Entlang des Grünen Bandes

Die Bundesländer berichten – unterwegs in ...

 

Niedersachsen

 

Es gehört zur Geschichte unseres Landes, dass mitten im geografischen Herzen Deutschlands Naturschönheit und Relikte des DDR-Unrechtsstaats ganz dicht beieinanderliegen. Das grüne Band ist heute eines der beeindruckendsten Symbole Europas. Es war eine Grenze, die für Jahrzehnte unüberwindlich unseren Kontinent trennte, Familien und Freundeskreise zerriss, Weltoffenheit, freies Denken und Handeln für Millionen Menschen aussperrte. Es ist heute ein Band des gelebten Naturschutzes und vor allem ein dauerhaftes Kunstwerk der Freiheit.

 

Das Grüne Band verbindet heute die europäische Familie von der Barentsee bis zum Schwarzen Meer.

 

In Niedersachsen erstreckt sich das Grüne Band durch zahlreiche einmalige Kultur- und Naturlandschaften. Es verbindet die Naturschätze des Biosphärenreservats Niedersächsische Elbtalaue mit den Wäldern und Tälern zwischen Wurmberg und Brocken. Es zeichnet die Linie nach vom ehemaligen Grenzübergang Marienborn an der früheren Transitstrecke Hannover-Berlin bis hin zum Grenzlandmuseum Teistungen im fruchtbaren Hügelland des Eichsfeldes.

 

Das Grüne Band ist damit in Niedersachsen wie in ganz Europa eine einzigartige Landmarke, die am ehesten mit der anderen großen Grenze in Europa verglichen werden könnte: dem römischen Limes, der für Jahrhunderte das Römische Reich vor seinen zahlreichen Nachbarn schützte.

 

Heute steht das Grüne Band für gute Nachbarschaft: Wer entlang der Landschaftslinie reist, kann innerhalb weniger Stunden mehrmals das Bundesland wechseln und die ganze Vielfalt unserer Kultur, Flora und Fauna genießen. Die früheren Grenzanlagen wirken heute für Besucherinnen und Besucher wie von einem anderen Stern; ohne den historischen Hintergrund dieser wichtigen Orte des Erinnerns an den überwundenen Terror des Ostblocks wären die Naturschätze heute schließlich gar nicht vorhanden.

 

Wer die Museen und Gedenkstätten am Grünen Band besucht, findet heute an vielen Orten Belege dafür, dass die Grenze menschliche Beziehungen nicht dauerhaft trennen konnte. Dennoch steht es für eine Narbe, die die Geschichte hinterlassen hat. Das Grüne Band symbolisiert die dauerhafte Mahnung, dass es sich auch heute noch lohnt, sich beständig für ein geeintes Europa einzusetzen.

 

Björn Thümler ist Minister für Wissenschaft und Kultur in Niedersachsen

 

 

Sachsen-Anhalt

 

„Vom Todesstreifen zur Lebenslinie“. Diese Worte stehen auf einem Logo, mit dem das Land Sachsen-Anhalt seine Aktivitäten zum Grünen Band unter einer einheitlichen Marke bündelt. Das Motto charakterisiert einprägsam die beiden Ziele dieses Projektes: Erinnerungskultur und Naturschutz.

 

Jahrzehntelang waren Europa und Deutschland durch den Eisernen Vorhang geteilt. Allein auf dem Gebiet des heutigen Sachsen-Anhalt erstreckte sich die Systemgrenze über 343 Kilometer, von den Elbauen im Norden bis zum Harz im Süden des Landes. Während der Zeit der Teilung und danach ist auf dem ehemaligen Todesstreifen ein einzigartiger Lebensraum für Tiere und Pflanzen mit wichtigen historischen Erinnerungsorten entstanden.

 

Unmittelbar vor dem 30. Jahrestag des Mauerfalls hat der Landtag Sachsen-Anhalts das Grüne-Band-Gesetz beschlossen. Der ehemalige Grenzstreifen wurde zum Nationalen Naturmonument erklärt. Für die Belange der Erinnerungskultur ist dabei die Staatskanzlei und das Ministerium für Kultur Träger des Grünen Bandes.

 

In Marienborn, Hötensleben oder am „Harzer Grenzweg“ lässt sich in unserem Land das ausgeklügelte System der Grenzanlagen nachvollziehen. Die 68 Todesopfer entlang dieses Grenzabschnitts, dramatische Einzelschicksale sowie die restriktiven Lebensbedingungen der dort lebenden Bevölkerung stehen mahnend für diese Zeit. Sie manifestierte sich schon 1952 mit Zwangsaussiedlungen aus grenznahen Orten, die vom Ministerium für Staatssicherheit in perfider Weise als Aktion Ungeziefer bezeichnet worden ist.

 

Kaum etwas ist so sinnbildlich geworden für die Nachkriegsgeschichte und den Ost-West-Konflikt wie die Existenz dieser menschenverachtenden Barriere aus Mauer und Stacheldraht. Das Grüne Band ist daher, auch mit dem Blick auf künftige Generationen, ein einzigartiges Zeugnis der deutschen Geschichte und gemeinschaftlicher Vergangenheitsaneignung.

Das Land fördert daher Projekte, die sich mit den Auswirkungen der deutschen Teilung bezogen auf die Lokal-, Regional- oder Landesgeschichte auseinandersetzen. Wir unterstützen die Akteure nicht nur finanziell, sondern auch bei der Beantragung von Fördermitteln und bei methodischen Fragen der Vermittlung von politisch-historischer Bildung. Das Grüne Band ist jedoch nicht nur ein deutsches, sondern auch ein europäisches Erbe. Der ehemalige Verlauf des Eisernen Vorhangs reichte durch 24 Staaten von der Barentsee bis zum Schwarzen Meer.

 

Die Umweltminister haben die Bundesregierung gebeten zu prüfen, ob das Grüne Band als gemischtes Weltkultur- und Weltnaturerbe nominiert werden könnte. Auch ich bin überzeugt, dass diese historisch geformte Landschaft für die gesamte internationale Staatengemeinschaft von Bedeutung ist. Ob dies in den Kategorien der UNESCO-Welterbekonvention ihren Ausdruck finden kann, ist Gegenstand der laufenden Prüfung durch die Bundesregierung.

 

Gegenwärtig ist für uns entscheidend, das Nationale Naturmonument Grünes Band als originären Bestandteil der europäischen Erinnerungskultur langfristig zu entwickeln und mit Leben zu erfüllen. Dazu bedarf es nicht zwingend eines Gütesiegels der Weltgemeinschaft.

 

Rainer Robra ist Chef der Staatskanzlei  und Minister für Kultur in Sachsen-Anhalt

 

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