Daniela Sandner und Theresa Brüheim - 11. Februar 2020 Kulturrat_Logo_72dpi-01

Kulturerbe Fasching-Fastnacht-Karneval

Von Strohbären bis zur Rhöner Maskenfastnacht


Immaterielles Kulturerbe Fasching-Fastnacht-Karneval

Daniela Sandner lebt den Traum vieler Narren und auch Jecken. Bei ihr ist jeder Tag Fasching-Fastnacht-Karneval. Zumindest fast. Die Volkskundlerin leitet seit 2012 das Deutsche Fastnachtmuseum, das offizielle Museum des Bundes Deutscher Karneval, in Kitzingen. Nicht nur im Museum ist Fakt: Die 5. Jahreszeit ist Kulturerbe. Theresa Brüheim fragt nach, was Karneval zum Kulturerbe qualifiziert, welche Rolle das UNESCO-Label tatsächlich spielt und wie Bräuche an junge Generationen weitergegeben werden können.

 

Theresa Brüheim: Karneval und Kulturerbe – wie kommt beides zusammen?
Daniela Sandner: Die Definition der UNESCO zum Kulturerbe ist sehr vage. Sie sagt, dass immaterielles Kulturerbe mit Tanz, Theater, Musik, Bräuchen, Festen oder Handwerkskünsten zu tun haben kann. Fasching-Fastnacht-Karneval – mir ist es wichtig, alle drei Bezeichnungen zu nennen und so von sämtlichen regionalen Varianten zu sprechen – passen optimal dazu. Es ist ein Brauchkomplex, der damit verbunden ist; es ist ein Fest, das gefeiert wird; es verknüpft verschiedene traditionelle Handwerkskünste; Musik, Tanz und Theater spielen eine große Rolle. Fasching-Fastnacht-Karneval verbindet alle Elemente des immateriellen Kulturerbes miteinander. Man kann von einem „Gesamtkunstwerk“ sprechen. Insofern passen Karneval und Kulturerbe hervorragend zusammen.

Schon 2001 hat die UNESCO den Karneval von Oruro in Bolivien als immaterielles Kulturerbe anerkannt. Zwei Jahre später kam der von Binche in Belgien hinzu. Regelmäßig folgten weitere Aufnahmen des Karnevals aus Kolumbien, Brasilien, Frankreich, Ungarn und Österreich in das internationale UNESCO-Verzeichnis.

 

Neben dem internationalen Verzeichnis gibt es auch das nationale. 2014 wurden der Rheinische Karneval und die schwäbisch-alemannische Fastnacht ins bundesweite Verzeichnis Immaterielles Kulturerbe der UNESCO aufgenommen. Wieso diese beiden?
Zuerst einmal muss man schauen: Welche Traditionen haben sich um diese Auszeichnung beworben? Wer hat den Antrag verfasst? Bei beiden handelt es sich um repräsentative und auch um sehr bekannte Brauchformen im Rahmen von Fasching-Fastnacht-Karneval. Sie verfügen über eine große »Lobby« und somit weitreichende Möglichkeiten, um so einen komplexen Antrag überhaupt zu stellen. Außerdem nehmen auch Hunderttausende Menschen jährlich aktiv und passiv an diesen beiden Brauchformen teil und organisieren sie. Die Entscheidung von der Deutschen UNESCO-Kommission ist demnach durchaus nachvollziehbar.

