Anne Katrin Bohle - 5. Mai 2020 Kulturrat_Logo_72dpi-01

Industriekultur

Veränderungen erfolgreich meistern


Die Städtebauförderung des Bundes und der Länder

Das baukulturelle Erbe der europäischen Städte ist Gedächtnis, Ressource und Potenzial zugleich, es ist Ausgangspunkt einer nachhaltigen Stadtentwicklung. Dazu gehört selbstverständlich auch der Erhalt und die Entwicklung des industriellen Erbes.

 

Die Industrialisierung Europas hat das Gesicht unserer Städte und Landschaften nachhaltig verändert. Seit vielen Jahrzehnten durchleben Europa und seine Wirtschaft erneut einen tief gehenden Umbruch: Strukturwandel, Arbeitsplatzverlagerung und Globalisierung führen dazu, dass kleine und große Industriebetriebe, zum Teil sogar ganze Industriezweige, vor dem Aus stehen oder bereits geschlossen wurden. Die Zunahme an frei gesetzten Industriegebäuden oder großflächigen Arealen sind Indiz für den rasanten Strukturwandel von der Industriegesellschaft zur Dienstleistungsgesellschaft.

 

Es bleibt ein reiches industriekulturelles Erbe, das über ganz Deutschland verteilt ist. Im Mittelpunkt stehen dabei vor allem heutige UNESCO-Welterbestätten, wie die „Völklinger Hütte“ oder die „Zeche Zollverein“. Bereits mit der Internationalen Bauausstellung Emscher Park ist es gelungen, das industrielle bauliche Erbe einer von der Montanunion geprägten Region als gewachsene Kulturlandschaft zu bewahren und die identitätsstiftende gebaute Historie von Arbeits- und Lebenswelt zugleich als Anker und Motor erfolgreichen Strukturwandels zu nutzen. Zum industriellen Erbe gehören aber auch weniger bekannte Industriedenkmäler, die das Bild vieler Städte und Gemeinden bis heute prägen und für die Stadtentwicklung wichtige Impulse geben.

 

Aus Strukturwandel und Transformation entstehen immer wieder Fragen nach Identität, Heimat und Wurzeln. Das sehen wir in vielen Regionen Deutschlands. Die Menschen in diesen Regionen brauchen Hilfestellung und Unterstützung dabei, diese Veränderungsprozesse erfolgreich zu meistern. Hier setzt die Städtebauförderung des Bundes und der Länder mit ihrem integrierten Handlungs- und Förderansatz an. Hier stand in den vergangenen rund 30 Jahren insbesondere das Programm „Städtebaulicher Denkmalschutz“ für den zukunftsweisenden Umgang mit dem bauhistorischen Erbe in der integrierten Stadtentwicklung. 1991 zunächst zur Rettung der historischen Stadtkerne in den neuen Ländern ins Leben gerufen, wurde das Programm 2009 auf die westlichen Länder und auch auf neue Entwicklungsschwerpunkte, wie z. B. auf die Industriekultur, ausgeweitet.

 

Bis heute haben mithilfe des Programms bundesweit 576 Kommunen zeitgemäße Urbanität in Form von lebendigen Stadtquartieren entwickelt und gestaltet. Mit der Umsetzung der neu strukturierten Städtebauförderung seit Anfang 2020 wird die integrierte Herangehensweise von Stadtentwicklung und Denkmalschutz innerhalb des Programms „Lebendige Zentren“, aber auch programmübergreifend, noch einmal gestärkt. Neben dem Fokus auf den Erhalt, die Weiterentwicklung und Nutzung der Gebäudesubstanz stehen Stadtstruktur, Grünbereiche, Wasseranlagen sowie öffentliche Straßenräume und Plätze im Mittelpunkt.

 

Daneben trägt der Bund mit seinen Sonderprogrammen – zunächst mit der Förderung von Investitionen in deutsche UNESCO-Welterbestätten und seit 2014 mit der Förderung von Investitionen in Nationale Projekte des Städtebaus – maßgeblich dazu bei, das bauindustrielle Erbe zu bewahren und zeitgemäß weiterzuentwickeln. So finden sich unter den von einer interdisziplinär besetzten Jury vorgeschlagenen national bedeutsamen Projekten etwa historische Werkssiedlungen, Konversionsprojekte bis hin zu ganzen Industrieanlagen. Das Potenzial, das wir mit diesen national und international bedeutenden Projekten haben, wollen wir ausschöpfen und nutzbar machen für die drängenden Fragen der Stadtentwicklung und die Suche nach beispielhaften Lösungen.

 

Deshalb haben wir auch das Europäische Jahr des kulturellen Erbes 2018 erfolgreich genutzt, um das Bewusstsein für das Thema Stadterneuerung und -entwicklung aus dem Bestand auf der nationalen wie auf der europäischen Ebene politisch sowie fördertechnisch stärker in den Blickpunkt zu rücken. In einer neuen Partnerschaft der Europäischen Städteagenda zum behutsamen Umgang mit dem kulturellen Erbe haben wir gemeinsam mit Italien die Federführung übernommen. Im Rahmen der deutschen Ratspräsidentschaft in der zweiten Jahreshälfte wollen wir erste Ergebnisse vorstellen.

 

Der Beitrag ist zuerst in Politik & Kultur 5/20 erschienen.


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