Olaf Zimmermann - 1. März 2022 Kulturrat_Logo_72dpi-01

Fotografie

Einigt euch oder begrabt die Idee


Kommentar zum Bundesinstitut für Fotografie

In der Kulturpolitik ist es sehr oft wie im richtigen Leben: Es gibt ein Zeitfenster, um die sprichwörtlichen „Nägel mit Köpfen“ zu machen. Wird dieses Zeitfenster nicht genutzt, geht mitunter das gesamte Vorhaben schief. Diese Gefahr besteht derzeit beim Bundesinstitut für Fotografie. Schon länger gab es die Idee, der Fotografie einen größeren Rang einzuräumen und was mindestens ebenso wichtig ist, der Bund hat zur Realisierung eines Instituts für Fotografie etwas mehr als 40 Millionen Euro über den Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestags zur Verfügung gestellt. Diese 40 Millionen Euro wurden, vom damaligen Haushaltspolitischen Sprecher der SPD-Bundestagsfaktion, Johannes Kahrs, wie es so seine Art war, im Alleingang ohne Einbindung der Bundesregierung im Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages reserviert. Kahrs war berühmt dafür, eine Art Nebenkulturpolitik zu machen und durch Geldgeschenke kulturpolitische Schritte zu erzwingen. Mit diesem „Geldgeschenk“ unterstützte er aber nicht allgemein die Idee eines Bundesinstitut für Fotografie, sondern bevorzugte die Konzeption des Düsseldorfer Fotokünstler Andreas Gursky. Mit dem überraschenden Ausscheiden von Kahrs im Mai 2020 aus dem Deutschen Bundestag ging der wichtigste Unterstützer für die „Düsseldorfer Lösung“ von Bord. 

 

Schon kurz vor dem Abgang von Kahrs, im März 2020 legte eine von Kulturstaatsministerin Monika Grütters beauftragte Expertenkommission ein Konzept für „Bundesinstitut für Fotografie“ vor. Der Expertenkommission gehörten Ute Eskildsen, Thomas W. Gaehtgens, Karin Pietzsch und Thomas Weski an. In dem Konzept werden die möglichen Aufgaben eines Bundesinstituts für Fotografie, die Rechtsform, Netzwerke, Gebäude und Ausstattung, Budget und mögliche Standorte verhandelt.  

 

Die Aufgaben beschrieben die Verfasserinnen und Verfasser als vordringlich: Betreuung von Vor- und Nachlässen herausragender zeitgenössischer Fotografinnen und Fotografen, die einen wichtigen Beitrag zur Geschichte der Fotografie und fotografischen Ausdrucksformen geleistet haben; Forschung zur Restaurierung und Konservierung des fotografischen Erbes, einschließlich der Nutzung neuer technologischer Entwicklungen sowohl was die Trägermaterialien, Farben und digitale Speicherung betrifft; Unterstützung und Beratung anderer musealer und archivarischen Einrichtungen hinsichtlich der Aufbewahrung und Zugänglichmachung von Fotografien; Vermittlung der Forschungsergebnisse durch Ausstellungen, Publikationen und Veranstaltungen; Entwicklung von Richtlinien und Methoden für Neuproduktionen von Abzügen unter Einbeziehung der rechtlichen Rahmenbedingungen und in Absprache mit den Urheberinnen und Urhebern. 

 

Als Rechtsform wurde eine auf Dauer angelegte Stiftung des öffentlichen Rechts empfohlen. Drei mögliche Standorte werden im Konzept genannt: Düsseldorf, Essen und Ulm. Die Autoren empfahlen aufgrund vorhandener Sachkompetenz und möglicher Synergien Essen.  

 

Ein Jahr später im März 2021 legte PD – Berater der öffentlichen Hand GmbH eine im Auftrag der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien erstellte Machbarkeitsstudie vor. Die Machbarkeitsstudie legte das genannte Konzept zugrunde und befasste sich mit dem Raumbedarf sowie Wirtschaftlichkeitsüberlegungen. Dabei wurden zwei Standorte anhand der vorgesehenen Grundstücke verglichen: in Düsseldorf ein Grundstück am Ehrenhof und in Essen ein Grundstück auf dem Gelände der Zeche Zollverein. Die Standorte wurden anhand der Kriterien Realisierung des Nutzerbedarfs, Synergien in der Nachbarschaft sowie effiziente Realisierung/Nutzung bewertet. Die Standortanalyse kam zu dem Ergebnis, dass grundsätzlich beide Standorte infrage kommen. Vorrangig wurde eine Empfehlung für Essen ausgesprochen. Für Essen sprach insbesondere, dass der erforderliche Flächenbedarf von insgesamt 11.540 Quadratmetern Bruttogrundfläche auf Zollverein zu realisieren wäre, wohingegen in Düsseldorf weitere Flächen an einem zweiten Standort hinzuziehen wären. 

 

Das Land Nordrhein-Westfalen hatte bereits seine Unterstützung für die Ansiedlung des Bundesinstituts für Fotografie in NRW zugesagt. Fest ineinander verhakt hatten sich allerdings die beiden Bewerberstädte Düsseldorf und Essen. Sie standen und stehen sich unversöhnlich gegenüber. Düsseldorf hatte sich zwischenzeitlich sogar mit Köln, namentlich der Photographischen Sammlung/SK StiftungKultur, verbündet und als rheinischen Partner gewonnen. Für jeweils Essen und Düsseldorf machten sich Künstlerinnen, Experten, Freundeskreise und andere mehr stark. Im August 2021 lud die seinerzeit noch amtierende Kulturstaatsministerin Monika Grütters zu einem Runden Tisch zum Bundesinstitut für Fotografie ein, den Bundestagspräsident a. D. Norbert Lammert moderierte. Neben den Oberbürgermeistern beider Städte sollten an dem Runden Tisch auch die nordrhein-westfälische Kulturministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen sowie Expertinnen und Experten der Fotokunst teilnehmen. Alle kamen bis auf Düsseldorf. Am Ende konnte der Runde Tisch nur der Hoffnung Ausdruck verleihen, dass nach der Bundestagswahl das Thema weiter vorangetrieben wird. 

 

An diesem Punkt stehen wir nun und ein wichtiges Detail fehlt: Im Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung ist kein Wort zum Bundesinstitut für Fotografie zu finden. Kulturstaatsministerin Claudia Roth macht bisher nicht den Eindruck, dass der Bau von Institutionen oder Museen zu ihren Schwerpunkten zählt. Es besteht die Gefahr, dass beim unversöhnlichen Streit der beiden Nachbarstädte Düsseldorf und Essen sich am Ende eine freuen wird, Kulturstaatsministerin Claudia Roth, die die für das Bundesinstitut für Fotografie reservierten Mittel sicherlich sehr gut für im Koalitionsvertrag festgelegte Vorhaben gebrauchen kann. Die Fotografie, die Fotografinnen und Fotografen wären die Leidtragenden dieses Nachbarschaftsstreits. Die „Missgunst an Rhein und Ruhr“, wie „Weltkunst“ vor einigen Monaten schrieb, ist dabei, eine gute Idee zu zerstören. Man kann den Akteuren vom fernen Berlin nur zurufen, einigt euch oder begrabt die Idee eines Bundesinstitut für Fotografie in Nordrhein-Westfalen! 

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 03/22.


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