TTIP: Richard Kühnel, Leiter der Vertretung der Europäischen Kommission in Deutschland antwortet Bundestagspräsident a.D. Wolfgang Thierse

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

letzte Woche veröffentlichten wir an dieser Stelle den Gastkommentar von Wolfgang Thierse „TTIP darf die kulturelle Vielfalt nicht gefährden!“. Jetzt antwortet Richard Kühnel, Leiter der Vertretung der Europäischen Kommission in Deutschland, dem Autor.

 

Für den Deutschen Kulturrat ist es eine Selbstverständlichkeit auch den TTIP-Befürwortern Raum für ihre Anmerkungen zu geben. Deshalb haben prominente TTIP-Befürworter in unserem Buch „TTIP, CETA & CO: Zu den Auswirkungen der Freihandelsabkommen auf Kultur und Medien“ und regelmäßig in Politik & Kultur, der Zeitung des Deutschen Kulturrates, ebenso Stellung beziehen können wie auch bei unserer Veranstaltung zum „Tag gegen TTIP“ am 21. Mai.

 

Leider wird diese Offenheit von den TTIP-Befürwortern bislang bei ihren Veranstaltungen und Veröffentlichungen nicht erwidert. Trotzdem werden wir auch weiterhin alle Seiten des Freihandelsabkommens zwischen der EU und den USA (TTIP) beleuchten, damit Sie sich eine Meinung bilden können.

 

Ihr
Olaf Zimmermann
Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates

 

 

Gastkommentar von Richard Kühnel, Leiter der Vertretung der Europäischen Kommission in Deutschland:

TTIP und Kultur – das sind keine Antagonismen
Eine Antwort auf den Artikel „TTIP darf die kulturelle Vielfalt nicht gefährden!“ von Wolfgang Thierse.

 

Die Argumentation Thierses, das geplante transatlantische Freihandelsabkommen TTIP gefährde die hohen europäischen Standards sowie die deutsche und europäische Kulturlandschaft, ist nicht neu. Doch trotz der Beharrlichkeit, mit der diese Befürchtungen vorgebracht werden, gewinnen sie nicht an Richtigkeit.
Lassen Sie mich klar sagen: die Europäische Kommission, Verhandlungsführerin für die europäische Seite, nimmt die Sorgen der Kulturschaffenden und der Verbraucherverbände sehr ernst. Aber nicht alle Ängste basieren auf belastbaren Fakten. Die Kommission verhandelt nicht gegen die Interessen der europäischen Konsumenten und Bürger, sondern für deren Interessen. Das ist unser expliziter Auftrag im Verhandlungsmandat, aber auch unser eigener „genetischer“ Kodex. Es war und ist ja die Kommission, die sich seit Jahren für die Stärkung der Verbraucherrechte eingesetzt hat, oft gegen Widerstände aus so manchen Hauptstädten und der Wirtschaft. Fakt.

 

Schutz und Förderung der kulturellen Vielfalt Europas sind zentrale Ziele der Europäischen Union, und so in den EU-Verträgen festgeschrieben. Daran wird auch ein Freihandelsabkommen wie TTIP nichts ändern. Schon in bestehenden Freihandelsabkommen genießt die Kultur einen besonderen Schutz, einschließlich der Filmförderung und des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Fakt.
Befürchtungen, Medien- und Kulturpolitik könnten durch TTIP behindert werden, sind unbegründet. Im (öffentlich einsehbaren) Verhandlungsmandat steht eindeutig: Das Abkommen darf keine Bestimmungen enthalten, die die kulturelle und sprachliche Vielfalt in der EU beeinträchtigen. Das Abkommen darf die Mitgliedstaaten auch nicht daran hindern, ihren Kultursektor politisch und wirtschaftlich zu unterstützen. Nach gängiger Praxis werden Subventionen von EU-Handelsabkommen ausgeschlossen. Fakt.

 

TTIP wird deshalb das Recht der Mitgliedstaaten in keiner Weise beeinträchtigen, ihren Kultursektor mit öffentlichen Mitteln zu unterstützen. Die zuständigen deutschen Stellen werden also weiterhin frei sein, Zuschüsse für alle Arten von kulturbezogenen Tätigkeiten (Festivals, Theater, Musikveranstaltungen, Verlagswesen usw.) zu vergeben.
Zur Buchpreisbindung, einem hochgeschätzten Gut in Deutschland: Wir verstehen die Sorgen von Verlegern und Autoren, doch diese sind, wirft man einen Blick in das TTIP-Mandat, nicht gerechtfertigt. TTIP kann und wird dem deutschen Gesetzgeber weder in dieser, noch in irgendeiner anderen Thematik die Hand führen. Das gilt auch für das Urheberrecht, öffentliche Förderungen und Belange des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Der Blick in die Realität zeigt: US-Unternehmen wie Amazon sind bereits auf dem europäischen Markt, ohne dass die Buchpreisbindung gefallen wäre. Jedes Unternehmen, in- oder ausländisch, muss die Gesetze eines Landes respektieren – die Buchpreisbindung in Deutschland gilt daher für den US-amerikanischen genauso wie für einen einheimischen Buchverkäufer. Solange diese Preisbindung in Deutschland hergestellte Bücher und importierte Bücher grundsätzlich gleich behandelt, liegt kein Handelshemmnis vor und wird das durch TTIP nicht berührt. Diese Nicht-Diskriminierung gilt natürlich ebenso für E-Books.

 

Die verantwortliche EU-Kommissarin Cecilia Malmström hat unsere Position sehr klar auf den Punkt gebracht: „Es kommt nicht in Frage, dass TTIP Deutschlands reichhaltige kulturelle Vielfalt oder entsprechende Politikbereiche beeinflussen wird. Weder sind öffentliche Förderungen von Theater- und Opernhäusern, Filmproduktionen oder öffentlicher Rundfunk und Fernsehen, noch Deutschlands System der Buchpreisbindung Gegenstand der Verhandlungen über TTIP. Diese Themen werden in TTIP nicht diskutiert.“ Im Unterschied zu Thierse und anderen, die hier vorhandene Sorgen aufgreifen und bisweilen verstärken, ist Frau Malmström persönlich stark in die Verhandlungen involviert. Sie kennt die Bedenken und vertritt als Europäerin die Europäer einschließlich unserer Kulturschaffenden.

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