Tahir Della und Jamie C. Schearer - 10. Februar 2020 Kulturrat_Logo_72dpi-01

Kulturerbe Fasching-Fastnacht-Karneval

Auch 2020 immer noch rassistisch


Ein Kommentar von Tahir Della und Jamie Schearer

Die Karnevalszeit naht und es stellt sich die Frage, inwieweit Traditionen unter dem Aspekt rassistischer Stereotype kritisch hinterfragt werden müssen. Hier muss besonders das Blackfacing in den Blick genommen werden.

 

2014 wurde „Blackfacing“ zum bestimmenden Lehnwort erklärt und trotz der immer wieder von Selbstorganisationen Schwarzer Menschen geübten Kritik gehört Blackfacing immer noch zum Karneval, aber auch z. B. zum Heilige Drei Könige-Tag, zum Sprechtheater und ist auch in den Medien zu finden. Gerade in Zeiten populistischer Bewegungen und Parteien bedarf es umfassender Debatten, ob Werte und Traditionen, auf die wir uns als Gesellschaft beziehen, noch dem aktuellen Gesellschaftsbild entsprechen bzw. wir uns zugunsten einer diskriminierungsfreien Gesellschaft davon befreien müssen. Zu diesen „Traditionen“ gehört ohne Frage auch das Blackfacing.

 

Blackfacing ist eine rassistische Praxis, die allzu oft verharmlost wird. In den USA gilt Blackface bis heute als Symbol für das Trauma des Rassismus und der Versklavung. Dort entstand die Praxis Ende des 19. Jahrhunderts in den „Minstrel Shows“, in denen schwarzbemalte, weiße Darsteller das Klischee des naiven, schwachsinnigen, aber immer lustigen Schwarzen präsentierten. Doch gilt Blackfacing keineswegs als ausschließlich amerikanische Praxis. Auch in Großbritannien und Frankreich ist die Praxis Ausdruck des Rassismus der Kolonialzeit. In Deutschland zählt die karikierende und stereotypisierende Darstellung von Schwarzen Menschen zur Darstellungspraxis in DEFA-Filmen, aber auch zur frühneuzeitlichen Karnevalstradition. Sie war in jedem Kontext und zu jeder Zeit negativ belegt und stand gleichbedeutend für die Abwertung Schwarzer Menschen. Nichtsdestotrotz wird sie bis heute an deutschen Schauspielhäusern, im Fernsehen, zum Karneval und zahlreichen anderen Bereichen angewandt.

 

Auf dem alljährlich stattfindenden Karneval in Köln feiern seit Jahren die Karnevalsvereine wie die „Höhenberger Dschungel-N*“ und die Kölner „Original N*köpp von“ in rassistischer und diskriminierender Manier ihren Auftritt. Beide Vereine werden seit Jahren immer wieder für ihre rassistische Praxis kritisiert und bei beiden ist weder ein Umdenken noch eine Einsicht zu erkennen, dass ihre vermeintliche Tradition äußerst problematisch ist.

 

Besonders deutlich wird in diesem Fall auch die Haltung, sich beim Thema Rassismus über die Wahrnehmung von Menschen mit Rassismuserfahrung hinwegzusetzen, mit dem Verweis es handele sich hier um Traditionspflege. Ein weiterer Aspekt ist, dass beim Karneval besonders Kinder mit rassistischen Bildern konfrontiert werden, die zum einem bei Schwarzen Kindern traumatische Folgen haben und zum anderen bei weißen eine rassistische Prägung nach sich ziehen.

 

Aber nicht nur während des Karnevals ist Blackfacing zu finden, auch in der Werbung und in Fernsehsendungen sehen wir, wie dies zu einer Fortschreibung rassistischer Stereotypen und Bilder führt und wie wenig Verständnis für die Kritik daran aufgebracht wird. Erwähnt sei hierbei der Auftritt des ARD-Buchmanns Denis Scheck, 2013 der mit Blackface und weißen Handschuhen ganz offen eine Anspielung auf die rassistische Tradition der Minstrel-Shows machte. Damit wollte er auf die »Absurdität der Diskussion« um die Abschaffung diskriminierender Wörter in Kinderbücher aufmerksam machen. Es sei ein „Mittel der Satire“ hieß es in einer öffentlichen Stellungnahme. Schade, dass er seine Argumentation auf dem Rücken schwarzer Menschen austrug. Es braucht wohl noch weitere Jahre, um das Ausmaß des Rassismus deutlich zu machen. Auf dass sich Karnevalisten vielleicht irgendwann einmal schämen in einer N*Maskerade anzutreten und die Meinung vertreten, dass das alles so gar nicht rassistisch ist. Das immer wieder vorgebrachte Argument, es handele sich um eine unschuldige Tradition beim Karneval, die „nur“ die Funktion habe, Menschen auf die „Schippe“ zu nehmen, steht im krassen Gegensatz zu dem, wie Betroffene diese „Tradition“ wahrnehmen. In einer Gesellschaft, die so divers ist wie die deutsche, muss es endlich anerkannt werden, dass Rassismus, unabhängig ob bewusst oder unbewusst ausgeübt, keinen Platz haben darf.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 02/2020.


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