Vom Grenzmuseum zur Gedenkstätte

Orte der deutsch-deutschen Erinnerung stellen sich vor

Diese Texte ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 06/2020.

 

Ostsee-Grenzturm Kühlungsborn

 

Jeder kennt ihn – keiner liebt ihn, aber er ist ein wichtiger Zeitzeuge der jüngsten deutschen-deutschen Geschichte: der Grenz-Beo­bachtungsturm BT11. Seit 1972 steht solch ein Turm direkt an der Strandpromenade des Ostseebades Kühlungsborn. Aus der hohen Kanzel des Turmes suchten DDR-Grenzmatrosen mit starken Ferngläsern Strand und Meer ab. Nach „Grenzverletzern“ und Schiffen des „Gegners“ wurde Ausschau gehalten.

Als Gegner standen sich hier zur Zeit des Kalten Krieges die Militärbündnisse NATO und Warschauer Pakt sehr feindlich gegenüber. Wurden Fluchtversuche entdeckt, kamen umgehend Schiffe und Hubschrauber zur Verfolgung und Ergreifung zum Einsatz. Schwimmend, auf Luftmatratzen, mit Booten oder über die zugefrorene Ostsee versuchten 5.609 Menschen Westdeutschland, Dänemark oder ein Schiff in internationalen Gewässern zu erreichen. 4.650 Fluchtversuche endeten tragisch. Um diesen Teil der deutschen Geschichte an historisch authentischer Stelle zu vermitteln, gründeten Aktive aus Ost und West 2002 den Verein Grenzturm e.V., mit der Absicht, den Turm zu restaurieren, für Besucher zugänglich zu machen und Fluchtschicksale zu dokumentieren.

 

In einer Zeit der Denkmalsstürmerei sollte hier ein historischer baulicher Zeitzeuge vor dem Abriss bewahrt und erhalten werden. Das Ostsee-Grenzturm-Museum versteht sich hierbei als kleiner, aber nicht unwichtiger Baustein bei der überregionalen Darstellung des ehemaligen „Eisernen Vorhangs“, in den Initiativen „Grünes Band“ und „European Green Belt“.

 

Bei der Restaurierung wurde versucht, den ursprünglichen Zustand der Anlage wiederherzustellen. Seitdem ist der Turm sicher und kann bestiegen werden. Jetzt können die Besucher aus der hohen Turmkanzel die Perspektive eines Grenzmatrosen erleben und in einem kleinen, interessanten Museum viel über Fluchtschicksale und Grenzsystem erfahren.

 

Diese Einrichtung ist heute Wahrzeichen und Besonderheit der Stadt Kühlungsborn. Sie ist ein Ort, an dem man Geschichte beinahe real erleben kann. Umfassend wird hier mehrsprachig über Fluchtschicksale, das Grenzsystem und einen besonderen Zeitraum der deutsch-deutschen Geschichte informiert. Besucher sind Jugendliche, Familien, Gruppen und Einzelpersonen, die an Geschichte interessiert sind und sich auch gern über ihre persönlichen Erfahrungen und Erlebnisse mit anderen austauschen wollen.

 

Jährlich, beim „Tag des offenen Denkmals“ im September, gibt es ein spannendes Treffen mit ehemaligen „Republikflüchtlingen“, die es versucht oder geschafft haben, die gefährliche Ostsee zu überwinden.

Besonders Besucher aus dem Ausland und aus Übersee sind interessiert und dankbar, hier noch authentische Dinge und Informationen zum „German wall“ und die Zeit des Kalten Krieges vorzufinden. Hierfür ist auch der Austausch mit thematisch verwandten Einrichtungen, wie dem „DMZ _ Museum in Korea“, dem „The Baltic Initiative and Network“ und den coldwaresites.net motivierend und wichtig.

 

Knut Wiek ist Vorsitzender des Vereins Grenzturm

 

 

Gedenkstätte Deutsche Teilung Marienborn

 

Die Gedenkstätte Deutsche Teilung Marienborn ist ein Erinnerungsort der deutschen und europäischen Zeitgeschichte. Sie befindet sich auf dem Gelände der ehemals größten und bedeutendsten DDR-Grenzübergangsstelle (GÜSt) an der innerdeutschen Grenze, einem der westlichsten Punkte an der ehemaligen Systemgrenze zwischen dem kommunistischen Herrschaftsbereich und den demokratischen Staaten des Westens. Zugleich ist sie Schauplatz der Öffnung und Überwindung von Systemgrenzen im Herbst 1989.

 

Als integraler Bestandteil des Grenzregimes der DDR befand sich die GÜSt Marienborn an der Nahtstelle zwischen beiden deutschen Staaten. Während sie für die überwiegende Mehrheit der Ostdeutschen ein unerreichbarer Ort war, verknüpfen sich mit dem Namen „Marienborn“ für Millionen Westdeutsche zahlreiche Erinnerungen, wie die Anspannung beim Befahren des Geländes, das schroffe Verhalten des Grenzpersonals, die schikanösen Zollkontrollen bei der Ein- oder Ausreise sowie die Erleichterung, dem Zugriff der GÜSt-Mitarbeiter entkommen zu sein. Vor dem Hintergrund der Zusammengehörigkeit von GÜSt und Grenzsperranlagen im Abschottungs- und Einschüchterungssystem der DDR an der innerdeutschen Grenze dokumentiert das zur Gedenkstätte gehörende Grenzdenkmal Hötensleben den Zustand der systematisch ausgebauten DDR-Grenzsperranlagen. Der auf einer Länge von 350 Meter erhaltene „Schutzstreifen“ aus Mauern, Metallgitterzäunen, Signaldrähten und Wachtürmen steht seit 1990 unter Denkmalschutz.

 

Die Gedenkstätte Marienborn erinnert an all jene Menschen, die während der Zeit der deutschen Teilung 1945 bis 1989 wegen des vorbereiteten, des versuchten oder des gescheiterten Überwindens der Grenze von Angehörigen des Militärs und der Polizei oder anderen Repressionsorganen der kommunistischen Diktatur kriminalisiert, inhaftiert oder getötet wurden. Sie erinnert ebenfalls an die Menschen, die durch das kommunistische Grenzregime ihre Heimat verloren, Leid und Unrecht erfuhren sowie an jene Reisenden, die an DDR-Grenzübergangsstellen zur Bundesrepublik von Angehörigen des Ministeriums für Staatssicherheit sowie der Zollorgane schikaniert und gedemütigt wurden.

 

Durch eine kontinuierliche Ausstellungs- und Vermittlungstätigkeit haben sich diese beiden historischen Schauplätze am Grünen Band zu national bedeutsamen Orten der Trauer und des erinnerten Leids, der Dokumentation und Forschung zur Teilungsgeschichte, der außerschulischen Bildung sowie der Begegnung in einem offenen Deutschland und Europa entwickelt.

 

Fest verankert im Jahreskalender der Gedenkstätte ist neben dem Tag der Deutschen Einheit und dem Jahrestag der Grenzöffnung auch die Gedenkstunde am 26. Mai am Grenzdenkmal. Direkt im ehemaligen „Todesstreifen“, dem Kern des heutigen Naturmonuments Grünes Band, wird damit an die Grenzabriegelung und den Beginn der Zwangsaussiedlungen aus dem Sperrgebiet der DDR im Jahr 1952 erinnert.

 

Die Gedenkstätte Deutsche Teilung Marienborn ist Teil der landeseigenen Stiftung Gedenkstätten Sachsen-Anhalt.

 

Matthias Ohms ist Pädagogischer Mitarbeiter in der Gedenkstätte Deutsche Teilung Marienborn

 

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