Kathrin Hahne - 5. Mai 2020 Kulturrat_Logo_72dpi-01

Industriekultur

Kultur ist Voraussetzung für Strukturentwicklungsprozesse


Drei Fragen an Kathrin Hahne

Wie ist es um die Kultur in der Industriekultur bestellt? Kathrin Hahne leitet die Gruppe Grundsatzfragen der Kulturpolitik, Denkmal- und Kulturgutschutz bei der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM). Politik & Kultur hat nachgefragt, welche Rolle das Thema Industriekultur bei der BKM spielt.

 

Im Zuge des durch Bund und Länder beabsichtigten Kohleausstiegs steht den Braunkohleregionen ein langjähriger, tiefgreifender Prozess des Strukturwandels bevor. Diese Transformation möchte die Bundesregierung mit umfangreichen Fördermaßnahmen begleiten, vor allem zur Schaffung von Arbeitsplätzen in unterschiedlichen Wirtschaftszweigen. Dafür stellt sie bis zu 40 Milliarden Euro in Aussicht. Was hat Kultur damit zu tun?
Kultur ist notwendige Voraussetzung für einen gelingenden Strukturentwicklungsprozess. Sie macht die regionale Geschichte sichtbar und erfahrbar. Dadurch unterstützt Kultur die Identifikation der Menschen mit ihren Heimatorten und Regionen. Kulturelle Angebote sorgen für Lebensqualität, die auch für den Zuzug von Arbeitskräften und ihren Familien wichtig ist. Der touristische Reiz von Orten und Gegenden wird ebenfalls ganz wesentlich von kulturellen Ankerpunkten bestimmt. Daneben tragen kultur- und kreativwirtschaftliche Akteure entscheidend zum ökonomischen Erfolg der vom Strukturwandel betroffenen Regionen bei. Es braucht Orte, die Besucherinnen und Besucher zu unterschiedlichen künstlerischen Erfahrungen und zum gesellschaftlichen Austausch einladen, die regionale Traditionen aufgreifen und zugleich in innovativer Weise kreative Zukunftsvisionen anstoßen. Bestes Beispiel für die Bedeutung der Industriekultur und der mit ihr in enger Wechselwirkung stehenden Kultur- und Kreativwirtschaft für den Strukturwandel ist das Ruhrgebiet. Doch während die Zeche Zollverein fast jeder kennt, ist dies bei der Förderbrücke F 60 oder der Energiefabrik Knappenrode, beide in der Lausitz, noch nicht der Fall. In diesen und vielen weiteren Orten steckt viel Potenzial für eine kultur- und kreativwirtschaftliche Entwicklung.

 

Welche Punkte waren der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien bei der regierungsinternen Abstimmung besonders wichtig?
Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien hat sich regierungsintern bei der Abstimmung zum Strukturstärkungsgesetz von Anfang an für die Berücksichtigung der Kultur eingesetzt. Sie konnte darin folgende Punkte verankern. Erstens: Kultureinrichtungen gehören zu den Förderbereichen der Finanzhilfen für die Länder. Zweitens: Es soll ein neues Förderprogramm Industriekultur zum Erhalt und zur Umgestaltung herausragender Industriegebäude und -anlagen zu lebendigen Kulturdenkmälern geben. Drittens: Investitionen in die kulturelle Infrastruktur und die Förderung von Kultureinrichtungen und -projekten mit gesamtstaatlich-repräsentativer Bedeutung sind Teil der Förderung aus dem Strukturstärkungsgesetz.
Damit sorgen wir dafür, dass in den Braunkohleregionen bis weit in die 2030er Jahre erhebliche Investitionen in (industrie-)kulturelle Einrichtungen möglich werden. Wichtig ist dabei die enge Abstimmung mit den Braunkohleländern und den Akteuren vor Ort.

 

Wie soll das von Ihnen erwähnte Förderprogramm Industriekultur aussehen?
Wir sind derzeit dabei, das Konzept für das Förderprogramm gemeinsam mit den betroffenen Ländern revierspezifisch zu finalisieren. Schon jetzt zeichnet sich ab, dass wir mit einer sorgfältigen Erfassung der Potenziale der Industriekultur beginnen werden. Wir können hoffentlich im Jahresverlauf in diese erste Programmphase starten.
Mit dem auf knapp zwei Jahrzehnte angelegten Förderprogramm Industriekultur möchten wir nicht nur baukulturelles Erbe erhalten. Es sollen auch neue Orte für die Kultur und für die Kreativwirtschaft geschaffen werden. Insgesamt sorgen wir damit für ein Stück Identität. Denn Industriekultur ist Wertschätzungskultur.
Deutschland war und ist ein Industrieland. Deutschland war und ist ein Kulturland. Damit ist es prädestiniert als „Industrie-Kultur-Land“ – und mit diesen neuen Investitionen können wir den Stellenwert der Industriekultur maßgeblich stärken und zum Gelingen des Strukturwandels beitragen.

 

Der Beitrag ist zuerst in Politik & Kultur 5/20 erschienen.


Copyright: Alle Rechte bei Deutscher Kulturrat

Adresse: https://www.kulturrat.de/themen/heimat/industriekultur/kultur-ist-voraussetzung-fuer-strukturentwicklungsprozesse/