Kurt Gribl - 5. Mai 2020 Kulturrat_Logo_72dpi-01

Industriekultur

Der Schlüssel zum Aufstieg


Das Augsburger Wassermanagement-System

Die Geschichte der Stadt Augsburg ist von Beginn an eng mit dem Thema Wasser verknüpft. Als strategisch günstigen Ort hatten die Römer im Jahre 15 v. Chr. zwischen dem Zusammenfluss von Lech und Wertach das Lager für ihre Garnison errichtet. Damit war die Wasserversorgung für Mensch und Tier garantiert. Über die Jahrhunderte hatte man nach und nach das Wasser dieser beiden Flüsse mit einem konstant wachsenden Kanalsystem innerhalb der Stadt für ihre Bürger nutzbar gemacht. Das Wasser war die Basis für Augsburgs enormes Wirtschaftswachstum im Mittelalter. Dank des Kanalnetzes war die Grundlage der Wassernutzung geschaffen für die Weber, Tuchmacher, Gerber und Handwerksbetriebe.

 

Diese Infrastruktur der Kanäle hatte Mitte des 14. Jahrhunderts auch die Fugger nach Augsburg gebracht, jene Familie, die spätestens ab der Frühen Neuzeit Augsburg zu seiner Blüte führen sollte. Damals war Augsburg eine Stadt von Weltrang. Das Geld in der Stadt sprudelte und bald sollte auch allerorten das Wasser intensiver sprudeln als zuvor.

 

Mit einem innovativen Pumpensystem gelang es, das Wasser in die höher gelegene Oberstadt zu befördern. Das war revolutionär, war so doch womöglich die erste dauerhafte Versorgung mit fließendem Wasser von Einzelhäusern weltweit geschaffen. Doch damit nicht genug. Gleichzeitig hatten sich die Ingenieure dieses Wasserversorgungssystems von Beginn an auch darum bemüht, das Brauchwasser von Trinkwasser getrennt voneinander zu befördern. Dies also bereits zu Zeiten, in denen man von Hygiene noch nahezu nichts wusste. Dadurch blieb die Bürgerschaft jedoch weitestgehend von Choleraepidemien verschont. Gleichzeitig konnte man eines der besten Trinkwasser Europas genießen. Spätestens ab dann konnte man vom „Augsburger Wassermanagement“ sprechen.

 

Stellte dieses Gesamtkonzept aus Wassertürmen, Pumpensystem und Wasserverteilung eine innovative Ingenieurleistung von Weltrang dar, so war nun gleichzeitig zusätzliches Wasser in der Oberstadt vorhanden, das auch für die Speisung von Brunnen genutzt werden konnte. Der Errichtung einer Trias an Monumentalbrunnen stand nichts mehr im Wege. Seit 1600 zieren so die heutige Maximilianstraße vom Rathaus bis zum Stadtpalast der Fugger Meisterwerke aus Stein und Bronze: Augustusbrunnen, Merkurbrunnen und Herkulesbrunnen.

 

Eine weitere Sternstunde sollte das Wasser zu Beginn der Industriellen Revolution erleben. Wiederum hatten Ingenieure in Augsburg innovative Technik geschaffen, welche die Wasserkraft in nie gekannter Form zu nutzen wusste. Diese an Lech und Wertach errichteten Wasserkraftwerke versorgten ab dem 19. Jahrhundert die neu entstandenen Fabriken der Textil- und Papierindustrie mit der nötigen Energie. Augsburgs Aufstieg als Stadt der Textilindustrie war nicht zu stoppen.

 

Schließlich war die kompetente Nutzung des Wassers auch maßgeblich von Bedeutung, damit Augsburg für die Olympischen Sommerspiele in München 1972 Austragungsort der Kanuwettbewerbe werden konnte. Heute ist der damals erneuerte Eiskanal eine der bedeutendsten Wettkampfstrecken dieser Sportart. Ehedem diente der Kanal dazu, im Winter mögliches Treibeis aus dem Kanalsystem fernzuhalten, damit so die Mühlen und Kraftwerke unbeschädigt weiterarbeiten konnten.

 

Insgesamt umfasst das gesamte Wassermanagement-System, das am 6. Juli 2019 in die Liste der UNESCO-Welterbestätten aufgenommen wurde, 22 Objekte aus acht Jahrhunderten. Entstanden waren sie alle, um die Lebensqualität der Bürger zu steigern. Bis heute werden sämtliche Teile dieses Wassermanagement-Systems genutzt und geschätzt. Die Entscheidung der UNESCO macht uns Augsburger sehr stolz, doch wie mit jedem Erbe, so ist auch hiermit ein sehr hohes Maß an Verantwortung verbunden.

 

Primäre Aufgabe gilt dem Erhalt dieses Wassermanagement-Systems und dessen nachhaltige weitere Nutzung in all seinen Teilen. In der Frühen Neuzeit war die Augsburger Ingenieurleistung Vorlage für eine Reihe von europäischen Staaten. Heute kann dieses UNESCO-Welterbe Vorlage sein für ein intelligentes Wassermanagement-System, gerade in Ländern, in denen Wasser eine höchst begrenzte Ressource darstellt. Augsburg ist sehr stolz und dankbar für die Erteilung des Titels eines Welterbes, aber Augsburg will und wird auch aktiv und verantwortungsbewusst mit diesem Erbe umgehen.

 

Der Beitrag ist zuerst in Politik & Kultur 5/20 erschienen.


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