Eine Zu- oder Absage an die Kultur der Moderne?

Heimatpolitik heute

 

Heimat ist eben nicht nur der Ort, wo wir leben, es ist auch vor allem die Art, wie wir leben. Diese Art zu leben, unsere offene Gesellschaft, ist Teil unserer kulturellen Identität. Die große Mehrheit der Deutschen ist zu Recht der Meinung, dass es in unserem Land kulturelle Gepflogenheiten für ein gutes Miteinander gibt.

 

In der dritten Dimension des Heimatbegriffs offenbart sich seine ausgeprägte soziale Bedeutung: Heimat verbindet die Menschen und gibt ihnen Halt und Orientierung. Sie ist daher auch eine soziale Einheit, in der Menschen Sicherheit und Verlässlichkeit erfahren.

Dies heißt an die Adresse der Politik: Sie muss die Bedürfnisse der Menschen, die hinter diesen Dimensionen liegen, (wieder) ernst nehmen und auf sie eingehen. Und die meisten Menschen beurteilen die Qualität ihres Lebens in erster Linie nach dem, was sie in ihrer unmittelbaren Umgebung erleben – und damit: welche Perspektiven und Sicherheiten der Staat gewährt und bietet.

 

Zu lange wurde im Bereich staatlichen Handelns fast nur auf Effizienz und schmale Verwaltungen geachtet. Ein Staat jedoch, dessen Ordnungskräfte im Kleinwagen Kriminelle im Sportwagen verfolgen sollen und dessen Kommunen in Altschulden ertrinken, hinterlässt bei den Bürgerinnen und Bürgern nicht den Eindruck, die Lage im Griff zu haben.

 

Diese verengte und verkürzte Sicht haben wir aufgegeben. Unser Ansatz für eine erfolgreiche Heimatpolitik ist weiter und gründet nach meiner Überzeugung auf drei Voraussetzungen:

 

Erstens: Heimatpolitik muss gesellschaftliche Veränderungen und Probleme offen benennen und sich mit ihnen auseinandersetzen. Daher müssen wir eine Diskussion über die Rolle des Staates und die Lebensqualität in ganz Deutschland führen.

 

Zweitens: Heimatpolitik braucht den Staat als Impulsgeber. Daher hat diese Bundesregierung die Initiative ergriffen und die Kommission „Gleichwertige Lebensverhältnisse“ einberufen. Sie wird bis Sommer 2019 konkrete Empfehlungen vorlegen zu Fragen nach persönlicher Lebensqualität, nach individuellen Entfaltungsmöglichkeiten in den Problemregionen und nach dem Zusammenleben vor Ort.

 

Drittens: Heimatpolitik muss tragfähige Antworten auf die Suche nach Identität und Zugehörigkeiten geben und die Bürger auch emotional mitnehmen. Fragen der Identität und der Identifikation mit unserem Land sind heute wichtiger denn je. Unsere Identität leitet sich aus Tradition und Geschichte her. Sie lässt sich häufig an mythologisierten Orten festmachen, an Monumenten des kulturellen Gedächtnisses, wie beispielsweise dem Brandenburger Tor in Berlin. Die Konturen unserer kollektiven Identität sind jedoch nicht in Stein gemeißelt. Ein wesentliches Charakteristikum von Kultur ist, sich zu verändern und zu wandeln.

 

Wenn die Politik in Deutschland das Vertrauen ihrer Bürger erhalten will, muss sie auf das gemeinsame Heimatempfinden bauen und die Wurzeln der Vergangenheit mit dem Gestaltungswillen der Zukunft verbinden.

 

Die Alltagsprobleme der Menschen anzupacken und für Zusammenhalt und gute Lebensverhältnisse in einer immer unübersichtlicheren Lebenswirklichkeit zu sorgen, das ist das Kernanliegen Heimatpolitik des Bundesministers des Innern, für Bau und Heimat (BMI).

 

Zu diesem Zweck war es für uns nur folgerichtig, eine Heimatabteilung im BMI einzurichten. Die neue Abteilung Heimat mit drei Unterabteilungen ist inzwischen voll arbeitsfähig. Sie beschäftigt sich zum einen mit der Verbesserung des gesellschaftlichen Zusammenhalts und der Identifikation mit unserem Land. Zum anderen wird sie dazu beitragen, den infrastrukturellen Reformstau zu lösen.

 

Heimatpolitik ist nach unserem Verständnis daher alles andere als eine Absage an die Kultur der Moderne, sondern eine Zusage an die gestalterische Notwendigkeit derselben. Ich bin zuversichtlich, dass es uns mit diesem Aufbruch gelingen wird, das Ultramoderne unserer Lebenswelt mit unseren Ursprüngen zu vereinen und damit Sicherheit und Orientierung in einer Welt des rasanten Wandels zu vermitteln.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 01-02/2019.

Markus Kerber
Markus Kerber ist Staatssekretär im Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat.
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