Mahnmal und Hoffnungszeichen

Das Grüne Band als Erinnerungslandschaft

Das Grüne Band Deutschland lässt uns aber auch weit über den nationalen Tellerrand hinausblicken. Denn auch in anderen Regionen Europas richtete sich die Aufmerksamkeit schon früh auf die Schätze der Grenznatur entlang des Eisernen Vorhangs. Im Beisein eines der Haupt-Protagonisten der Wende in Europa, Michail Gorbatschow, feierten wir am 19. Juni 2002 gemeinsam mit über 500 begeisterten Menschen die Einweihung des WestÖstlichen Tores, einem vom BUND entwickelten LandArt-Projekt, als Symbol für die überwundene deutsch-deutsche Grenze im thüringisch-niedersächsischen Grünen Band im Eichsfeld. Während dieser hochemotionalen Veranstaltung – als sich viele Teilnehmende ihre alten DDR-Personalausweise von Gorbatschow signieren ließen – wurde von mir das erste Mal die faszinierende Idee eines mehr als 12.500 Kilometer langen europäischen Grünen Bandes entlang des gesamten ehemaligen Eisernen Vorhangs öffentlich geäußert und Gorbatschow spontan als Schirmherr gewonnen. Aus diesem Gedanken hat sich eine paneuropäische Initiative entwickelt – siehe Artikel von Liana Geidezis in dieser Ausgabe –, die die europäische Idee wie keine andere widerspiegelt. Akteure aus 24 Anrainerstaaten und von den unterschiedlichsten Fachgebieten kooperieren über Grenzen hinweg zur Bewahrung der einzigartigen Natur- und Erinnerungslandschaft.

 

Trotz aller Erfolge bleibt noch viel zu tun. Der BUND setzt sich sowohl dafür ein, die bestehenden wertvollen Flächen des Grünen Bandes zu erhalten und zu schützen als auch die Lücken im Grünen Band zu schließen und ökologische Quervernetzungen zu entwickeln. So war die Ausweisung des thüringischen Abschnitts als Nationales Naturmonument im Jahr 2018 ein weiterer Meilenstein für den Schutz des Grünen Bandes in Deutschland. Die Schutzgebietskategorie „Nationales Naturmonument“ wurde erst 2010 ins Bundesnaturschutzgesetz aufgenommen und betont den Natur- und Kulturwert einer Landschaft oder eines Ausschnittes derselben. Erfreulicherweise zog Sachsen-Anhalt nach und wies 2019 seinen Anteil am Grünen Band ebenfalls als Nationales Naturmonument aus.

 

Nun stehen 1.106 Kilometer Grünes Band durchgängig unter Schutz – dies ist damit nicht nur der längste geschützte Abschnitt entlang des gesamten Grünen Bandes Europa, sondern hat auch Symbolwirkung für weit entfernte Regionen. Etwa 8.000 Kilometer entfernt befindet sich heute noch eine undurchlässige Grenze, die ein Land und ein Volk teilt: Die Demilitarisierte Zone (DMZ), die Nord- und Südkorea seit 1953 trennt. Wie das Grüne Band ist die DMZ ein Landstreifen, in dem sich die Natur nahezu ungestört entwickeln konnte und Lebensräume für eine Vielzahl an gefährdeten Arten entstanden. Bis heute. Wir als BUND und ich ganz persönlich stehen seit nun schon vielen Jahren in regem Austausch mit Naturschützern in Südkorea, auf staatlicher und auch verbandlicher Ebene. Wir unterstützen die koreanischen Bemühungen, die DMZ in eine Art Grünes Band wie in Deutschland zu entwickeln, um Zerstörungen von Natur, aber auch des geschichtlichen Erbes zu verhindern, wenn beide Länder sich eines Tages wiedervereinigen. Ich hoffe für Korea, dass es in nicht so ferner Zukunft möglich sein wird, sich frei in der DMZ zu bewegen.

 

Die Bedeutung des Grünen Bandes Europa als Symbol für zukunftsweisenden europäischen Naturschutz, grenzübergreifende Zusammenarbeit und als einzigartige Erinnerungslandschaft für kommende Generationen – als ein Symbol für Freiheit, Frieden und Demokratie und für ein vereintes, friedliches Europa – muss gewürdigt werden: mit der Ausweisung als Weltnatur- und Kulturerbe der Vereinten Nationen. Auf der Umweltministerkonferenz im Oktober 2019 in Hamburg haben die Umweltminister aller Bundesländer den Beschluss gefasst, dass die Bundesregierung die Initiative ergreifen soll, das Grüne Band Europa als gemischtes UNESCO-Weltkultur- und Weltnaturerbe zu nominieren. Es ist sehr erfreulich, dass damit eine langjährige Forderung des BUND aufgegriffen und ihr auch von staatlicher Seite Nachdruck verliehen wurde.

 

Der BUND kooperiert schon seit längerer Zeit eng mit dem Deutschen Kulturrat im Projekt „Heimat und Nachhaltigkeit“. Unsere gemeinsame Tagung „Das Grüne Band als Erinnerungsort und Chancen für periphere ländliche Räume“ im Februar 2020 in Bad Alexandersbad hat gezeigt, wie wichtig und aktuell das Thema Erinnerungslandschaft ist. Ich freue mich daher außerordentlich darüber, dass wir in Zukunft gemeinsam daran arbeiten werden, die Nominierung und Ausweisung des Grünen Bandes Europa als UNESCO-Welterbe zu unterstützen. Das Engagement des Deutschen Kulturrates für dieses Ziel dokumentiert zentral die Bedeutung des Grünen Bandes Europa für unsere europäische Kultur und Identität und ist damit von entscheidender Bedeutung, um das Ziel UNESCO-Weltkultur- und Weltnaturerbe zu erreichen.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 06/2020.

Hubert Weiger
Hubert Weiger ist Ehrenvorsitzender des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND).
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