Entlang des Grünen Bandes

Die Bundesländer berichten – unterwegs in ...

Anmerkung: Diese Texte ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 06/2020.

Es wurden die Kulturministerinnen und -minister der Bundesländer angefragt, die am Grünen Band liegen. Alle abgedruckten sind der Anfrage nachgekommen und haben einen Beitrag verfasst.

 

Brandenburg

 

Der Todesstreifen trennte Ost und West. Die innerdeutsche Grenze durchschnitt ein Land und diente während des Kalten Krieges nur einem makabren Zweck: der Fluchtverhinderung. Dieser „Hauptaufgabe“ verpflichtete sich der SED-Staat an seiner knapp 1.400 Kilometer langen Grenze zur Bundesrepublik. Hunderte starben bei dem Versuch, die stark gesicherten Grenzanlagen zu überwinden. Die Menschen stießen auf Gitter, Zäune, Minen, Hunde, Selbstschussanlagen, Wachtürme und Soldaten. Und während das Politbüro den antifaschistischen Schutzwall ausrief, mauerte es seine Bürgerinnen und Bürger ein.

 

Wenn ich im 30. Jahr der deutschen Wiedervereinigung auf die ehemaligen DDR-Grenzanlagen blicke, sehe ich ein Biotop. In der Prignitz, direkt an der Elbe, verlief ein Stück der alten Grenze. Heute spannt sich dort das Grüne Band entlang einer wunderschönen Flusslandschaft. Im Hafen von Lenzen wird besonders deutlich, wie sich der Eiserne Vorhang nach der Wiedervereinigung in einen Naturverbund und Erinnerungsort verwandelte. Dort steht ein alter Grenzturm. Eine neue Außentreppe führt hinauf. Oben haben Besucher einen guten Blick auf das Vierländereck und die Renaturierung. Hier widmen sich vielfältige Initiativen der Aufarbeitung der Geschichte. Dazu gehört auch das Denkmal Lütkenwisch. Der Ort Lütkenwisch lag im 500-Meter-Grenzschutzstreifen. Bis 1989 mussten fast alle Dorfbewohner den Ort und damit ihre Heimat verlassen. Heute widmet sich eine sehr aktive Kirchengemeinde der Erinnerungskultur.

 

Deshalb ist es so wichtig, das gesamte Grüne Band zum Nationalen Naturmonument zu erklären. Im Koalitionsvertrag der brandenburgischen Landesregierung haben wir das festgehalten. So wollen wir sicherstellen, dass der Erinnerungsort sich einheitlich weiterentwickelt und umfassend geschützt wird. Gleichzeitig ist das Grüne Band ein Anwärter auf den Weltkulturerbestatus der UNESCO. Die Aufnahme in das Welterbe wäre eine Auszeichnung für die vielen Bürgerinnen und Bürger, die sich seit vielen Jahren für das Projekt ehrenamtlich engagieren. Dazu gehört auch ein Verein aus der kleinen brandenburgischen Gemeinde Unbesandten. Er sanierte den ehemaligen Hof Heinicke. Von hier aus unternahmen Menschen Fluchtversuche. Alle Initiativen tragen dazu bei, auch eher beiläufig Geschichtsinteressierte zu begeistern, die dort mit dem Rad oder per pedes unterwegs sind.

 

Aber: Das Grüne Band ist für mich als Ostdeutsche mehr als nur ein regionaler kultur- oder naturtouristischer Anziehungspunkt. Es bietet die Chance, länderübergreifend zusammenzuarbeiten und ein umfassendes Gedenk- und Erinnerungskulturkonzept zu entwickeln, den nationalen und europäischen Biotopverbund zu stärken und nachhaltigen Tourismus weiter voranzubringen. Damit hat das Grüne Band die Chance, sich zu einem Projekt mit europäischer Dimension und Strahlkraft weiterzuentwickeln.

 

Manja Schüle ist Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kultur in Brandenburg

 

 

Mecklenburg-Vorpommern

 

Das Grüne Band ist eine einzigartige Landschaftsspur und ein wichtiger kultureller Erinnerungsort in Deutschland und Europa. Hier verbindet sich der Naturschutzgedanke mit dem Gedenken und Erinnern an die deutsche Teilung und die Teilung Europas. Damit werden Erinnerung und Gedenken eingebettet in ein Zukunftsprojekt zur Bewahrung unserer natürlichen Lebensgrundlagen: „Vom Todesstreifen zur Lebenslinie“. Die beiden Aspekte Naturschutz und Erinnerungskultur kommen in der Verleihung der Schutzkategorie „Nationales Naturmonument“ zum Ausdruck.

 

In Mecklenburg-Vorpommern erstreckt sich das Grüne Band entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze vom Priwall an der Ostsee bis in die Elbniederungen. Die vom Bund an das Land Mecklenburg-Vorpommern übertragenen Flächen werden durch das UNESCO-Biosphärenreservat Schaalsee mit 259 Hektar, das Biosphärenreservat Flusslandschaft Elbe M-V mit 134 Hektar und die Stiftung Umwelt und Naturschutz M-V mit 266 Hektar betreut.

 

Die beiden Biosphärenreservate stellen das Eingangstor nach Mecklenburg-Vorpommern in der Metropolregion Hamburg dar. Dafür wurde im Biosphärenband Schaalsee-Elbe eine Kette von vier Informationszentren geschaffen: Grenzhus Schlagsdorf, Pahlhuus Zarrentin, Elbberg Boizenburg und Festung Dömitz. Unter diesen vier Informationszentren hat das Grenzhus die Aufgabe übernommen, die Geschichte der innerdeutschen Grenze als Vorgeschichte des Grünen Bandes zu erzählen. In der 2018 eröffneten neuen Dauerausstellung ist ein Raum den Wirkungen der Grenze auf die Landschaft gewidmet. Der 2012 eröffnete Grenzparcours „Grenzwege Schlagsdorf“ eröffnet Zugänge zum Landschaftswandel im ehemaligen Grenzraum. Den Stellenwert des Themas verkörpert auch das 2018 etablierte Leitprojekt „Grenzgeschichte(n)“ innerhalb der Metropolregion Hamburg. Innerhalb dieses Projektes soll ein Konzept für eine landkreisübergreifende Erinnerungslandschaft innerdeutsche Grenze innerhalb der Metropolregion erarbeitet werden. Dazu gehört auch die Einbindung von Erinnerungsorten und Gedenkstätten zur Grenzgeschichte in bestehende touristische Angebote und Programme wie das Grüne Band. Ferner gibt es vor allem im Grenzhus Schlagsdorf eine enge Kooperation mit der Biosphärenreservatsverwaltung Schaalsee-Elbe und entsprechender touristischer Anbieter in Schleswig-Holstein.

 

Gerade im Grenzhus Schlagsdorf als der größten musealen Einrichtung zur Geschichte der innerdeutschen Grenze in Mecklenburg-Vorpommern wird auf eine Verbindung zwischen historischer Bildung und Erfahrung des Landschaftswandels und den Landschaftsformen im Grünen Band großen Wert gelegt. Wanderungen, Fahrradtouren und Führungen auf dem Grenzparcours finden in enger Zusammenarbeit mit den Rangern, Umweltpädagoginnen und -pädagogen der Biosphärenreservatsverwaltung statt. In dieser Region wurde von Anfang an die Ausweisung von Landschafts- und Naturschutzgebieten mit der historischen Dimension der Orte innerhalb der DDR-Grenzsicherung verbunden.

 

Bettina Martin ist Ministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur in Mecklenburg-Vorpommern

 

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