die Corona-Pandemie hat diese Trends unerwartet verstärkt. Aber auch die Umsetzung unserer Klimaschutzmaßnahmen wird Wohnquartiere verändern. Welche Wohnkonzepte sich letztlich durchsetzen, lässt sich schwer vorhersagen. Wichtig ist, dass wir einen guten und verlässlichen Rahmen setzen, der eine am Bedarf der Menschen orientierte Weiterentwicklung des Wohnungsangebotes ermöglicht und für breite Schichten der Bevölkerung zugänglich und bezahlbar bleibt. Auch mit Blick auf die Altersstruktur unserer Bevölkerung werden die Bedarfe für ein barrierearmes Wohnen und Wohnumfeld weiter an Bedeutung gewinnen. Ähnliches gilt für gemeinschaftliche und gemeinwohlorientierte Wohnangebote. Auch eine bessere Vernetzung von Wohnen und Mobilität ist notwendig: Elektroladestationen, E-Bikes und Car-Sharing-Angebote können als Lösungen dazu beitragen.

 

Die Bundesregierung unterstützt mit den Modellprojekten „Smart Cities“ Kommunen dabei, die Digitalisierung im Sinne einer integrierten nachhaltigen Stadtentwicklung zu gestalten und die Smart City Charta umzusetzen. Die einzelnen Förderprojekte widmen sich zukunftsrelevanten Fragen wie Gemeinwohlorientierung, Teilhabe und Daseinsvorsorge. Sie stehen im Zeichen eines interdisziplinären, prozesshaften Vorgehens unter Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger. So generieren sie einen Erfahrungsschatz, der allen Kommunen in Deutschland zugutekommt. Die Bundesregierung hat im Konjunktur- und Zukunftspaket die Fortführung der Modellprojekte Smart Cities mit einer Aufstockung der Mittel auf insgesamt rund 820 Millionen Euro beschlossen. Ziel ist es, mit den Modellprojekten zügig und nachhaltig konjunkturelle Impulse zu setzen und eine schnelle Breitenwirkung zu erzielen.

 

Dennoch: Die vielschichtigen Problemlagen in benachteiligten Gebieten sind nicht allein über städtebauliche Maßnahmen zu lösen. Deshalb fördern wir mit dem ESF-Programm „Bildung, Wirtschaft, Arbeit im Quartier – BIWAQ“ niedrigschwellig die Qualifizierung der Menschen im Quartier. Mit der ressortübergreifenden Strategie „Soziale Stadt – Nachbarschaften stärken, Miteinander im Quartier“ erproben wir in sechs Modellprogrammen die Bündelung von Fachpolitiken auf Bundesebene mit den Schwerpunkten Integration, Soziokultur, Verbraucherinformation, Ernährungsbildung für Kinder und Jugendliche, Sport und politische Teilhabe.

 

Zur Mitwirkung junger Akteure fördert der Bund junge Stadtmacher wie die Urbane Liga mit Projekten und Initiativen aus 24 Städten. Dazu gehört z. B. der Verein Minha Galera in Hürth bei Köln, der eine ehemalige Fabrik zum partizipativen Zukunftslabor, kreativen Schaffensort und zu einer offenen Begegnungsstätte umgestaltete. Wo früher Schrott, Dreck und rauchende Schornsteine dominierten, kommen heute Menschen in offenen Werkstätten zusammen. Als Netzwerkplattform zielt die Urbane Liga auf innovative Ansätze für eine offene und jugendgerechte Stadt.

 

Die Erfahrungen aus dem coronabedingten Lockdown offenbaren auch Schwachstellen eines digital geprägten Alltags. So führt die Pandemie eindrucksvoll vor Augen, wie sehr die Stadtgesellschaft auf Grünflächen und einen durchgrünten öffentlichen Raum angewiesen ist. Die Bundesregierung unterstützt Kommunen dabei, dieses Grün in der Stadt zu sichern, zu qualifizieren und, wo möglich, auszubauen. Ausgezeichnete Projekte zeigt der 2020 erstmalig ausgelobte „Bundespreis Stadtgrün“. Das neue Bundesprogramm „Anpassung urbaner Räume an den Klimawandel“ fördert Projekte, die Grün- und Freiräume auf klimatische Veränderungen vorbereiten und so weiterentwickeln, dass von ihnen eine Verbesserung des Stadtklimas ausgeht.

 

Die Stadtentwicklungsprogramme des Bundes fördern so eine aktive und engagierte Gesellschaft, in der Menschen auf dem Weg sind, zukunftsfähige Lösungen für eine gute Stadtkultur zu entwickeln, das soziale Miteinander zu stärken und mit smarten Technologien die Lebensqualität von Bürgerinnen und Bürgern in Stadt und Land zu verbessern.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 2/2021.


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