Die Symbiose von Naturschutz und Erinnerungskultur

Drei Fragen an Olaf Bandt

Olaf Bandt kennt als Vorsitzender des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) natürlich die Bedeutung des Grünen Bandes als Naturdenkmal. In Politik & Kultur spricht er aber auch über den kulturellen Wert des 12.500 Kilometer langen Erinnerungsortes.

 

Warum ist das Grüne Band nicht nur Natur-, sondern auch Kulturdenkmal?
Dem Grünen Band Europa als einzigartigem, mehr als 12.500 Kilometer langem Lebensraumverbund mit einer großen Vielfalt an Tier- und Pflanzenarten – oftmals solchen, die aus unserer intensiv genutzten Kulturlandschaft längst verschwunden sind – wohnt immer auch die Erinnerung und Mahnung des Kalten Krieges inne: Im Schatten des Eisernen Vorhangs, dieser leidvollen und menschengemachten Trennlinie zwischen Ost und West, konnte sich die Natur in all ihren Facetten erhalten. Seit der friedlichen Revolution 1989 engagieren sich Naturschutzorganisationen, wie insbesondere der BUND, aber auch Menschenrechtsorganisationen, Historiker und Kulturschaffende quer durch Europa für die Bewahrung der wertvollen Natur sowie der Grenzbauten als Mahnmale und Kulturdenkmäler. Der Einsatz für das Grüne Band zeigt hier beispiellos, wie die Umsetzung des europäischen Gedankens und die Zusammenarbeit über Grenzen in jeglicher Form hinweg funktionieren können. Damit ist das Grüne Band kein Gleichnis für Trennung, sondern ein Symbol für die Symbiose von Naturschutz und Erinnerungskultur.

 

Worin besteht die kulturelle Bedeutung des Grünen Bandes?
Die Bemühungen des BUND und seiner Partner für den Schutz und Erhalt des Grünen Bandes umfassen auch immer die Bewahrung von noch sichtbaren Grenzrelikten und das Überliefern zahlreicher Grenzgeschichten von Zeitzeugen, aber auch das wiedererkenn- und erlebbar machen verschwundener Grenzstrukturen. Ohne das Grüne Band wäre so manches Relikt längst verschwunden. Das Grüne Band ist daher Naturschatz und Erinnerungsort. Es ist eine quer durch Europa entlang des ehemaligen Eisernen Vorhangs verlaufende sichtbare Struktur, die uns stets den Wert von Freiheit und Demokratie – fast widersprüchlich und überhaupt nicht mahnend, in schönster Farben- und Klangvielfalt – vor Augen führt. Das Grüne Band zeigt die positive Entwicklung einer trennenden Grenzlinie hin zu einer Struktur, die die unterschiedlichen Länder, Sprachen und Kulturen miteinander verbindet.

 

Welche Bedeutung hat die Nominierung des Grünen Bandes als UNESCO-Welterbe in den Kategorien Natur und Kultur?
Nominiere oder benenne ich etwas, nenne ich etwas beim Namen, so hebe ich dieses Etwas in seiner aktuellen Bedeutungsstärke empor. Ich mache es wichtiger. Die Nominierung des Grünen Bandes als UNESCO-Weltnatur- und -kulturerbe betont die große reale Bedeutung des Grünen Bandes hinsichtlich seines ökologischen und kulturhistorischen Werts. Ähnlich wie es die Ausweisung großer Bereiche des Grünen Bandes als Nationales Naturmonument in Deutschland macht. Der Titel UNESCO-Welterbe wäre die Krönung der seit der Wiedervereinigung Deutschlands und dem Fall des Eisernen Vorhangs vor mehr als 30 Jahren andauernden Bemühungen zahlreicher Natur-, Umwelt- und Denkmalschützer europaweit. Als UNESCO-Welterbe könnte das Grüne Band als lebendige Erinnerungslandschaft noch besser dazu beitragen, dass die einstige Teilung Europas nicht vergessen wird, damit so etwas nie wieder passiert. Der Welterbe-Titel würde dem Grünen Band als einzigartigem Symbol für die friedliche Überwindung von Grenzen gerecht werden. Denn das Grüne Band ist weltweit auch ein Hoffnungsschimmer für noch immer geteilte Länder wie beispielsweise Korea.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 06/2020.

Olaf Bandt
Olaf Bandt ist Vorsitzender des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND).
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