TTIP: Richard Kühnel, Leiter der Vertretung der Europäischen Kommission in Deutschland antwortet Bundestagspräsident a.D. Wolfgang Thierse

 

Auch durch den Investitionsschutz kann die Buchpreisbindung nicht ausgehebelt werden. Ein mögliches Investitionsschutz-Kapitel wird in jedem Fall nur in einem sehr engen Rahmen zum Einsatz kommen. Nach den Vorstellungen der EU-Kommission etwa dann, wenn bei Enteignungen nicht ausreichend kompensiert, einem Investor der Zugang zur Justiz verwehrt oder willkürliche Entscheidungen getroffen würden. Dieses Kapitel kann aber mit der amerikanischen Seite erst verhandelt werden, wenn wir in Europa zu einer klaren Haltung gefunden haben. Bei diesem Thema denke ich übrigens, dass die öffentliche politische Debatte einen sehr konstruktiven Anstoß zur Modernisierung dieser Klauseln gebracht hat, die ja schon seit Jahrzehnten in vielen Abkommen – auch Deutschlands – niedergelegt sind. Somit kann hier ein neuer, besserer Standard für ein berechtigtes Anliegen gesetzt werden: Investitionen im Ausland effektiver zu schützen. Das Recht auf Regulierung wollen wir dabei explizit festschreiben.
Damit komme ich, nach all den vermeintlichen Risiken, zu den Chancen durch TTIP. Erhöhte Rechtsicherheit wird auch europäischen Verlagshäusern, die auf den amerikanischen Markt wollen, neue Geschäftsmöglichkeiten eröffnen. Das gilt auch für Künstler, die ohnehin längst global denken und arbeiten. In einigen Bereichen setzen wir uns bei den TTIP-Verhandlungen für konkrete Verbesserungen ein. Etwa bei der US-Praxis, dass Musiker (heute) keine Tantiemen für ihre in US-Radiosendern gespielte Stücke erhalten. Oder dass bildende Künstler (heute) beim Weiterverkauf ihrer Werke nicht an Wertsteigerungen beteiligt werden. Diese Themen wollen wir offensiv mit der amerikanischen Seite ansprechen.

 

Zuletzt noch ein Wort zum Mehrwert TTIPs. Warum führen wir diese Verhandlungen? Erstens geht es natürlich um die Wirtschaft, umfassend begriffen: Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Der US-Markt ist groß und wächst. Besserer Zugang eröffnet da vor allem Chancen für viele kleine und mittlere Unternehmen (die Großen sind schon längst in Übersee). Dies wiederum hilft bei der Generierung von Arbeitsplätzen in Europa, einem Kernanliegen der EU-Kommission.

 

Zweitens wollen wir mit den Amerikanern an gemeinsamen, oder zumindest besser aufeinander abgestimmten Standards und Normen arbeiten. Jeder über seine Gesetzgebungswege und mit dem Ziel, qualitativ hohe Schutzniveaus festzuschreiben. Das wird in Bereichen leichter gelingen, wo diese auf beiden Seiten des Atlantiks schon hoch sind, soll aber auch für neue und künftige Sektoren angestrebt werden. Wenn uns das gelingt, werden sich viele in der Welt an diesen Standards orientieren. Wenn nicht, werden in nicht allzu ferner Zukunft die weltweit geltenden Standards von anderen vorgegeben. Man braucht kein Prophet zu sein um vorherzusehen: diese werden unter möglichen transatlantischen liegen; und das würde den Kulturbereich wohl miteinschließen.

 

Insbesondere geht es aber aus meiner Sicht um eines: Partnerschaft. Bei allen Differenzen, die immer wieder zwischen beiden Seiten den Atlantiks bestehen, ist für mich glasklar: mit keinem anderen globalen Akteur teilen wir nur annähernd in diesem Ausmaß Werte wie pluralistische Demokratie, Freiheit, Achtung der Menschenwürde und Rechtsstaatlichkeit, wie mit den Vereinigten Staaten. Diese Partnerschaft durch ein Abkommen wie TTIP zu stärken ist gerade in instabilen Zeiten, wie wir sie erleben, ein hehres Ziel.

 

 

Leseempfehlung:

TTIP, CETA & Co.: Zu den Auswirkungen der Freihandelsabkommen auf Kultur und Medien
Aus Politik & Kultur 13
ISBN 978-3-934868-34-2
270 Seiten, 22 x 16,5 cm
Euro 14.80

 

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