 

Welche anderen Traditionen im Rahmen von Karneval-Fasching-Fastnacht sollten diesem Verzeichnis hinzugefügt werden?
Bei der deutschen Liste geht es hauptsächlich um das Thema Regionalität. Da gibt es natürlich noch viele andere Brauchformen in Deutschland, die mir sofort einfallen. Z. B. die Mainzer Fastnacht. Ihr Stellenwert in der Gesellschaft ist genauso bedeutsam wie jener der beiden aufgenommenen Brauchformen. Es gibt natürlich noch kleinere Brauchformen, die für die Regionen, in denen sie gepflegt werden, unglaublich wichtig sind. Ich denke an die Rhöner Maskenfastnacht in Unterfranken oder an Figuren wie die Strohbären, die es in ganz Europa gibt. Auch im Osten Deutschlands gibt es interessante Traditionen, die der sozialistischen Diktatur getrotzt haben. Eine Vielzahl an Brauchformen ist Kulturerbe. Ob sie am Ende aber das Etikett der UNESCO bekommen, steht auf einem anderen Blatt. Dafür muss es erst mal einen Antrag geben, der von den Brauchträgern gestellt wird. Hinter den Anträgen stehen verschiedene Motivationen, neben Anerkennung auch gesellschaftspolitische Ansprüche oder die Hoffnung auf steigende Touristenzahlen aufgrund des Labels „Kulturerbe“. Ein Brauch braucht aber immer eine gesunde innere Struktur. Daher gibt es auch Brauchträger, die sich gegen einen Antrag entscheiden. Nicht jeder Brauch lebt von fremden Zuschauern. Manche Bräuche gewinnen nicht durch das UNESCO-Etikett „Immaterielles Kulturerbe“. Das muss man auch verstehen.

 

Bisher hat es aber keine deutsche Brauchform der 5. Jahreszeit in das internationale UNESCO-Verzeichnis geschafft.
Nein, das stimmt. Allerdings arbeiten gerade die Brauchträger des Rheinischen Karnevals und der schwäbisch-alemannischen Fastnacht zusammen, um einen gemeinsamen Antrag vorzubereiten. Ein solcher Antrag schließt aber eine Vielzahl von anderen Brauchformen aus. Stattdessen gab es vor einigen Jahren die Überlegung, einen Antrag für Fasching-Fastnacht-Karneval mit allen regionalen Ausprägungen aufzusetzen. Das ist auch geschehen, allerdings wurde der Antrag abgelehnt. Die lokalen und regionalen Antragsvarianten werden bevorzugt. Es sind komplexe Entscheidungsprozesse. Natürlich ist es am Ende ein exklusives Listenprinzip. Daher bleibt auch immer die Frage: Wie repräsentativ kann das UNESCO-Verzeichnis tatsächlich sein?

 

Wie können und werden die vielfältigen Karnevalstraditionen mit ihren regionalen Ausprägungen jungen Generationen vermittelt?
Grundsätzlich sind die Träger von Bräuchen, Festen oder Traditionen meist über Verbände und Vereine organisiert. Eine Vereinsstruktur verlangt eine aktive Jugendarbeit. Das sieht man in den Karnevalsvereinen deutlich. Dabei zeichnen sich zwei Entwicklungen ab: Es gibt die Karnevalsgesellschaften oder Narrenzünfte, die sehr erfolgreich sind und viel in Jugendarbeit und Nachwuchsförderung investieren. Im Rheinischen Karneval z. B. ist der Gardetanz stark ausgeprägt. Da gibt es kaum Nachwuchsprobleme. Natürlich gibt es aber Vereine, die es verschlafen, junge Nachfolger zu bestimmen, mit denen sich weitere junge Leute verbunden fühlen. Wenn das nicht frühzeitig geschieht, können Bräuche früher oder später nicht mehr ausgeführt werden. Auch gesellschaftliche Entwicklungen können erschweren, dass Bräuche und Traditionen am Leben gehalten werden. In städtischen Gesellschaften ist es häufig schwieriger als in ländlichen, in Neubaugebieten findet sich oft weniger Zusammenhalt als in gewachsenen Dorfstrukturen. Aber auch hier: Ausnahmen bestätigen die Regel. In der Metropole Köln gibt es zum Beispiel eine ganz aktive Brauchpflege. Letztlich geht es darum, sowohl die Jugend als auch ein Verständnis für Bräuche und Traditionen und vor allem eine Liebe dafür zu fördern.

 

Vielen Dank.

 

Dieses Interview ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 02/2020.


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